„Was sind das für weiße Umrisse auf dem Boden, vielleicht ein Tatort?“
Diese Frage dürfte einige Besucher der Osnabrücker Altstadt seit Dienstag bewegt haben, denn die Umrisse, die mit Kreidespray auf den Altstadtstraßen zu sehen sind, erinnern tatsächlich an den Schauplatz eines Verbrechens.
Hält eine der auf dem Boden fixierten Figuren womöglich sogar einen stilisierten Molotowcocktail in der Hand?
Die Figur im Kreideumriss vor dem Heger Tor hält tatsächlich eine Flasche, keinen Molotowcocktail, in den Händen und erinnert an das aktuelle Schicksal vieler Gastronomen.
„Die Luft wird dünn“
„Tatort Waterloo“ nennt sich die Performance des Osnabrücker Künstler Thomas Jankowski, der selbst das Artelier-Café in der Heger Straße, nicht weit vom volkstümlich Heger Tor genannten „Waterloo-Tor“ betreibt.
Das Szenario: Inmitten der Osnabrücker Innenstadt liegen sieben Personen reglos auf dem Boden, weiße Umrisse markieren ihre Körper. Was auf den ersten Blick wie ein Ermittlungsfall der Kriminalpolizei erscheint, ist in Wirklichkeit eine Performance des Künstlers Thomas Jankowski.
Seit nun neun Monaten hält die Pandemie die ganze Welt in Schach und treibt damit einige Branchen in den existentiellen Abgrund. „Die Luft wird dünn für Musiker, Schausteller, Gastronomen oder freiberufliche Kulturschaffende“, so Jankowski, selbst Part der Kunstaktion.
Der 2. Lockdown kommt einem Berufsverbot gleich
Die Personen auf dem Boden sind nicht tot, nur im Zuge des 2. Lockdowns erneut bewegungsunfähig. Akteure ohne Bühnenengagements, Clubbetreiber nach der Kaltstellung ihres Lokals oder Schausteller nach Absage der Weihnachtsmärkte – sie alle verbindet das Herzblut, mit dem sie ihr Business betreiben sowie die Tatsache, dass sie die Coronasituation erneut zum Stilstand zwingt. „Quasi ein Berufsverbot“, wirft Musiker Todor Tosho Todorovic ein (Blues Company).
Jankowski, keineswegs Coronaleugner oder Verschwörer, dem Schutz & Gesundheit seiner Mitmenschen am Herzen liegen und der mit Maske, Social Distancing und Einhaltung von Hygienekonzepten zur schnellstmöglichen Krisenbewältigung beiträgt.
Mit der Symbolik der Totenstarre zeigt der Osnabrücker Maler die aktuelle Situation der Kreativ- & und Kulturwirtschaft auf, zu der im Land der Dichter und Denker rund 1,5 Millionen Akteure zählen, überwiegend Individualisten. „Künstler aller Couleur verdienen Wertschätzung, Kultur ist Zeitgeist, Seele und treibende Kraft einer Gesellschaft“, so Jankowski. Allein die erneute Schließung der Gastronomie erschwert persönlichen Austausch und Networking unter Kulturschaffenden erheblich. Solidaritätsbekundungen wie Ohne Kunst und Kultur wird`s still finden in den Social Media große Resonanz, doch faktisch geht ohne Einnahmen und schnellgreifende Hilfsprogramme Vielen in der Branche bald das Licht aus. „Selbst für etablierte DJs stellt Hartz4 die einzige Option“, vermerkt Matthias Wellbrock (DJ, Alando Palais).
Auch ein echter Tatort-Darsteller mit dabei
„Tatort Waterloo ist ein künstlerisches Statement, damit die Politik Kreative nicht im Regen stehen lässt“, äußert sich Jankowski zur Performance, die durch den befreundeten Tatort-Schauspieler und Buchautor (Gangster-Blues) Joe Bausch sogar prominente Unterstützung erhält. Für die Mitwirkung am „Tatort“ vor dem Osnabrücker Waterloo-Tor (Altstadt) reiste der TV-Pathologe extra in die Hansestadt. „Es muss was passieren, damit Kulturschaffende durch Corona nicht ihr Waterloo erleben“, so Joe Bausch.
Die sieben Teilnehmer der Kunstaktion:
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- Roman Heyn (Schausteller)
- Joe Bausch (Schauspieler & Buchautor)
- Matthias Wellbrock (DJ, Alando)
- Marinos Ioannidis (Gastronom Almani/ Veranstaltungsbereich)
- Todor Tosho Todoroviv (Musiker)
- Thomas Jankowski (Maler)
- Conny Overbeck (Clubbetreiberin Hydepark/ Schwerpunkt: Konzerte)
Fotos, sofern nicht anders gekennzeichnet: Daniel Geier