Für viel Aufregung, allerdings aus ganz unterschiedlichen Gründen, sorgte eine schon etwas angestaubte Pressemitteilung vom Bund der Steuerzahler, die am Wochenende als Grundlage für einen lesenswerten Artikel der NOZ diente (Abruf ggf. kostenpflichtig).
Bereits am 1. November hatte der als gemeinnützig anerkannte Verein öffentlich angemerkt, dass vor allem durch das Erstarken der Alternative für Deutschland (AfD) zukünftig Mehrausgaben auf die niedersächsischen Kommunen zukommen werden, wenn die Zuschüsse für die kommunalen Fraktionen nicht vorher begrenzt werden.
Hintergrund: Kostenübernahme für Fraktionen durch die Stadtverwaltung
In Niedersachsen erhalten alle in ein Kommunalparlament einer der größeren Städte oder Kreistage gewählten Parteien ab Erreichen der Fraktionsstärke kostenfrei ein Büro gestellt. Abhängig von der Größe der Kommune und der jeweiligen Fraktion, übernimmt die Stadt auch die Kosten für mindestens einen Mitarbeiter. Die Anstellung dieser Fraktionsmitarbeiter erfolgt direkt über die Stadtverwaltung.
BOB: „Unbestätigte Zahlen über Bürokosten und Geschäftsführergehälter“
Ersten Ärger verursachte der oben verlinkte Artikel der NOZ bei der neu ins Rathaus gewählten BOB-Fraktion.
Mangels der in Osnabrück gar nicht erst angetretenen AfD hatte der Kollege der Lokalzeitung vorgerechnet, dass die BOB-Geschäftsstelle den Osnabrücker Steuerbürger ab sofort mit jährlich 50.000 Euro belasten wird. Bis zum Ende der Wahlperiode wird die BOB-Fraktion also insgesamt Kosten in Höhe von 250.000 Euro verursachen.
Artikel ein Fall für den Presserat?
Der Bund Osnabrücker Bürger veröffentlichte darauf eine Replik auf seiner Facebook-Seite und stellte die Frage, ob derartige Berichterstattung nicht „ein Fall für den Presserat“ sei. Nach Ansicht von BOB erweckt der Artikel den Anschein, als hätte der Steuerzahlerbund ausgerechnet den Einzug ihrer Gruppierung in den Stadtrat zum Anlass der Pressemitteilung vom 1. November genommen und die genannten Zahlen würden direkt vom Bund der Steuerzahler kommen.
Tatsächlich sei man aber angetreten „um jeden Euro zweimal umzudrehen“, so BOB. Einen kostenverursachenden Raum habe man zudem von der Stadt noch gar nicht zugewiesen bekommen und die neue Mitarbeiterin hätte auch keine zusätzlichen Kosten verursacht, da diese bereits Angestellte der Stadt ist. „Die Wählergruppierung BOB trennt klar Fraktion und Wählergruppe und gibt zu Bedenken, dass es politische Arbeit nicht zum Nulltarif gibt“, so ein recht erzürnt wirkendes Posting bei Facebook.
Drei Kleinfraktionen im Osnabrücker Rat
Dabei ist BOB tatsächlich nicht die einzige Kleinfraktion die von der Stadt mit Räumlichkeiten und Mitarbeiterkosten unterstützt wird. Neben den etablierten Parteien und BOB (zwei Ratsmitglieder) haben auch die Linken (wie BOB zwei Ratsmitglieder) und die Piraten (1) zusammen mit der UWG (1) jeweils Fraktionsstatus.
UWG und Piraten haben sich dafür zum zweiten Mal in Folge zusammengeschlossen. Mit jeweils nur einem gewählten Ratsmitglied hätten sie sonst auf das Fraktionsbüro und die gemeinsame Mitarbeiterin verzichten müssen.
BOB sieht sich von der NOZ ins Visier genommen
Bereits kurz nach der Ratssitzung in der vergangenen Woche, hatte sich BOB-Mitglied Dr. Stephen Grüner an unsere Redaktion gewendet, mit dem Hinweis auf den Live-Ticker der NOZ, der während der Ratssitzung stichwortartig und aktuell aus dem Rathaus berichtet. Dort wurde das Kommunalwahlprogramm von BOB am vergangenen Dienstag als „Pamphlet“ bezeichnet, während BOB-Ratsmitglied Kerstin Albrecht in einem Redebeitrag es selbst als „Thesenpapier“ erkannt wissen wollte.
Schon nach dieser unglücklichen Wortwahl stellte BOB auf seiner Facebookseite die Frage, ob dies nicht ein Fall für den Presserat sei.
Zum aktuellen Artikel über die Fraktionsfinanzierung will man nun eine Gegendarstellung erlangen, so jedenfalls das aktuelle Facebook-Posting zum Thema.
Gleicher Artikel – anderer Ärger
Michael Hagedorn schreibt vom „Bund der Steuerhinterzieher“
Ähnlich verärgerte Reaktionen wie beim Bund Osnabrücker Bürger löste der Artikel bei Michael Hagedorn, dem Fraktionsvorsitzenden der Osnabrücker Grünen aus. Allerdings geriet bei dem Politprofi nicht der Überbringer (hier die NOZ) ins Visier der Kritik, sondern der Absender der ursprünglichen Nachricht – also der Bund der Steuerzahler.
