Jahrelang pflegten die Fraktionen der sogennanten „Regenbogenkoalition“ ein geradezu freundschaftliches Verhältnis zum inzwischen australisch-französischen Unibail-Rodamco-Westfield Konzern – man teilte sogar die Rechtsanwaltskanzlei, wenn es darum ging gemeinsame Interessen gegen den Oberbürgermeister und die Opposition durchzusetzen.
Doch nach jahrelanger Verzögerung des Neumarkt-Projekts wollen SPD, Grüne, UWG, Piraten und Linkspartei vom damaligen Kuschelkurs jetzt nichts mehr wissen und greifen den investitionsunwilligen Investor in einer gemeinsamen Presseerklärung zusammen mit CDU und BOB an.
Hintergrund der gemeinsamen Erklärung sind Berichte, nach denen sich nach dem unternehmensunlustigen Konzern Unibail-Rodamco-Westfield SE (URW) nun auch der Hamburger Immobilienkaufmann Dr. Theodor Bergmann eine Alternative zum Shoppingcenter vorstellen könne, währenddessen der Bauantrag offiziell weiter besteht und von der Verwaltung bearbeitet werden muss.
Geht es nach den Ratsfraktionen, scheint es um die Aktien für das Einkaufszentrum vollends schlecht zu stehen. Sie sind verärgert, dass die Projektgesellschaft noch Geld in die Baugenehmigung für ein Center stecken will, von dem inzwischen jeder wisse, dass es niemand fristgerecht eröffnen könne. Statt auf Zeit zu spielen und zu pokern, müsse der auf spekulativen Grundstückspreisen aufbauende Buchwert massiv nach unten berichtigt werden. Nur dann werde das selbst von URW ins Spiel gebrachte gemischt genutzte Immobilienkonzept verwirklicht werden können. Politiker aller Fraktionen sind sich einig, dass Handels- und Dienstleistungsflächen, Raum für Universität oder soziale Einrichtungen eine gute Lösung seien. Dazu gehöre auch ein attraktives Quartier mit bezahlbaren Wohnungen für die Große Rosenstraße. Deshalb habe Oberbürgermeister Wolfgang Griesert für die Stadt Kaufinteresse signalisiert und URW ein erstes Angebot gemacht.
Kritik von allen Ratsfraktionen an CEO Hohlmann
Alle Ratsfraktionen machen ihrem Ärger Luft. Auch wenn man glaube, dass URW jeden Euro für die schwierige Entwicklung im Überseequartier der Hafen-City an der Elbe brauchen könne, sei es nicht hinnehmbar, sich auf Kosten der Stadt schadlos zu halten. „Wir werden uns nicht erpressen lassen und alles unternehmen, um die hohen Preisvorstellungen von CEO Andreas Hohlmann zu stoppen“, so die Fraktionsvorsitzenden. Nach Ansicht von Dr. Fritz Brickwedde (CDU) und Frank Henning (SPD) verhindern überteuerte Grundstücke die von URW versprochene Aufwertung, die Anlieger und Besucher der Innenstadt zu Recht seit langem für Neumarkt und Johannisstraße fordern. „Hochhäuser und Bürotürme können wir uns in der Nachbarschaft zum Landgericht und in der Sichtachse zum Schloss nicht vorstellen. Wir wollen durch einen neuen B-Plan nicht die Bausünden der Vergangenheit wiederholen“, so Frank Henning, der hier auch das Baudezernat und den Oberbürgermeister unterstützen will: „Wir wollen keine zehn Jahre warten, aber wir wollen nachhaltige Qualität vor kurzfristigen Erfolgen“. Die CDU erwartet, dass URW und Dr. Bergmann sich schnell abstimmen und der Stadtverwaltung endlich einen annehmbaren Preis nennen. „Die Neumarkt 14 Projektgesellschaft muss jetzt zeigen, dass sie keine verbrannte Erde hinterlassen will, sonst wird auch der Neubau vor H&M ein Rohrkrepierer“, so Fritz Brickwedde.
Investoren laufen Gefahr, sich zu verzocken und Anleger zu täuschen
Für Volker Bajus (Grüne) ist klar: „Das besonders betroffene Areal an der Johannisstrasse hat eine zweite Chance mit einem neuen Nutzungskonzept verdient. Die Investoren der Projektgesellschaft laufen Gefahr, sich zu verzocken und weiter an Reputation zu verlieren“. Der gesamte Stadtrat habe mit der Aufhebung des Bebauungsplanes, der vor fünf Jahren für das EKZ aufgestellt wurde, ein klares Signal gesendet. Mit neuem Planungsrecht wollen die Fraktionen eine Brücke zur Nachnutzung der im Eigentum der URW-Projektgesellschaft befindlichen Flächen bauen. „Wir haben lange den Versprechungen von Unibail geglaubt, lassen uns aber nicht für dumm verkaufen. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Die Zentrale von URW in Paris müsse jetzt den Weg freimachen, damit die von Deutschland-Chef Andreas Hohlmann ins Spiel gebrachte Nutzungsmischung durch einen anderen Investor umgesetzt werden kann“, so Dr. Thomas Thiele (FDP). Auch Giesela Brandes-Steggewentz ist enttäuscht, Vorsitzende der Links-Fraktion: „DIE LINKE. fühlt sich in der Skepsis gegenüber privaten Investoren bestätigt. Wir sagen noch nicht, dass der CEO der Unibail-Rodamco Germany GmbH die Analysten und Aktionäre täuscht, aber Herr Hohlmann täuscht zumindest die Osnabrücker Bürgerinnen und Bürger!“
Die BOB-Fraktion ist in keinster Weise bereit, den vom sog. Investor geforderten „Buchwert“ zu akzeptieren. „Zu sehr klingt hier ein „Raubtier-Kapitalismus“ durch, der der sozialen Verantwortung großer zahlungskräftiger Unternehmen nicht gerecht wird“, so Dr. Ralph Lübbe, Fraktionsvorsitzender der BOB-Ratsfraktion.
BOB erinnert an früheren Kurs der Regenbogenparteien
Während die CDU Ratsfraktion offenbar völlig kritiklos hinnimmt, dass die einstigen Freunde des in Paris ansässigen Konzerns sich in Rekordzeit von Freunden zu Kritikern wende-halsten, legt die BOB-Fraktion mit einer gesonderten Pressemitteilung nach: „Die Parteien, die jetzt das Wort „Erpressung“ in den Mund nehmen sind letztendlich auch diejenigen, die sich ungewöhnlich naiv und fehlerhaft zum Nachteil Osnabrücks auf die Absichtszusagen des Investors verließen und schon 2016 jede Frage nach einem Plan B heftig und als unangemessen zurückwiesen haben“.