Ein Fünftel weniger Passanten in der Osnabrücker Innenstadt! Was wie das Schreckensszenario von Handelsexperten wie Gerrit Heinemann klingt, die naiven Lokalpolitiker seit Jahren dringend dazu raten jetzt alles zu tun um die Innenstädte sturmfest für zukünftige Herausforderungen zu machen, ist in Osnabrück offenbar bereits Einzelhandels-Realität.
Bislang nicht veröffentlichte Statistikdaten aus dem Weihnachtsgeschäft zeigen eine dramatische Besuchs-Verweigerung von Einzelhandelskunden in direkter Folge der Neumarktsperrung im Oktober.
In der Eingangspräsentation zu einer öffentlichen Fraktionssitzung, bei der Fachleute aus der Verwaltung und von den Stadtwerken rund 60 Bürgern zu erklären versuchten, warum die Baustellensituation in Osnabrück so ist wie sie ist, präsentierte der Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion, Dr. Fritz Brickwedde, am Montagabend zwei Zahlen, die bislang nur einem kleinen Zirkel innerhalb des Osnabrücker Einzelhandels und seinen Organisationen bekannt war.
-20% Passantenfrequenz im Dezember 2017
Demnach kam es bereits im vergangenen November zu einem rapiden Einbruch bei den seit Dezember 2014 automatisiert erfassten Passantenfrequenzen in der Osnabrücker Innenstadt.
Konkret, so Brickwedde, kam es im November 2017 zu einem Rückgang der Passantenfrequenz um 16%, im Dezember dann sogar zu einem Verlust an potentiellen Einzelhandelskunden von 20%, jeweils gemessen am Vorjahr.
Wenn ausgerechnet in den beiden Monaten, in denen der Einzelhandel mit dem Weihnachtsgeschäft das Geld für das ganze Jahr verdient, die Besucherzahlen der Osnabrücker Innenstadt um 1/5 einbrechen, ist das „ein Alarmzeichen, das nicht ignoriert werden darf“, so Brickwedde.
Ohne hierzu konkrete Zahlen zu nennen, verwies der CDU-Politiker auf ebenfalls deutlich zurückgehende Auslastungszahlen in den Osnabrücker Parkhäusern, die ein weiterer Indikator dafür seien, dass die Hasestadt als Einkaufsziel für viele auswärtige Kunden massiv verloren hat.
Unnötige Belastung des ohnehin kriselnden Einzelhandels
Themen wie die Schließung des Neumarkts, der im Oktober 2017 gesperrt wurde – kurz bevor die Passantenfrequenz in der Osnabrücker Innenstadt massiv einbrach – , oder Diskussionen um ein Dieselfahrverbot und ein Tempolimit von 30km/h, würden dem ohnehin vom Onlinehandel bedrohten stationären Einzelhandel unnötig zusetzen, fuhr Brickwedde fort.
Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigte am Dienstag Petra Rosenbach, Geschäftsführerin der Osnabrück- Marketing und Tourismus GmbH (OMT), die bislang unveröffentlichten Zahlen.
Zusammen mit dem jährlich erstellten Handelsmonitor, der in diesem Jahr voraussichtlich im Mai veröffentlicht wird, werden die Messungen der Passantenfrequenz 2017 dann sicher Gegenstand weiterer Diskussionen über die Attraktivität der Osnabrücker Innenstadt.
OMT versucht Innenstadt attraktiv zu halten
Die Gründe für den Rückgang der Besucherzahlen in der Weihnachtssaison 2017 bezeichnete Rosenbach als „vielschichtig“. Von Seiten des Stadtmarketings wird versucht auf allen Ebenen gegenzuhalten und für eine attraktive Innenstadt zu sorgen.
Für das laufenden Jahr, so die OMT-Chefin, werde versucht insgesamt drei Sonntagsöffnungen im März, Mai und Oktober durchzusetzen.
Weitere Aktionen an den Osnabrücker Samstagen, werden auch in diesem Jahr die Innenstadt zusätzlich beleben. Und nicht zuletzt gehören die Maiwoche und der Weihnachtsmarkt zu den regelmäßigen Highlights der Hasestadt.
Mit der Eröffnung des L&T Sporthauses im Frühjahr und der Etablierung des Lieferservices der Firma Schäffer, werden weitere Kontrapunkte gegen den Trend zu mehr Onlineshopping gesetzt, ist sich Rosenbach sicher.
Ohne Baustellen geht es nicht
Im Rahmen der Veranstaltung im Osnabrücker Rathaus, bei der von dem Unionspolitiker die beiden Zahlen vorab genannt wurden, ging es eigentlich um die Baustellenproblematik.
Dass Baustellen ohne Frage Notwendig seien und es keinen Weg gibt ohne Baumaßnahmen für eine unterbrechungsfreie Versorgung der Bürger mit Energie und Wasser zu sorgen, darin waren sich sowohl die einladende CDU-Ratsfraktion als auch Heinz-Werner Hölscher von der Stadtwerke-Tochter SWO Netz GmbH und Jürgen Schmidt aus dem Ressort von Stadbaurat Frank Otte einig.
Fachkundig und um keine Antwort verlegen, erklärten die beiden Praktiker wie Baustellen in Osnabrück koordiniert und geplant werden (oft schon mehr als ein Jahr im Voraus) und welche rechtlichen Rahmenbedingungen dabei einzuhalten sind.
Während auf innerstädtischer Ebene durchaus sehr viel Engagement zu erkennen ist, zum Beispiel auf Veranstaltungen wie die Maiwoche oder das Weihnachtsgeschäft die notwendige Rücksicht zu nehmen, scheint es oft an der Kommunikation mit übergeordneten Straßenbaubehörden zu hapern, weswegen es immer wieder zu Terminkollisionen mit der Autobahnbehörde kommt, wie Jürgen Schmidt erläuterte.
Mehrere Bürger regten an, zukünftig den vollen Tag und auch alle Tage der Woche zu nutzen, damit die Belastung durch Baustellen nicht unnötig lang wird. Verwaltungsmitarbeiter Schmidt hielt diesen Vorschlägen enge gesetzliche Regelungen und notwendige Genehmigungsverfahren entgegen, die vermutlich derartige Ideen entgegen stehen würden
Wurde Nacht- und Wochenendarbeit nie beantragt?
Ob es tatsächlich reicht im Vorfeld lediglich „anzunehmen“, dass die Gewerbeaufsicht zusätzliche Nacht- oder Wochenendarbeit nicht genehmigen würde, und diese deshalb gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, wurde von vielen anwesenden Bürgern daraufhin auch in Zwischenrufen stark kritisiert.
Die jahrelangen Bauarbeiten an der Knollstraße und die auf inzwischen über drei Jahre terminierten Bauarbeiten auf wenigen hundert Metern Strecke an der Rheiner Landstraße, stehen hier nur exemplarisch für offensichtlich unüberbrückbare Interessenskonflikte zwischen Verwaltung, Bürger und Einzelhandel.
„Die interessiert es doch gar nicht, ob wir kaputt gehen“, machte ein im Publikum anwesender Einzelhändler seinem Unmut über existenzbedrohende Baustellen und Verkehrspolitik Luft.