In einer aktuellen Stunde, die auf Antrag der FDP Ratsfraktion kurzfristig auf die Tagesordnung kam, wurde am Dienstagabend das Shoppingcenter-Desaster aufbereitet, bevor sich die Lokalpolitiker bis Anfang September in den Sommerurlaub verabschiedeten.
Bevor es zu Stellungnahmen der einzelnen Fraktionen kam, nutze Oberbürgermeister Wolfgang Griesert nochmals die Chance auf die vergangenen Jahre und die vergangenen Tage zurückzublicken.
Bei diesem Rückblick wurde dann auch bekannt, dass aufgrund der am Rosenplatz festgestellten Betonschäden die für diesen Sommer geplanten Umgestaltungsarbeiten am Neumarkt bis auf weiteres gestoppt wurden (HASEPOST berichtete dazu direkt aus der Ratssitzung).
Der Oberbürgermeister erinnerte daran, dass viele Annahmen in Verbindung mit dem Shoppingcenter völlig unklar und umstritten waren.
Ohne direkt auf die wachsende Konkurrenz durch den Onlinehandel hinzuweisen und die ohnehin vorhandenen Herausforderungen, denen sich die inhabergeführten Geschäfte der Innenstadt stellen zu müssen, deutete der OB damit an, dass auch ein fertiggestelltes Shoppingcenter auch zur Katastrophe für die Innenstadt hätte werden können.
CDU: „Von der Regenbogenkoalition ist nur Regen übrig geblieben“
Die einzige härtere Breitseite gegen die Vertreter der Regenbogenkoalition aus SPD, Grünen, Linkspartei, UWG, Piraten und FDP feuerte anschließend Dr. Fritz Brickwedde für die CDU ab: „Von der Regenbogenkoalition ist nur Regen übrig geblieben“ faßte Brickwedde seinen Eindruck von den einst glühenden Verfechtern eines Shoppingcenters zusammen. Der Unionspolitiker erinnerte Frank Henning von der SPD auch daran, dass er im Kommunalwahljahr 2016 eine angebliche Abrissanzeige präsentiert hatte und es direkte Wahlkampfhilfe von Dr. Theodor Bergmann gab, der mit einer großen Multimedialeinwand am Neumarkt von seinem Wohnsitz in Hamburg in den Kommunalwahlkampf eingegriffen hatte. Dr. Bergmann ist nicht nur Bauherr des „Baulos 2“ oder auch Zauberwürfel genannten Neubaus vor dem H&M Gebäude, sondern auch an der Neumarkt 14 GmbH & Co KG beteiligt, in deren Besitz das Kachelhaus und das ehemalige Wöhrl-Gebäude sind.
SPD fordert Wiederaufnahme der Planungen durch Investor
Für die SPD antwortete Susanne Hambürger dos Reis und gab kurz zu, man sei zu blauäugig den Versprechungen des Investors geglaubt, aber ein derartiges Vertrauen müsse auch weiter möglich sein, selbst wenn man schliessend enttäuscht werde.
Die SPD-Politikerin erinnerte daran, dass bereits vor 20 Jahren ein Bürgergutachten, an dem sie auch mitgewirkt habe, konkrete Vorschläge für die Umgestaltung des Neumarkts gemacht habe, seither aber ein städtetbauliches Desaster seinen Lauf genommen habe und ein „trading down“ vor allem der Johannisstraße eingesetzt habe. Deswegen aber glaube sie und die SPD weiter daran, dass man an einem „starken Magneten“ auf der anderen Seite des Neumarkt festhalten müsse um eine reelle Chancengleichheit für die Neustadt zu schaffen.
An den Investor, der das letzte Shoppingcenter-Großprojekt der Bundesrepublik nun nicht in Osnabrück sondern in Hamburg baut, richtete die SPD-Politikerin den Appell, „Was an der Elbe gelingt muss auch an der Hase möglich sein“; offensichtlich wünscht sie sich eine Wiederaufnahme der bislang nicht schriftlich und damit auch nicht offiziell gekündigten Baupläne.
FDP macht Oberbürgermeister für Verzögerungen verantwortlich
Zuvor, als Antragsteller für die aktuelle Stunde, machte Dr. Thomas Thiele (FDP) dem Oberbürgermeister Vorwürfe, durch eine fehlerhafte Planung für eine Normenkontrollklage und damit für erhebliche Verzögerungen verantwortlich zu sein.
Dem war der OB allerdings in seinem Statement schon vorab entgegengetreten, in dem er daran erinnerte, dass es die Regenbogen-Parteien waren, die gegen sein Votum, für einen Bauantrag gestimmt haten, der den Bau eines Wendehammers auf einem Privatgrundstück vorsah, ohne dass der Grundstückseigentümer zuvor gefragt worden war – was prompt zu der Klage mit entsprechender Verzögerung führte. In den Bebauungsplan eingefügt wurde der Wendehammer in Verantwortung des grünen Stadtbaurats Frank Otte.
Grünen-Politiker: Neumarkttunnel-Zuschüttung als Beispiel für Fortschritt am Neumarkt
„Endlich vorankommen“ will für die Grünen ihr Fraktionsvorsitzender Volker Bajus. „Wir haben auf ein Pferd gesetzt und wir haben Entscheidungen getroffen“, beschrieb er das Handeln seiner Partei in den vergangenen Jahren., „Aber wir haben auf ein Pferd gesetzt. Wer auf gar kein Pferd setzt, der setzt auf Stillstand“, warf er den Shoppingcentergegnern vor. „Früher war alles besser, war es aber nicht“, so Bajus, und weiter „es ist heute besser“, als Beispiel für die Verbesserungen führte der in den 90er Jahren als Student nach Osnabrück zugereiste Politiker ausgerechnet den inzwischen zugeschütteten Neumarkttunnel an, der jedoch für viele Osnabrücker als Sinnbild für bessere Zeiten steht.
„Jetzt“, so Bajus, müsse man gemeinsam mit dem Investor „nach vorne“ und „Unibail muss sich sozial stellen“.
UWG: Für Kooperation mit Investor aus Paris
Die allgemein immer noch sehr dem global agierenden Unibail-Rodamco-Westfield ihren Glauben schenken wollenden Fraktionen der Regenbogenkoalition, fanden schließlich in Wulf-Siegmar Mierke von der UWG ein Sprachrohr, der vor Schnellschüssen warnte und erklärte, man könne keinen Rechtsstreit mit dem Eigentümer gebrauchen, „da können nur Kooperationen helfen. Mit Druckmitteln kann man nichts bewegen“.
Beobachtung am Rande: Die in mehreren kurzfristig nach dem Shoppingcenter-Aus veröffentlichten Pressemitteilungen der Fraktionen durchschimmernde Idee, die Stadt könne die vermutlich mit 30-40 Millionen in den Büchern des Investors stehenden Schrottimmobilien kaufen, fand keinen Widerhall mehr in der Ratssitzung.