Hybridbärin „Tips“ war am frühen Samstagnachmittag aus der Anlage im Osnabrücker Zoo entwichen (HASEPOST berichtete). Wie inzwischen bekannt ist, war die Bärin zum Angriff auf einen Zoomitarbeiter übergegangen. Nach Ansicht des Osnabrücker Zoos gab es keine Alternative zu der Entscheidung in dieser Situation das Tier zu erschiessen. Die Zoomitarbeiter trauern um den langjährigen Zoobewohner.
„Alle Zoo-Mitarbeiter sind tief betroffen von dem gestrigen Vorfall“, berichtet Zoodirektor Prof. Dr. Michael Böer. Am Samstagnachmittag war Hybridbären-Weibchen Tips aus der Anlage in der nordischen Tierwelt „Kajanaland“ entwichen. „Dank dem zügigen und zielstrebigen Handeln der Zoomitarbeiter konnten die Besucher schnell und ruhig in Sicherheit gebracht werden“, so der Zoodirektor weiter. Die Hybridbärin suchte sich einen Weg über das Löwenrondell, wo sie eine Zoomitarbeiterin zu Fall brachte, die sich durch den Sturz leichte Abschürfungen zuzog, jedoch keine ärztliche Behandlung benötigt.
Bärin lief rund 100 Meter durch die Anlage
Der Weg der Bärin endete im Teich der Klammeraffenanlage. Der Weg, den die Bärin zurücklegte, war rund 100 Meter lang. Dort versuchten die Mitarbeiter aus dem tiergartenbiologischen Team, das rund 300 Kilogramm schwere Raubtier zu beruhigen. „Wir hatten ein Narkosegewehr und zwei scharfe Waffen vor Ort. Wir hofften, die Bärin beruhigen zu können. Doch Tips machte eindeutige Angriffsgebärden in Richtung eines Zoomitarbeiters – sie drohte nicht, sondern bereitete sich auf einen Angriff vor. Da blieb uns nichts anderes übrig, als die Bärin zu erschießen“, erklärt Böer.
Eine Narkose hätte bis zu 20 Minuten gedauert
Zudem ergänzte der Zoodirektor, dass die Wirkung einer Narkose erst nach 10 bis 20 Minuten eintritt – ein Zeitraum, in dem die Bärin hätte viel Schaden anrichten können. Nicht nur waren die Mitarbeiter in Gefahr, sondern auch die Besucher, da sich das Tier in der Nähe des Zooeingangs aufhielt, vor dem sich viele Menschen befanden. „Da Tips unglücklicherweise an einem Wochenende und nachmittags aus dem Gehege entwich und der Zoo zu diesem Zeitpunkt ziemlich voll war, waren wir zu diesem schweren Schritt gezwungen, um unsere Besucher zu schützen.“
Für Zoomitarbeiter sei dies die schlimmste Entscheidung, die es zu treffen gibt, so der Zoodirektor. „Doch an dieser Stelle müssen wir uns leider vor Augen führen, dass es sich um ein besonders gefährliches Tier in einer besonders gefährlichen Situation handelt. Da blieb uns leider keine Wahl. Trotzdem ist es sehr traurig, wenn man das Tier viele Jahre kennt, hat aufwachsen sehen und sich täglich mit ihm beschäftigt hat“.
Zeitfaktor entscheidend
Nach Sichtung des Bären dauerte der Vorfall rund zehn Minuten. Besucher hatten das Tier gemeldet, anschließend wurde umgehend die Polizei verständigt und der Eingangsbereich des Zoos evakuiert. Nach Lautsprecherdurchsagen brachten die Zoomitarbeiter die Besucher in den Tierhäusern in Sicherheit. „Wir haben bestimmte Pläne und Abläufe, die bei einem Tierausbruch greifen. Der Zeitfaktor ist das wichtigste bei einem solchen Vorfall“, so Böer. Die Sicherung und Evakuierung liefen weitestgehend ruhig und besonnen ab, fast alle Besucher blieben ruhig und hielten sich an die Anweisungen des Personals.
Untersuchung der Anlage
Wie es zu dem Ausbruch des Bären aus der Anlage kommen konnte, untersuchte ein Team aus Zoomitarbeitern am heutigen Sonntag. „Eine Verkettung unglücklicher Umstände führte dazu, dass die Bärin aus der Anlage entkam. Tips hat drei verschiedene Hindernisse überwunden: Als erstes einen Elektrozaun. Anschließend hat sie sich durch eine nur 35 mal 40 Zentimeter große Öffnung zur Anlage der Silberfüchse gezwängt, mit denen sich die Bären ihre Anlage teilten – was wir angesichts der Größe des Bären für unmöglich eingestuft haben“, beschreibt Böer. „Zuletzt drückte und schlug sie in der Anlage der Silberfüchse mit ihrem gesamten Körpergewicht gegen ein Gitterelement des Außenzauns, das sie so aus den Angeln heben konnte. Wie der letzte Schritt genau passieren konnte, untersuchen wir weiterhin“, erklärt Zoodirektor Böer den Hergang. Die Ursache für dieses außergewöhnliche Verhalten kann laut Böer darin liegen, dass die Bärin ihre Winterruhe gerade beendet hat: „In dieser Phase zeigen Bären ein erhöhtes Erregungspotenzial, sie sind leicht reizbar und ihr Verhalten ist daher schwer einzuschätzen. Wir sind sehr traurig über das Geschehene, denn Tips war nicht nur ein Besucherliebling, sondern auch bei unseren Mitarbeitern ein beliebter Zoobewohner. Gleichzeitig sind wir aber auch sehr froh, dass kein Mensch zu Schaden kam“, erklärt der Zoodirektor. „Außerdem danken der Polizei Osnabrück für die tolle und reibungslose Zusammenarbeit und dass sie unter anderem die Bärenanlage sicherte“. Während der Untersuchung wird Hybridbär-Männchen Taps im Innenbereich bleiben und nicht im Außenbereich der Anlage zu sehen sein.
Tips und Taps: Besucherlieblinge
Die Hybridbär-Geschwister Tips und Taps kamen 2004 im Zoo Osnabrück auf die Welt. Bis dahin wurden im Osnabrücker Zoo, wie es auch in anderen Zoos praktiziert wurde, mehrere Bärenarten zusammen auf einer Anlage gehalten. Wider Erwarten verpaarten sich in Osnabrück der Eisbär Elvis und die Braunbärin Susi erfolgreich. Diese brachte dann die beiden sogenannten Hybridbären auf die Welt. Tips und Taps waren Botschafter für den Klimaschutz, denn in der Wildbahn tauchen mittlerweile auch Hybridbären auf – als Ursache für das Zusammentreffen von Eis- und Braunbären vermuten Forscher den Klimawandel. Die Dauerausstellung „Klimatopia“, die an die Anlage der beiden Bären grenzt, informiert über den Klimawandel und seine Folgen und soll Besucher animieren, selbst im Klimaschutz aktiv zu werden.