Während die Profifußballer des VfL Osnabrück sich zuletzt den Niederungen der dritten Liga näherten, setzte ein Ausnahmeathlet der Osnabrücker Leichtathletik und lupenreiner Amateur seinen Aufwärtstrend fort – 400 m-Langsprinter Florian Kroll (LG Osnabrück).
2023 krönten die Deutsche Vizemeisterschaft in der U20 und die Vizeeuropameisterschaft mit der deutschen 4 x 400 m-Staffel eine fast perfekte Saison. In der Hallensaison 2024 stürmte der ausgebildete Tischler nach dem Wechsel in die Männerklasse auf Anhieb unter die Top Ten der besten deutschen Langsprinter. Nahtlos weiter ging es beim Einstieg in die Freiluftsaison. Mit der Weltklassezeit von 33,08 sec über 300 m ließ Kroll die Experten aufhorchen und war schneller als im Vorjahr der derzeit beste deutsche Langsprinter, Jean-Paul Bredau (Berlin) oder 400 m Hürden-WM-Finalist Josh Abuaku (Frankfurt).
Gespannt blickten die Leichtathletikexperten auf Krolls ersten 400er an Christi Himmelfahrt in Duisburg. Im Rahmen der Deutschen Hochschulmeisterschaften duellierte sich der Athlet u.a. mit zwei Mitgliedern des Bundeskaders, die sich zuletzt auf den Kanarischen Inseln mit dem Nationalteam auf die Olympiaqualifikation in Nassau/Bahamas vorbereitet hatten.
Kroll stürmt kämpferisch nach vorne
Und Kroll enttäuschte nicht: Auf der oft als ungünstig angesehenen Außenbahn nahm er das Herz in beide Hände und stürmte nach vorn. Getreu dem Motto: „Wenn ich schon auf der Außenbahn starten muss, bekomme ich meine Gegner bis zum Ziel nicht zu sehen.“ Ganz kurz spürte Kroll nach jeweils starken 22,55 sec (200 m) und 33,77 sec (300 m) eingangs der Zielgeraden den Atem seines Berliner Konkurrenten Lukas Krappe im Nacken. „Die Beine wurden immer schwerer, aber für einen kurzen Antritt reichte es noch,“ schildert Florian den entscheidenden Augenblick.
Kämpferisch stark verteidigte Kroll die Führung bis ins Ziel – und blieb als Deutschlands schnellster Tischler vor den besten Studenten der Republik. „Besser hätte man es sich nicht ausdenken können“, freute sich u.a. auch Krolls Chef, Thomas Zander von der Tischlerei Freistil in Osnabrück.
Zahlreiche Belohnungen
46,65 sec – ein Blick auf die Anzeigetafel stellte für einen Moment die deutsche Langsprintwelt auf den Kopf. Neun Zehntel schneller als im Vorjahr, aktuell Platz drei in Deutschland. Und in Europa Platz fünf in der U23. Trotz der noch jungen Saison respektable Platzierungen. Der Lohn: Ein Anruf des Bundestrainers, auf Instagram die Übernahme seiner Story auf mehreren Kanäle, darunter die Sprintstaffel Deutschland und der DLV. Und ganz überraschend ein Startplatz beim in diesem Jahr hochrangigsten deutschen 400 m-Lauf im saarländischen Rehlingen. Beim Meeting der Silber-Kategorie des Leichtathletik-Weltverbandes am Pfingstsonntag dürfen nur fünf deutsche Langsprinter starten und Punkte für die Weltrangliste sammeln – Kroll ist erstmals auf dieser Ebene dabei.
Im Windschatten von Kroll belegte Trainings- und Vereinskamerad Fabian Dammermann Rang vier in 47,91 sec. Nach einer Verletzung aus dem spanischen Trainingslager ging es für den Routinier um einen sanften Einstieg in die Wettkampfsaison. „Gelungen“, urteilte Trainer Anton Siemer angesichts des Rennverlaufs, bei dem Dammermann bis auf 300 m auf Schlagdistanz zu seinem Teamkollegen unterwegs war.
Osnabrück(er) darf weiter vom Olympiastart träumen
Fünf 400 m-Langsprinter werden nach Paris zu den Olympischen Spielen fahren. Vergeben werden die Fahrkarten letztendlich nach den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig (28.-30. Juni). Erste Hinweise und Vorentscheidungen bringt schon die EM-Qualifikation in Regensburg (25. Mai) und dann die Europameisterschaften in Rom (7.-12.Juni). Osnabrück darf angesichts gleich zweier Langsprintasse weiter vom ersten Olympiastart eines Osnabrücker Leichtathleten träumen.