Der Sommer ist endlich da und die Osnabrücker zieht es in Schwimmbäder, Badeseen und Gewässer. Dabei kommt es immer wieder zu tragischen Unglücken, 2019 ertranken mindestens 417 Menschen in Deutschland.
In Filmen sind Notfälle beim Schwimmen leicht zu erkennen: Ertrinkende rufen laut um Hilfe, schlagen mit den Armen und ziehen so Aufmerksamkeit auf sich. In der Realität ist das Ertrinken meist ein stiller Tod. Die Betroffenen sind zu erschöpft um Hilfe zu rufen, sie verwenden alle Kraft darauf, sich über Wasser zu halten und zu atmen. Es kommt immer wieder vor, dass Menschen nur wenige Meter von anderen Schwimmern ertrinken und ihre Not erst erkannt wird, wenn es zu spät ist. Ertrinken sieht meist nicht nach Ertrinken aus, es passiert ohne Schreie und panisches Gestrampel.
Wie kann Ertrinken erkannt werden?
In einem Interview mit der AOK erklärt Felix Dürnberger, Stellvertretender Vorsitzender der DLRG-Jugend Bayern, wie ein Notfall im Wasser erkannt werden kann. „Wenn Sie sehen, dass der Kopf eines Menschen immer wieder unter Wasser verschwindet, um kurz wieder aufzutauchen, ist wahrscheinlich dringend Hilfe nötig. Es sind nicht immer nur Nichtschwimmer, die in Not geraten. Auch Schwimmer müssen aufpassen, zum Beispiel wegen der Strömung in offenen Gewässern.“ Folgende Anzeichen sind bei Ertrinkenden typisch:
- Der Kopf gerät immer wieder unter Wasser.
- Der Mund ist auf Höhe der Wasseroberfläche und häufiger darunter.
- Die Arme werden seitlich ausgestreckt und paddeln hilflos.
- Die Beine werden nicht benutzt.
- Die Atmung ist beschleunigt.
- Die Person schwimmt auf einer Stelle.
- Haare hängen vor Augen und Stirn, werden nicht weggewischt.
- Der Blick ist leer und nicht fokussiert oder die Augen geschlossen.
Die meisten Ertrinkenden sind körperlich nicht mehr der Lage, selbst Hilfe zu rufen. Sie konzentrieren instinktiv ihre verbliebene Kraft auf das Aufrechterhalten der Atmung. Ein Herbeiwinken von Rettern ist für sie unmöglich, die Arme werden instinktiv seitlich ausgestreckt und von oben auf die Wasseroberfläche gedrückt. Diese Schutzfunktion soll den Körper über Wasser halten, um weiter Atmen zu können. Der Ertrinkende ist nicht mehr in der Lage, sein Schicksal durch bewusst gesteuerte Bewegungen abzuwenden. Jetzt muss schnell gehandelt werden. Ertrinkende können sich nur für 20 bis 60 Sekunden über Wasser halten, die Umstehenden sollten sofort reagieren. Dabei ist es allerdings wichtig, sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Es kommt immer wieder vor, dass auch die Retter in Not geraten und selbst ertrinken.
417 Ertrunkene in 2019
Tödliche Badeunfälle sind leider keine Seltenheit. Die DLRG teilte in einer Pressemitteilung mit, dass 2019 mindestens 417 Menschen in Deutschland durch Ertrinken ums Leben kamen. 87% der Opfer starben in Binnengewässern: „Flüsse, Seen oder Kanäle sind nach wie vor die größten Gefahrenquellen. Nur vergleichsweise wenige Gewässerstellen werden von Rettungsschwimmern bewacht. Das Risiko, dort zu ertrinken, ist deshalb um ein Vielfaches höher als an Küsten oder in Schwimmbädern“, beschreibt Achim Haag, Präsident der Wasserretter, die Gefahrenlage. Besonders vom Ertrinken betroffen sind Kinder und junge Menschen. 17 Kinder im Vorschul- und acht im Grundschulalter kamen 2019 im Wasser ums Leben. DLRG-Präsident Haag sieht die zurückgehende Schwimmfertigkeit bei den Kindern als eine wesentliche Ursache und kritisiert die sich weiter verschlechternden Rahmenbedingungen für die Schwimmausbildung. Flüchtlinge sind eine weitere Risikogruppe, im vergangenen Jahr ertranken 27 Asylsuchende, die so gut wie alle Nichtschwimmer waren. 2019 ertranken die meisten Menschen in Bayern, dort kamen 95 Personen ums Leben. Auf Rang zwei rangiert Nordrhein-Westfalen mit 65 Todesfällen, dritter ist Niedersachsen, das flächenmäßig zweitgrößte Bundesland, mit 51 Todesfällen. Es folgen Baden-Württemberg (37), Brandenburg (34) und Mecklenburg-Vorpommern (27).
Dieser Artikel erschien erstmalig am 6. August 2020, hat an Aktualität aber nichts eingebüßt.