Wie sich die Bilder doch gleichen: Im Februar 2016 präsentierten die Spitzen der Osnabrücker Regenbogenkoalition eine „Abrissanzeige“ für das „Kachelhaus“ und das ehemalige Wöhrl-Gebäude.
Voller Zuversicht lächelte man in die Kamera, ganz offensichtlich davon überzeugt, dass der Shoppingcenter-Investor es mit diesem „Papier“ auch wirklich ernst meinen würde.
Allerdings war die tatsächlich eingereichte Abrissanzeige inhaltlich unvollständig und damit ungültig, aber auch sonst passierte seither bekanntlich wenig am Neumarkt in Sachen Kaufhausneubau – der Optimismus war verfrüht.
Mehr als ein Jahr später halten die versammelten Regenbogen-Spitzen erneut ein Papier vor die Kamera, erneut fest davon überzeugt damit ihre Vorstellungen eines vom Individualverkehr „befreiten“ Neumarkts durchdrücken zu können. Man ist erneut voller Vertrauen. Eine Anwaltskanzlei aus Köln soll es nun richten.
Rechtsgutachten von Unibail-Kanzlei erstellt
Ob die bunte Mischung aus SPD, Grünen, FDP, UWG, Piraten und Linken diesmal erfolgreicher sein wird, ist noch offen. Allerdings gibt es mehr als eine Analogie zu der zu Fake News mutierten Abrissanzeige von 2016.
Auch das am Freitagvormittag in einer eilig einberufenen Pressekonferenz vorgestellte Rechtsgutachten hat – wie die Abrissanzeige – auf Seiten des Verfassers eine „gewisse Nähe“ zum Shoppingcenter-Investor Unibail Rodamco.
Ein Leser der HASEPOST wies unsere Redaktion darauf hin, dass die mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Kanzlei Lenz und Johlen (Köln) ausgerechnet den Shoppingcenter-Investor Unibail-Rodamco als herausragende Referenz der Kanzlei aufführt.
Verwaltung interpretiert maßgebliches Urteil anders
Sowohl OB Wolfgang Griesert, unter Bezugnahme auf das Rechtsamt der Stadt, wie auch das neu vorgestellte Gutachten der Regenbogen-Politiker, stützen sich auf das gleiche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 10.10.2012- 9A 19/11), kommen jedoch zu einem unterschiedlichen Schluss in der Interpretation.
Erst die Neumarktsperrung, dann die Lösung für die Schadstoffe?
Die Lösung für die Schadstoffbelastung müsse nicht bis Dienstag auf dem Tisch sein, erklärten die Regenbogenkoalitionäre am Freitagvormittag, sondern erst mit dem von der Stadtverwaltung beauftragten Luftreinhalteplan, der im Spätsommer erwartet wird. Das ist der zentrale Punkt, in dem sich das Gutachten der Sperrungsbefürworter von der Rechtsauffassung der Stadtverwaltung unterscheidet. Zudem stellt die Kölner Kanzlei in ihrem Gutachten fest, dass die Stadtverwaltung keine „zwingenden Gründe“, sofern man die Gesundheitsbelastung von mehr als 2.000 Innenstadtbewohnern nicht als solche bewertet, gegen eine Sperrung vorgebracht hätte.
Griesert will keine vorschnelle Sperrung
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) appellierte bislang vergeblich an die Ratsmehrheit, mit einer Entscheidung über die Neumarktsperrung zu warten, bis man wisse, wie man den Luftreinhalteplan verwirklichen kann. Von einem Dieselverbot oder LKW Verbot steht der OB, zusammen mit BOB und CDU kritisch gegenüber.
Bevor etwa 2500 Wallanwohner durch eine zügige Sperrung des Neumarkts zwangsläufig mit deutlich mehr Lärm und vor allem Luftschadstoffen belastet werden, müssen Schutzmaßnahmen nicht nur als möglich erachtet werden, sondern auch konkret benannt und am besten auch umgesetzt worden sein. In der Diskussion steht hier u.a. eine Ausrüstung der Wallanwohner mit Schallschluckfenstern auf Kosten des Stadtsäckels, die vermutlich etwa eine halbe Million Euro kosten wird.
FDP will gar keinen Verkehr mehr auf dem Neumarkt
Den Liberalen, die sich im Rahmen der Regenbogenkoalition an den Sperrungsplänen für den Individualverkehr beteiligen, schwebt ein größeres Ziel vor:
„Das Gutachten […] darf nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum Ziel des „verkehrsfreien Neumarktes“ sein,“ so der Osnabrücker FDP-Vorsitzende Moritz Gallenkamp. „Unser großes Wahlkampfthema zur Kommunalwahl war, dass wir einen vollständig verkehrsfreien Neumarkt als Ziel haben. Das bedeutet, dass auch keine Busse mehr über den Neumarkt fahren dürfen. Ansonsten wird der Neumarkt kein Platz mit Lebens- und Aufenthaltsqualität“ so Gallenkamp.
Wer hat das Gutachten bezahlt? [Nachtrag 21:30]
Kurz nach Veröffentlichung dieses Artikels ist uns aufgefallen, dass der Aspekt, wer das Gutachten bezahlt hat, leider in der finalen Version dieses Artikels verloren gegangen war. Hiermit nachgeholt: Bezahlt haben die Rechtsanwaltskosten auf Nachfrage unserer Redaktion die Fraktionen selbst, anteilig nach Größe und jeweils aus dem Topf, der ihnen für Sachkosten im Rat zur Verfügung steht. „Wir müssen jetzt an andere Stelle sparen“, so Giesela Brandes-Steggewentz von den Linken.