Bevor am Montagabend mehr als 80 Bürger aus Hellern, Sutthausen und vor allem Hörne im Sitzungssaal der Stadtwerke diskutierten, muss bereits mächtig etwas schiefgelaufen sein im Verhältnis der Bürger dieses schönen Fleckens zum ÖPNV-Angebot der Stadtwerke.
Es war wohl ziemlich genau vor 11 Jahren, als der damals neue Busfahrplan und das seinerzeit überarbeitete Busliniennetz den Grundstein für den Unmut legte, der sich an diesem Sommerabend entlud.
Seit diesem denkwürdigen Fahrplanwechsel ging es nach Ansicht vieler “Hörner” und Nachbarn der angrenzenden Ortsteile Sutthausen und Hellern bergab mit der Attraktivität des Busverkehrs. Seither schaukelt sich die Buslinie 92, die den idyllisch gelegenen Hörner Bruch über den Neumarkt mit Lüstringen verbindet, durch die Wüste und klappert auf ihrem Weg in Richtung Neumarkt so allerlei “Milchkannen” ab – und benötigt dafür eine deutlich längere Fahrzeit bis zum Neumarkt als vor dem denkwürdigen Fahrplanwechsel 2007.
“Bevor die Hörner durch die Wüste geschickt wurden”, wie es eine Anwohnerin formulierte, war der Busverkehr deutlich attraktiver für die Bürger, die im Juni von Plänen der Stadtwerke überrascht wurden, sie mit dem Busliniennetz 2019 zukünftig komplett von der Streckennetzkarte zu tilgen.
Dann, so der Tenor im Vorfeld des Bürgergesprächs, wäre Hörne zwar offiziell noch ein Teil der Stadt Osnabrück, faktisch aber schlechter an den öffentlichen Nahverkehr angebunden als Teile des Landkreises Osnabrück.
Feedback aus den Stadtteilen wichtig für die Planung
Zu Beginn des Bürgergesprächs in den Räumen der Stadtwerke betonte Stadtwerke-Vorstand Dr. Stephan Rolfes, dass man inzwischen aus den Reaktionen der betroffenen Anwohner gelernt habe, dass die ursprünglich zur Diskussion gestellten Planungen so nicht durchführbar seien. Es sei auch Teil des Planungskonzepts, so Rolfes, dass an diesem Punkt der Planungen das Feedback der Bürger mit den Ideen der Planer in Übereinstimmung gebracht wird.
Ähnliche Kritik an den im Juni erstmals gezeigten Plänen gab es auch von anderen peripheren Stadtteilen, die zu Gunsten schnellerer Direktverbindungen in die Innenstadt, zukünftig deutlich schlechter angebunden werden sollen. Auch hier sind die Planer der Stadtwerke im Gespräch mit den Bürgern um bestmögliche Lösungen zu finden.
Busse fahren oft ohne Fahrgäste von und nach Hörne
Dass es so wie bisher auf der Linie 92 allerdings nicht weitergehen kann, verdeutlichte der Stadtwerke-Vorstand anhand laufender und kürzlich nochmals aktualisierter Fahrgastzählungen. Auf dem Streckenast zwischen der Lengericher Landstraße und dem Hörner Bruch brechen die Fahrgastzahlen ein, je näher man der Endhaltestelle kommt. Mehr als 2/3 der Busse fahren die letzten Kilometer zur Endhaltestelle schließlich ohne einen einzigen Fahrgast an Bord.
Von Seiten der Anwohner gab es zwei Argumentationslinien, die mögliche Erklärungen für die von den Stadtwerken ermittelten Zahlen lieferten. Zum einen wurde die jüngste Fahrgastzählung der Stadtwerke direkt nach Ferienende in der vergangenen Woche durchgeführt, als noch viele Schüler angesichts des guten Sommerwetters mit dem Rad unterwegs waren oder noch gar keinen Unterricht hatten. Und es kam die bereits oben beschriebene Unattraktivität der Linie 92 zur Diskussion, die seit mehr als 10 Jahren durch die Wüste kurvt, statt die Anwohner direkt an ihr Ziel zu bringen.
Baugrundstück unter anderen Voraussetzungen gekauft
Es ist die seit 2007 eingeführte “Wüsten-Tour”, die den Bus für uns unattraktiv gemacht hat, erklärte eine Anwohnerin. Sie hatte ausgerechnet kurz vor der damaligen Streckenänderung ihr Baugrundstück gekauft, in der Annahme auch weiterhin umweltfreundlich aber auch schnell ihre Ziele in der Stadt zu erreichen – “und nun soll ich komplett auf das Auto umsteigen, weil bald gar kein Bus mehr fährt”.
