Eigentlich ist es für eine Preisverleihung für 2020 noch ein wenig zu früh, vielleicht auch für Osnabrück, wenn es ausgerechnet um das Thema “Nachhaltigkeit” geht [siehe Kommentar unten]?
Die Jury schien unbeeindruckt davon, dass die vielgelobte Mobilitätswende in Osnabrück gerne auch mal mit der Kettensäge durchgeführt wird oder die Sanierung der einzigen großen innerstädtischen Grünfläche, dem Schlossgarten, für zusätzliche Versiegelung von Grünflächen sorgen wird. Die Liste nicht-nachhaltiger Wirklichkeit in Osnabrück könnte beliebig verlängert werden – letztlich zählte für die Jury wohl nur, was die Stadtverwaltung in ihrem Bewerbungsschreiben alles aufgezählt hat, doch dass sind bei genauerem Hinsehen lediglich Pläne, die die Realität in der Hasestadt nicht wirklich abbilden.
Anders als bei der Auszeichnung “fahrradfreundliche Kommune”, ist jedoch kein Vorstandsmitglied der Stadtverwaltung direkt oder indirekt mit dieser Preisvergabe verwickelt.
30.000 Euro als Preisgeld soll an Krippen und Kindergärten gehen
Die Auszeichnung, die im Jahr zuvor Münster erhielt, wird seit 2012 von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. vergeben. Die Preisträger erhalten eine Fördersumme von jeweils 30.000 Euro für Projekte zur nachhaltigen Stadtentwicklung von der Allianz Umweltstiftung. Das Preisgeld soll an Krippen und Kindergärten in der Stadt gehen.
Auf seiner Facebookseite erklärte Oberbürgermeister Wolfgang Griesert, dass er die Preisverleihung als Bestätigung für die strategische Ausrichtung der letzten Jahre, aber auch Ansporn für zukünftiges Handeln sehe. Nachhaltigkeit sei “ein Gesamtwerk mit Bürgerschaft, Verbänden und Institutionen und bleibt eine Daueraufgabe, unsere Stadt auch für zukünftige Generationen lebenswert zu erhalten”.
Jury: Osnabrück übernimmt globale Verantwortung
Die diesjährigen kommunalen Sieger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises zeichnen sich, so sieht es jedenfalls die Jury, insbesondere durch ihr strategisches und partizipatives Vorgehen in puncto Klimaschutz und der Erhaltung der Artenvielfalt aus. Demnach würde in Osnabrück hervorragende Integrationsarbeit vor Ort geleistet, die Stadt übernehme aber auch globale Verantwortung.
„Eine nachhaltige Stadtentwicklung kann nur gelingen, wenn sie neben Politik und Verwaltung auch von den Bürgerinnen und Bürgern getragen wird“, sagt Stefan Schulze-Hausmann, Initiator des Preises.
So wird die Vergabe des Nachhaltigkeitspreises an Osnabrück begründet:
Die niedersächsische Friedensstadt Osnabrück verfolgt bei ihrer nachhaltigen Entwicklung einen wirkungsbasierten, strategischen Steuerungsansatz und nutzt hierfür den eigens entwickelten Indikatoren-Katalog „KOSMOS“, der sowohl Verwaltung als auch Bürgerschaft befähigt, die Umsetzung strategischer Ziele detailliert zu überprüfen. Der partizipative Ansatz der Kommune zeigt sich ebenfalls beim städtebaulichen „Masterplan Innenstadt“, bei dem die Osnabrücker Bürgerschaft ihre Ideen zur nachhaltigen Stadtentwicklung einbringen konnte. Der Masterplan setzt u. a. auf Nachverdichtung der Siedlungsstruktur, weniger Platz für den motorisierten Individualverkehr und mehr Grünflächen mit hoher Aufenthaltsqualität. Umfangreiche Maßnahmen wie ökologische Standards in der Bauleitplanung, Deutschlands erstes Solardachkataster und die nachhaltige „Wirtschaftsförderung 4.0“ sorgen für mehr Klima- und Ressourcenschutz.
Kommentar des Redakteurs
Ach, hätte sich die Stadtverwaltung doch mal bei den Bürgern erkundigt, oder zumindest die Jury.
Es mag ja sein, dass es Menschen in dieser Stadt gibt, die sich in einer besonders nachhaltigen Stadt wähnen, weil es einen (übrigens auch mir bislang völlig unbekannten) Indikatoren-Katalog „KOSMOS“ gibt.
Auch der besonders von der Jury erwähnte Masterplan Innenstadt ist sicher eine feine Sache, aber auch hier kommt der Preis zu früh. Dieser Plan wurde erst im Februar abschließend präsentiert – umgesetzt wurde noch nichts. Stattdessen, und völlig konträr zum schönen Masterplan, plant genau diese Stadtverwaltung, deren Vertreter am Montagabend den hochdotierten Preis entgegengenommen haben, für sich selbst ein schickes und angesichts der Digitalisierung auch vermutlich völlig unnötiges neues Bürogebäude (Stadthaus 3) auf einem der letzten mt Bäumen bestandenen Freiflächen am Wall. Nachhaltigkeit sieht anders aus!
Wirklich nachhaltig – auch was das Signal an die Bevölkerung angeht – wäre es gewesen die Entgegennahme des Preises kurzfristig abzusagen; verbunden mit dem Signal: Entscheidet nochmals neu, wenn wir die ganzen Pläne und Ideen dann irgendwann auch alle umgesetzt haben!