Kommentar – und leider eine ernstgemeinte Zusammenfassung eines Projekts, das 10 Monate nach der Beschlussfassung des Stadtrats noch keinen Schritt weiter ist; von Heiko Pohlmann.
Statt einen „Platz mit Aufenthaltsqualität“ (direkt neben der dort gut ausgebauten Dielingerstraße) hat Osnabrück jetzt einen „Nichts-Platz“, ein Platz, an dem überhaupt nichts erlaubt ist – weder parken, noch Fahrräder abstellen oder sonstwas.
Weil zwei Parkplätze schon vor Monaten „entwidmet“ wurden und weil jede andere Nutzung als Sondernutzung kostenpflichtig genehmigt werden müsste.
Der Umbau soll zwar bald erfolgen, einen geeigneten Unternehmer hat man inzwischen auch schon gefunden. Kleinigkeiten, wie eine „Ausführungsplanung“ gibt es aber ebenso wenig wie eine Beauftragung des Umbaus, es liegt bislang noch nicht mal ein Angebot vor. Doch dazu unten mehr…
Es hätte so einfach sein können und sollte nach Ansicht der politisch Verantwortlichen so schön werden. Im Mai 2017 beschlossen die in der Regenbogenkoalition vereinigten Parteien des Osnabrücker Stadtrats (Linkspartei, Grüne, Piraten/UWG, SPD und FDP) die „Entwidmung“ von zwei Parkplätzen in der Dielingerstraße mit dem Ziel dadurch für die „Verkehrswende“ in Osnabrück zu werben.
Passiert ist danach wenig; im Sinne der Beschlussfassung des Stadtrats sogar faktisch gar nichts. Es sei denn, die blosse „Entwidmung“ von zwei Parkplätzen war und ist Selbstzweck dieser Aktion.
Es hätte also so einfach sein können. Bunte Skizzen wurden im Vorfeld der Ratssitzung im Mai herumgereicht. Und das, was da entstehen sollte, sah ein wenig wie ein Hobbythek-Projekt aus den 70er Jahren aus.
„Isch hab da mal was vorbereitet“, hätte der in späteren Jahren als Joghurt-Werbefigur bekannt gewordene Jean Pütz wohl gesagt und das auf der Skizze abgebildete Projekt (Neudeutsch: „Parklet“) aus ein paar Brettern, einer Tüte Schrauben und ein paar Sack Mutterboden innerhalb von 45 Minuten Sendezeit „fix“ zusammengeschraubt.
So hätte es aussehen sollen (kein Hobbythek-Projekt):
Menschen, die mit Rotwein in der Hand am Straßenrand herumlungern…
Aber es dauerte fast fünf Monate bis etwas passierte. Erst wurden die Parkflächen im Rahmen eines „Parking Day“ genannten Events „okkupiert“ – ohne dass diese „Parkplatz-Besetzer“ irgendwie erklären konnten, welchen Mehrwert es besitzt an einem Freitagnachmittag im September am Straßenrand herumzulungern und Rotwein zu trinken. Am Salzmarkt oder am Raiffeisenplatz gibt es eine Szene, die das auch ohne besonderen Anlass das ganze Jahr über so macht.
Und danach, kam nicht etwa Jean Pütz und bastelte endlich den kleinen Sperrholz-Aufenthaltsqualitäts-Platz, sondern es wurden ein paar ausrangierte Europaletten aufgeschichtet – denn weder Jean Pütz noch sonst ein geeigneter „Schrauber“ war bislang beauftragt worden die Pläne aus der Ratssitzung im Mai umzusetzen – und da waren wir schon im beginnenden Herbst.
Paletten-Lösung hielt keinen Winter
Es kam was kommen musste: Der mitteleuropäische Winter (den Klimawandel ignorierend) war kalt und vor allem regnerisch und das schöne Paletten-Gebilde begann in Rekordzeit zu gammeln und zu vermüllen. Als dann eine Palette sich nicht mehr durch ein paar Spax-Schrauben fixiert im rechten Winkel halten wollte, konstatierten die Verantwortlichen schnell: Vandalismus und bauten das traurige Gebilde wieder ab.
Nach ein paar Wochen, in denen Anwohner und Kunden des lokalen Einzelhandels dankbar die Parkflächen wieder als Parkflächen nutzen konnten, wurden in der vergangenen Woche erneut Absperrungen aufgestellt. Diesmal nicht als potentiell dem Gammel verfallenden Europaletten, sondern mit profanen Plastik-Baustellenabsperrungen.
Fahrradhändler okkupierte Nicht-Parkplätze
Wer mag es da dem gegenüber der Nicht-Parkplätze ansässigen Fahrradhändler verdenken, dass er die so dem Verkehr abgerungenen Platz als Ausstellungsfläche für seine Zweiräder nutzte, als am verkaufsoffenen Sonntag das Wetter dazu einlud? Immerhin ging es ja um die Verkehrswende…
Wie ein Sprecher der Stadtverwaltung gegenüber unserer Redaktion bestätigte, war diese Form der Nutzung aber weder gewollt noch bewilligt, also illegal. Der Fahrradhändler erhielt am Montagvormittag eine Verwarnung und nun ist die Fläche wieder einfach nur …abgesperrt.