Was den Schülerverkehr angeht entgegnete Dr. Rolfes, dass das eine Drittel der Busse, die nicht leer von und zur Endhaltestelle fahren, wohl die Busse sein werden, die hauptsächlich von Schülern genutzt werden – bei sommerlichen Temperaturen natürlich weniger als im Herbst und Winter. So stand im Raum, dass die Linie 92 auf den letzten Kilometern faktisch nur noch von Schülern genutzt wird – mit wenigen Ausnahmen.
Alternativen um das “Nest” anzubinden
Um für die Anwohner auch in Zukunft noch eine Busanbindung bereitzuhalten präsentierte Thomas Schniedermann, bei den Stadtwerken für die Fahrpläne zuständig, zwei Alternativen zu der bisher im Raum stehenden Streichung der Anbindung der Siedlung, die von ihren Anwohnern auch liebevoll als ihr “Nest” bezeichnet wird.
Die Alternativoption 1 sieht eine einmal pro Stunde bis in den Hörner Bruch verlängerte Linienführung der zukünftigen Linie 42 vor, die zu allen anderen Zeiten ihren regulären Endhaltepunkt an der Haltestelle “Sandgrube” in der Wüste haben soll.
Diese neue Linie 42 folgt ansonsten dem bisherigen Zickzack-Kurs der “alten” Linie 92 – mit der gravierenden Änderung, dass der Hörner Bruch nur alle 60 statt 20 Minuten ans ÖPNV-Netz der Hasestadt angebunden sein wird.
Die Alternativoption 2 bietet den Anwohnern keine direkte Fahrtmöglichkeit mehr bis zum Neumarkt, dafür eine Querverbindung über die Haltestelle “Zur Spitze” hoch zum Heger Friedhof und weiter bis zum Klinikum.
Wer weiter in die Innenstadt möchte, könnte bei dieser Option an der Lengericher Landstraße in eine zukünftig elektrifizierte und beschleunigte Metrobuslinie M4 umsteigen und würde – unter Umfahrung der Wüste – relativ fix zum Neumarkt gelangen. Alternativ wäre auch ein Umstieg an der Rheiner Landstraße möglich.
Ungeachtet von den beiden Alternativvorschlägen, würden die “E-Busse”, also die Einsatzfahrzeuge für den Schülerverkehr, auch weiter eingesetzt werden und Schüler zum Beispiel zum Gymnasium in der Wüste transportieren, betonte Dr. Rolfes.
Nur noch einmal pro Stunde soll ein Bus fahren?
In der folgenden Diskussion sorgte das bei den beiden Alternativen vorgesehene “Eindampfen” des Taktes von aktuell 20 auf 60 Minuten für den größten Unmut.
Konstruktiv waren die Diskussionsbeiträge, die sich mit den Schwierigkeiten einer Umsteigeverbindung auseinandersetzten. So wie es aktuell läuft, wenn ein eigentlich für einen Umstieg geeigneter Bus genau in dem Moment abfährt, wenn der andere Bus gerade ankommt, kann es jedenfalls nicht weitergehen, war aus zahlreichen Redebeiträgen zu hören. Wenn Umsteigen, dann mit gut aufeinander abgestimmten Linien und mit attraktiven Wartehäuschen.
Was das Umsteigen in Richtung Innenstadt angeht, wusste Dr. Rolfes zu kontern: “Wenn die zukünftige Metrobuslinie von Hellern in die Innenstadt alle 10 Minuten fährt, dauert die Wartezeit beim Umsteigen maximal 9 Minuten”. Dass es in Gegenrichtung dann aber auch bis zu 59 Minuten sind, wenn die neue Querverbindung dem gerade ankommenden Metrobus davonfährt, ist die Kehrseite von ungleichen Taktzeiten (hier 10 vs. 60 Minuten).
Busverkehr nur auf Nachfrage?
Fast ein wenig versteckt auf der Konzept-Folie zum Alternativvoschlag befand sich auch der Hinweis, dass für diese Linie eventuell eine “bedarfsorientierte” Anrufmöglichkeit eingerichtet werden könnte. Wie genau die Stadtwerke das regeln, könnte zum Erfolgs- oder Misserfolgsfaktor der Linie werden.
Individuelle Mobilität ist nicht immer genau planbar, das machten einige ältere Anwohner deutlich. Zwar könnten Facharzttermine im Voraus durchaus auf die Busverbindung in die Stadt abgestimmt werden. Auf dem Rückweg will man dann aber nicht eine Stunde in Hellern verbringen, um den zukünftigen Pendelbus zu erreichen, erklärte mehr als ein älterer Anwohner, von denen einer angab auf den Bus angewiesen zu sein, seit er mit zunehmendem Alter ganz bewusst seinen Führerschein abgegeben habe.
