Ein historischer Moment für Musical-Fans: Nach 25 Jahren erlebte Deutschland wieder die Weltpremiere eines Disney-Musicals. Mit „Hercules“, basierend auf dem gleichnamigen Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1997 und mit der mitreißenden Musik von Alan Menken, wird die Neue Flora in Hamburg jetzt achtmal pro Woche zum Schauplatz einer Heldengeschichte – in einer solistischen Rolle als Muse Klio dabei: UZOH, eigentlich Jamie-Lee Uzoh, die gerade erst ihr Musical-Studium am Institut für Musik (IfM) der Hochschule Osnabrück absolviert hat.
Die Premiere markierte eine bedeutsame Abweichung von der üblichen Strategie der Disney Company, ihre Musicals zunächst am Broadway zu präsentieren. Bereits 1999 sorgte „Der Glöckner von Notre Dame“ in Berlin für Furore. Nun bietet die Hansestadt die Plattform für „Hercules“, nachdem das Stück zuvor in den USA getestet und dann einer umfassenden Überarbeitung unterzogen wurde.
Alan Menken schrieb zusätzliche Musik
Jedoch wirft die Entscheidung, einen vergleichsweise weniger erfolgreichen Film wie „Hercules“ auf die Bühne zu bringen, einige Fragen auf. Während „Die Eiskönigin 2“ weltweit rund 1,4 Milliarden Dollar an den Kinokassen einspielte, bleibt „Hercules“ mit einem Gesamtergebnis von 253 Millionen Dollar weit dahinter zurück. Dennoch betont Thomas Schumacher als Chef von Disneys Theatersparte die vorhandene Nachfrage nach einem „Hercules“-Musical und das unbestreitbare Talent des Komponisten Alan Menken.
Die Umsetzung auf der Bühne stellt jedoch eine Herausforderung dar. Trotz Menkens eindrucksvollem Repertoire wirken die zusätzlichen Songs teilweise unauffällig und bleiben nicht so nachhaltig im Gedächtnis wie die Originalkompositionen. Einige Lieder, insbesondere jene der fünf Musen, stechen jedoch heraus und tragen maßgeblich zur Dynamik der Inszenierung (Regie: Casey Nicholaw) bei.
Beeindruckendes Bühnenbild
Ein weiteres Manko liegt im schwachen Buch von Robert Horn und Kwame Kwei-Armah. Die Handlung wirkt vorhersehbar, die Dialoge sind teilweise flach, logische Inkonsistenzen trüben den Gesamteindruck. Immerhin wird die Produktion aber durch das herausragende Bühnenbild von Dane Laffrey und das kreative Videodesign von George Reeves unterstützt, das eine atmosphärische und visuell beeindruckende Welt schafft.
Die Darsteller, allen voran Benét Monteiro als Hercules und Mae Ann Jorolan als Meg, überzeugen mit ihren schauspielerischen Leistungen und ihrer stimmlichen Präsenz. Auch Detlef Leistenschneider als Hades und Kristofer Weinstein-Storey als Phil tragen maßgeblich zum Erfolg der Aufführung bei.
UZOH vom IfM Osnabrück rockt das Theater
Besonders herausragend sind jedoch die fünf Musen, die als Erzählerinnen durch die Story führen und die Brücke zwischen der Geschichte und dem Publikum bilden. Leslie Beehann (Kalliope), Chasity Crisp (Thalia), Venolia Manale (Terpsichore), Shekina McFarlane (Melpomene) und das Osnabrücker IfM-Gewächs UZOH (Klio) begeistern das Publikum von Anfang bis Ende und lösen mehrmals wahre Begeisterungsstürme aus. Ihre Bühnenpräsenz, schauspielerische Perfektion und stimmliche Kraft sind beeindruckend und machen den Besuch dieser Show allein schon lohnenswert. UZOH und Co. rocken das Theater!
Insgesamt ist „Hercules“ eine sehenswerte Produktion, die jedoch mit starker Konkurrenz in Hamburg konfrontiert ist. Ob das Musical langfristig im Gedächtnis bleiben wird, bleibt abzuwarten. Trotz eindrucksvoller Darbietungen und visueller Effekte vermisst man den unverkennbaren Disney-Wow-Effekt, der andere Produktionen des Unternehmens auszeichnet.