Kein Auto kann da parken, kein Fahrrad darf zum Kauf angeboten werden und niemand kann sich hinsetzen. Absperrung scheinbar als Selbstzweck.
Aber warum kann sich eigentlich, rund 10 Monate nach dem entsprechenden Ratsbeschluss dort immer noch niemand hinsetzen und die versprochene „Aufenthaltsqualität“ genießen? Wir haben Nicolai Schlepphorst, der für die Stadtverwaltung bei dem Projekt Mobile<Zukunft mitarbeitet, um einen aktuellen Status nachgefragt.
„Die Fläche wurde derweil abgesperrt, da es nach einem Ortstermin in der nächsten Woche und der entsprechenden Ausführungsplanung bald zum Baubeginn kommen soll. Auf Grund der für die Unternehmen erfreulichen hohen Auslastung der einzelnen Firmen vor Ort hatte sich dies um einige Wochen verzögert. Sobald die Ausführungsplanung steht und das entsprechende Angebot bei uns eingegangen ist, wird eine PM [PM = „Pressemitteilung“, die Redaktion] mit der konkreten Umsetzungsmaßnahme an Sie und Ihre Kollegen herausgegeben werden. Bis dahin bitte ich Sie noch um ein wenig Geduld.“
Also, zusammengefasst und in einfache Sprache übersetzt: In Vorbereitung für einen Ortstermin, wobei dem man sich zwei leere Parkplätze anschauen wird(?), wurden die beiden Parkplätze umfangreich mit Absperrmaterial vom städtischen Bauhof eingefasst.
Weil die Baukonjunktur boomt, kann alles aber noch lange dauern.
Und (und das ist jetzt wirklich interessant): Es gibt immer noch keine „Ausführungsplanung“ und es liegt noch nicht einmal ein Angebot von einem Bauunternehmen vor, dass den Umbau vornehmen könnte (vielleicht doch lieber Jean Pütz fragen?)!
Ganz so wollte der für die Verkehrswende-Werbung zuständige Verwaltungsmitarbeiter sich dann aber doch nicht verstanden wissen. Auf neuerliche Nachfrage präzisierte Nicolai Schlepphorst:
„Der Hauptgrund: Rein rechtlich ist die Parkplatzfläche durch den Ratsbeschluss entwidmet worden, sodass Parken dort nun nicht mehr zulässig ist. Hier hat der Fachbereich Bürger und Ordnung auf eine Sperrung bestanden, um das rechtswidrige Parken zu verhindern. Dies ist der allgemeinen Gesetzeslage geschuldet, nach der sich ein öffentlicher Träger zu richten hat. Daher wird die Sperrmaßnahme auch nach dem Ortstermin bis zum Baubeginn weiter Bestand haben müssen.“
Wieder übersetzt in einfache Sprache: Man hat voreilig – und ohne überhaupt zu wissen, wann es mit den Bauarbeiten losgehen soll – die „Entwidmung“ betrieben. Weil kein Parkplatz sein darf, was nicht Parkplatz ist, darf dort nun kein Auto stehen, auch wenn es immer noch wie ein Parkplatz aussieht…
Und weiter:
„Gleichzeitig ist in der letzten Woche ein potentielles Unternehmen zur Durchführung der Baumaßnahme gefunden worden. Wir hätten somit in naher Zukunft zur Durchführung der Maßnahme ebenfalls gesperrt, um einen zügigen Baubeginn zu veranlassen. Wann dieser Baubeginn ist, kann ich erst nach Erstellung der Ausführungsplanung und der terminlichen Absprache mit dem Unternehmen benennen. Grundsätzlich bleibt es unser Ziel, das Parklet zum Frühsommer zu eröffnen.“
Ein „potentielles“ Unternehmen… das bedeutet weiterhin: Noch nicht beauftragt, noch nicht konkret geplant! Aber man hat Ziele… den Frühsommer. Also dann mehr als 12 Monate nach der Beschlussfassung im Mai 2017.
12 Monate weder Parkplatz noch Aufenthaltsplatz… das hat (s)einen Preis:
Nach Berechnung der BOB-Fraktion im Rat der Stadt Osnabrück, hätten die beiden „entwidmeten“ Plätze innerhalb von 12 Monaten der Stadtkasse rund 6.000 Euro aus Parkgebühren zufliessen lassen – ergänzt um einen nicht unerheblichen Betrag, der vom OS-Team noch von den Autofahrern eingetrieben worden wäre, die ihre Höchstparkdauer überschritten hätten.
6.000 Euro, die jetzt für die die Bezahlung der Umbauarbeiten zum Frühsommer – oder wann auch immer – hätten eingesetzt werden können.