Lokalpolitiker in der Kritik
Durch die ganze Veranstaltung zog sich eine Skepsis gegenüber der Lokalpolitik, die an diesem Bürgergespräch mit keinem Vertreter beteiligt war. “Den Neumarkt wollen sie schließen, wir sollen alle mehr mit Bus und Fahrrad fahren, aber uns nehmen sie die Busverbindung weg”, steht hier exemplarisch für eine ganze Reihe ähnlicher Äußerungen, in denen es auch um die Notwendigkeit ging ein Auto zu haben oder die Sorge darum zukünftig noch seinen Arbeitsplatz in der Innenstadt zu erreichen.
Dass die Politik nochmals zusammen mit Anwohnern und Stadtwerken an den Tisch muss, war eindeutiger Tenor am Ende der gut zweistündigen Diskussion. Für die Stadtwerke betonte Vorstand Dr. Rolfes, dass auch er seine Vorgaben – und vor allem die finanziellen Mittel – von Seiten der Politik erhalte. “Entscheiden muss am Ende die Politik”.
Kommentar des Redakteurs
Die Stadtwerke gingen gut vorbereitet in diesen Termin. Statt einer Maximallösung, die ein Ausradieren des Hörner Bruchs und Teile von Hellern von der Streckennetzkarte der Stadtwerke bedeutet hätte, wurden zwei realistische Alternativen gezeigt um Hörne nicht zu einem Dornröschen-Dorf zu machen.
Aufmerken sollte die Politik was die Schilderung des Fahrplanwechsels 2007 angeht. Nach genau diesem Muster hat es die Beamten-Bahn in den 80er Jahren geschafft so manch eine ehemals gut funktionierende Bahnstrecke “kaputtzuoptimieren”. Wenn nach Einführung unattraktiver Fahrpläne und Streckenführungen die Fahrgastzahlen einbrachen, war man bei der Bundesbahn schnell dabei eine Linie einzustellen.
Beim Bahnverkehr hat es ein Umdenken gegeben: Statt bummelnder Bundesbahnzüge, die teils auf absurden Verbindungen und zu seltsamen Zeiten fuhren, wird seit Jahren auf den Bahnstrecken nach Bielefeld, Oldenburg oder Vechta mit verlässlich getakteten flinken Triebwagen gefahren – und der Erfolg gibt diesem Konzept Recht.
Die präsentierten Alternativen der Stadtwerke haben das Zeug zum”Nebenbahn-Retter” des Busverkehrs zu werden.
Ganz besonders die angedachte Querverbindung vom Hörner Bruch zum Klinikum, die in einer Richtung auch bis zum Campus Westerberg und in der anderen Richtung bis zum Sutthauser Bahnhof verlängert werden könnte, hat einen besonderen Charme. Aber so ein Konzept sollte mindestens den alten Takt von 20 Minuten beibehalten oder von den Verantwortlichen genutzt werden um ganz neue Konzepte zu probieren. Was spricht dagegen auf dieser Verbindung neue Technologien zu erproben? Ein Rufknopf für den Bus in jedem Haus entlang der Strecke und für alle anderen Fahrgäste einen virtuellen Bestellknopf in der bereits erfolgreich im Einsatz befindlichen VOSpilot App?
Hörne und Hellern würden sich anbieten “in echt” zu erproben, wie ein kleiner Bus aus einem Wohngebiet heraus zum Zubringer für den schnellen Elektrobus in die City wird (und wieder zurück). Es wäre sicher auch spannend an diesem Beispiel zu erproben, wie ein Umsteigen zwischen den Buslinien am Rande der Stadt funktioniert. Hellern und Hörne sollten als Chance begriffen werden, nicht als lästige Herausforderung. Dass die Stadtwerke durchaus gewillt sind auf die Bürger einzugehen, haben sie mit den beiden Alternativvorschlägen bewiesen – nun muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen um den nächsten Schritt zu gehen.
Ohne die Osnabrücker, die ein wenig abseits der schicken neuen elektrischen Metrobuslinien wohnen, wird es nicht gelingen eine Mehrheit von der von vielen Lokalpolitikern herbeigesehnten Mobilitätswende zu überzeugen. Zu Fuß werden die Bewohner der Siedlungen nicht bis zur Metro-Bushaltestelle pilgern. Und für manch einen älteren Menschen ist die letzte Meile (die aus Hörne einige Kilometer lang ist) mit dem Fahrrad auch keine Option.