In einem auf seinem öffentlichen Facebook-Profil veröffentlichten Posting kritisierte Hagedorn am Samstag, dass die ehrenamtliche Arbeit im Rat nicht genügend Anerkennung finden würde. Um diese Arbeit leisten zu können, brauche es eine funktionierende Geschäftsstelle. Den Bund der Steuerzahler bezeichnete der dabei als „Bund der Steuerhinterzieher“.
Osnabrücks Stadtkämmerer legt noch einen drauf
Damit bekam Hagedorn viel Zuspruch bei seinen Facebook-Freunden. Neben einer Mitarbeiterin aus der Pressestelle des Vereins Terre des Hommes (ein Verein der selbst mit allerlei Steuerprivilegien begünstigt wird) pflichtete dem grünen Lokalpolitiker auch Stadtkämmerer Thomas Fillep bei.
Fillep ist der Wächter über die städtischen Finanzen und bildet im Rathaus zusammen mit Stadtbaurat Frank Otte und Oberbürgermeister Wolfgang Griesert den Vorstand der Stadt Osnabrück.
Der als Freund direkter Ansagen bekannte Finanzfachmann lies sich sogar dazu hinreissen den Bund der Steuerzahler als „Trottel“ zu bezeichnen.
Und auch Dr. Horst Simon, lokalpolitisches und grünes Osnabrücker Urgestein (inzwischen SPD), der als Notar eine Amtsfunktion wahrnimmt, wiederholte in einem eigenen Posting die Formulierung „Bund der Steuerhinterzieher“.
Steuerzahler drohen subtil mit Strafanzeige
Der Bund der Steuerzahler wollte das nicht auf sich sitzen lassen. In einer ersten Reaktion postete ein Vertreter des Steuerzahlerbundes in der Facebook-Timeline von Michael Hagedorn einen Link auf eine eigene Pressemitteilung zu einem laufenden Verfahren wegen „Ehrabschneidung“.
Ein SPD-Lokalpolitiker aus dem Schaumburger Land hatte während einer Ratssitzung den Steuerzahlerbund als „Kriminelle Vereinigung“ bezeichnet.
Der Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen hatte zuvor der Samtgemeinde Nienstädt kritische Fragen gestellt, die bei dem SPD-Politiker den Ausraster auslösten.
Hat der Bund der Steuerzahler einen wunden Punkt getroffen?
Gegenüber unserer Redaktion erklärte Gerhard Lippert für den Bund der Steuerzahler: „Die Äußerungen von Herrn Hagedorn stellen eine Verunglimpfung der 250.000 Mitglieder unseres Verbandes dar, die hier pauschal als „Steuerhinterzieher“ diskreditiert werden. Diesen verbalen Fehlgriff weisen wir zurück. Die unangemessene Polemik zeigt uns zudem, dass wir mit dem Thema der Fraktionsfinanzierung offenbar einen wunden Punkt getroffen haben. Wir werden der Politik deshalb auch in Zukunft auf die Finger schauen, wenn es um Entscheidungen in eigener Sache geht. Fraktionen laufen schnell in Gefahr, bei sich selbst andere Regeln anzuwenden als etwa bei vielen Vereinen, Einrichtungen oder Organisationen der Stadt, die gesellschaftlich wichtige Aufgaben übernehmen und ebenfalls öffentliche Gelder empfangen“.
Steuerzahler behalten sich Strafanzeige vor
Auf direkte Nachfrage ergänzte Lippert: „Wir behalten uns eine Strafanzeige in diesem Fall ausdrücklich vor, wollen aber zunächst den Ausgang des anderen Verfahrens […] abwarten. Hiervon erwarten wir uns mehr Klarheit darüber, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Verleumdung liegt.“
Michael Hagedorn will Oliver Kalkofe zitiert haben
Auf Nachfrage unserer Redaktion überraschte Hagedorn jedoch mit einer einfachen Erklärung für die von ihm gewählte Bezeichnung. Er weisst auf die verwendeten Anführungszeichen hin und nennt einen Bezug zu einem Video des Satirikers Oliver Kalkofe (siehe unten) bei dieser ebenfalls vom „Bund der Steuerhinterzieher“ sprach.
Die Anführungszeichen habe er (Hagedorn) gewählt „um deutlich zu machen, dass es sich um eine Verballhornung des Namens handelt […] und nicht um einen tatsächlichen Vorwurf“. Das können man auch aus dem Inhalt des Posts entnehmen und er habe auch „weder Zeit noch Lust, mich mit solchen mimosenhaften Lobbyisten rumzuärgern“.
Neue Bezeichnung: „Steuerallergiker“
Seinen kritisierten Facebookbeitrag änderte der Chef der Osnabrücker Grünen zwischenzeitlich ab. Nun sind es die „offenkundigen Steuerallergiker“.