Was geschah am 22. Januar auf einer Osnabrücker Polizeiwache? Eine “Aktivistin” der radikalen Organisation Extinction Rebellion behauptet, sie hätte sich nach einer Sitzblockade im Rahmen der Identitätsfeststellung nackt ausziehen müssen – die Polizei hält dagegen und hat den angeblichen Vorfall auch intern untersuchen lassen. Die Osnabrücker Grünen ergreifen Partei – nicht für die Beamten, sondern für die “Aktivistin”.
Auch unsere Redaktion hatte bereits kurz nach zwei Sitzblockaden, die an einem kühlen und regnerischen Samstag vor dem Haarmannsbrunnen und auf der Schachbrett-Fläche am Domhof stattgefunden hatten, von den Vorwürfen gegen die Polizei erfahren.
Bei einer ersten informellen Nachfrage unserer Redaktion bei der Osnabrücker Polizei erklärte ein Beamter, dass er in den Vorwürfen keinen Sinn erkennen könne. Ein derartiges Vorgehen sei in keiner Weise und unter keinen Umständen gängige Polizeipraxis und entspräche wohl den Vorstellungen, wie sie Hollywood über US-Polizeiarbeit verbreite.
Schutzbehauptung nach der Festnahme durch die Polizei?
In einer später nachgereichten offiziellen Rückmeldung der Presseabteilung der Polizeiinspektion Osnabrück teilte diese mit, dass es keine Hinweise auf die von der “Aktivistin” vorgetragenen Vorwürfe geben würde, die Vorwürfe gegen die Beamten auf der Wache aber nun intern überprüft werden.
Angesichts der engen rechtlichen Vorgaben und der im Pressekodex festgelegten Grundsätze zur Unschuldsvermutung und der Verdachtsberichterstattung verzichteten wir seinerzeit auf einen Artikel zu den Vorwürfen gegen die Osnabrücker Polizei.
Den Osnabrücker Landtagsabgeordneten Volker Bajus, der auch der Grünen Ratsfraktion vorsitzt, waren derartige Bedenken fremd, nicht zuletzt nachdem die linksalternative Tageszeitung taz von Berlin aus die auch weiterhin in keiner Weise belegten Vorwürfe gegen die Osnabrücker Polizisten in einem Artikel öffentlich machte.
Landesregierung stellt klar: Vorgehen der Polizei war erforderlich und angemessen
Bajus stellte eine Anfrage an die Landesregierung, die am 1. März umfangreich beantwortet wurde. In einer Kommentierung zu der Antwort kam auch Bajus schließlich zu dem Schluss, dass hier wohl “Aussage gegen Aussage” steht.
In der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage des Osnabrücker Grünen-Politikers wird festgestellt, dass ein teilweises Ablegen der Kleidung auf der Wache “erforderlich, angemessen und verhältnismäßig” gewesen sei. Hintergrund der Maßnahme wäre die fortgesetzte Weigerung der “Aktivistin” gewesen, sich gegenüber den Beamten auszuweisen.
“Die Maßnahme der Durchsuchung zur Identitätsfeststellung wurde durch die Beamtinnen begleitend und umfassend erläutert. In diesem Zusammenhang wurde die Person mehrfach aufgefordert, ihre Personalien mündlich anzugeben, damit sich eine weitere Durchsuchung erübrige.”
Fridays for Future “Aktivist” unter Verdacht weiterer Straftat gegen L&T
Dass im Umfeld der Osnabrücker Klimaaktivisten vor Straftaten nicht zurückgeschreckt wird, belegt ein weiterer Vorfall, der von Volker Bajus in seiner Anfrage an die Landesregierung ebenfalls aufgeführt wird. Im vergangenen September wurde bei einem Mitglied (22) der Fridays for Future Bewegung die Tatbeteiligung bei einer Sachbeschädigung im Textilkaufhaus L&T untersucht.
Im Anschluss an das Verschmutzen der “Hasewelle” mit einer unbekannten Flüssigkeit wurde ein Bekennerschreiben ins Netz gestellt, in dem sich eine Gruppierung, unter der Bezeichnung „Das Asoziale Netzwerk“ zu der Tat bekannte. Bei L&T musste in der Folge das mit Trinkwasser gefüllte Becken umfangreich gereinigt und das verunreinigte Wasser entsorgt und ausgetauscht werden.
Im Rahmen dieser Ermittlungen kam es schließlich auch zu einer Hausdurchsuchung bei dem 22-Jährigen.
Grünen-Sprecher wiederholen Vorwürfe gegen Polizei
Die von der Landesregierung auf Anfrage ihres Parteikollegen öffentlich gemachten Hintergründe dürften auch den beiden Parteisprechern der Osnabrücker Grünen, Eva Güse und Maximilian Strautmann bekannt sein. Dennoch veröffentlichten diese am vergangenen Wochenende eine Pressemitteilung, in der sie sich die Behauptung der Aktivistin zu eigen machten, sie “musste sich dort auf entwürdigende Weise entkleiden”.
In der Hauptsache kritisieren die beiden Grünen-Politiker, die „Einordnung friedlicher Aktion politischen Protests als Straftat, erscheint uns fragwürdig“, ohne jedoch darauf einzugehen, dass – wie von der Landesregierung klargestellt – die Untersuchung sofort beendet worden wäre, wenn die Aktivistin Angaben zur Person gemacht hätte und dass Osnabrücker Klimaaktivisten zudem unter Verdacht mindestens einer weiteren Straftat stehen.
Grünen-Sprecher reagieren nicht auf Presseanfrage
Unsere Redaktion bat die beiden Grünen-Sprecher mehrfach um eine Stellungnahme – eine Reaktion darauf gab es nicht.
Anders hingegen die Polizeiinspektion Osnabrück, deren Sprecher Matthias Bekermann sich zum Status der Ermittlungen gegen die Aktivistin wie folgt äußert: “Die polizeilichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Nötigung im Straßenverkehr sind weitestgehend abgeschlossen. Die Akte wird in den nächsten Tagen an die Staatsanwaltschaft Osnabrück übersandt.“
Wir fragten auch nach, was die Ermittlungen zu dem Vorwurf ergeben hätten, dass die “Aktivistin” sich komplett (bis auf die Maske) habe ausziehen müssen:
“Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen musste die Beschuldigte während ihrer Identitätsfeststellung ausgewählte Kleidungsstücke ablegen, damit Polizistinnen diese nach Personaldokumenten durchsuchen konnten. Nach den bisherigen Aussagen fand keine ganzheitliche Entkleidung der Person statt.”
Wird dazu noch intern und/oder über die Staatsanwaltschaft ermittelt und gab es dienstrechtliche Konsequenzen im Nachgang an die Vorwürfe?
“Bisher haben sich keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der eingesetzten Beamtinnen und Beamten ergeben, entsprechend wurden keine dienstrechtlichen Schritte eingeleitet.
Sollten sich zukünftig Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten ergeben, werden die notwendigen dienstrechtlichen Schritte eingeleitet.”