Eine sehr persönliche Betrachtung einer hitzigen Debatte, von Heiko Pohlmann
Die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause am Dienstagabend war schon weit fortgeschritten. Ein Teil der Pressebank war schon verwaist.
Die sechste Sitzungsstunde neigte sich bereits dem Ende entgegen, die Sitzungsteilnehmer hatten zu diesem Zeitpunkt zusätzlich auch schon die Sitzung des Verwaltungsausschusses hinter sich, da kam ein ganz heisses Thema zur Debatte: Neumarktsperrung, mal wieder.
Am Ende bekam Stadtbaurat Frank Otte einen klaren Auftrag – vom Oberbürgermeister und von der Regenbogenkoalition.
Und wieder mal: Neumarktsperrung, sofort
Die SPD-Fraktion wollte die Verwaltung beauftragen darzulegen, wie sie die Verkehrssicherheit für Radfahrer und Fußgänger während der fortlaufenden Kanalbauarbeiten am Neumarkt sicherstellen will. Und die FDP verschärfte mit einem weiteren Antrag die Diskussion, in dem sie – mit Verweis auf das aktuelle Unfallgeschehen – gleich eine sofortige Sperrung und Entwidmung entschieden haben wollte.
Die folgende Debatte wurde zur Generalabrechnung
Was folgte ist im Detail gar nicht mehr wiederzugeben. Bei einigen Fragen konnten wohl nicht nur die Zuschauer der Ratssitzung, sondern auch so manches Ratsmitglied, kaum noch verstehen was einige Redebeiträge mit der Sache zu tun hatten.
Ist der Handwerker Klute, der per Gerichtsbeschluss dafür sorgte, dass die offenbar rechtswidrige Neumarktsperrung wieder aufgehoben wurde, ein CDU-Mitglied? Und hatte er somit kein Recht sich an ein Gericht zu wenden um Unrecht aus der Welt zu schaffen? Und welche Rolle spielten Telefonate der Oberbürgermeisters mit der Kommunalaufsicht oder dem Landesverkehrsministerium – so ganz genau wollte sich SPD-Chef Frank Henning da nicht festlegen – bei der Beurteilung der Neumarktsperrung durch das Landesverkehrsministerium?
Synchronisierte Ampel am Neumarkt kostet 15.000 Euro
Gestritten wurde viel zur späten Stunde. Dabei kamen sogar recht interessante Informationen an die Oberfläche: Rund 15.000 Euro hätte es die Stadtkasse gekostet, die Baustellenampel an der Einmündung zur Johannisstraße mit den regulären Ampeln zu synchronisieren. So gäbe es keine regelmässigen Rückstaus in den Fußgängerüberweg, die vergangenen Monat zu einem tragischen Unfall führten. Im Mai hätte die Ampel bereits bestellt werden können, hätte sich der Stadtentwicklungsausschuss unter Führung von SPD und Grünen nicht dagegen ausgesprochen, so Oberbürgermeister Wolfgang Griesert. Bei den damals vom Hersteller genannten Lieferzeiten würde eine ins Ampelnetz eingebundene Ampel jetzt schon am Neumarkt stehen, hielt das Stadtoberhaupt den Ratsmitgliedern vor.
Doch dieses Argument verfing nicht, auch nicht der Hinweis des OB, dass eine derartige „ordentliche Ampel“ auch bei den weiteren am Neumarkt geplanten Bauarbeiten, zum „Baulos 2“ und dem Shoppingcenter, dort den Verkehr regeln würde.
Darf Sicherheit Geld kosten oder ist eine Neumarktsperrung billiger?
CDU-Fraktionschef Fritz Brickwedde brachte die Haltung seiner Fraktion angesichts der überschaubaren Kosten für die Ampel auf den Punkt: „Sicherheit geht vor Geld“. Thomas Thiele (FDP), der weiterhin für eine sofortige Neumarktsperrung stritt, konterte dies mit einem Zwischenruf: „Also sperren, das kostet gar nichts“.
Die Verwaltung soll muss es entscheiden
Während Stadtbaurat Frank Otte sichtlich bemüht war ein offenbar kniffliges Problem auf seinem Smartphone zu lösen, zeigte sich doch noch, wofür Debatten gut sein können.
Schon zu Beginn der Diskussion hatte der fachpolitische Sprecher für Stadtentwicklung in der SPD-Fraktion, Ulrich Hus, klargestellt, dass die Verwaltung gefordert sei jetzt zu beurteilen, ob die weiteren Bauarbeiten am Neumarkt, und die daraus resultierenden Fahrbahnverengungen, ohne Gefahr für einzelne Verkehrsteilnehmer durchzuführen sind.Auch der Oberbürgermeister machte klar, dass seiner Ansicht nach die Verwaltung gefordert sei eine fachliche Beurteilung abzugeben. Stadtbaurat Otte soll entscheiden wie es am Neumarkt weitergeht. Der OB machte allerdings auch deutlich, dass für ihn durchaus auch temporäre Einbahnstraßenlösungen, sowie eine nur vorübergehende Sperrung, solange dies durch die Bauarbeiten bedingt notwendig ist, vorstellbar sei.
Anders als die Illustration es oben vielleicht suggerieren mag, hängt der Stadtbaurat sicher nicht wie eine Marionette an irgendwelchen Fäden, die seine Handlung vorgeben. Ottes Leidenschaft für eine autofreie Innenstadt, und damit auch einen vom Individualverkehr befreiten Neumarkt, ist jedoch bekannt, wie auch seine Mitgliedschaft bei den Grünen, deren erklärtes Ziel der gesperrte Neumarkt ist.
Auf der anderen Seite steht der Oberbürgermeister, der sich als gewähltes Stadtoberhaupt und Chef der Verwaltung recht kritisch gegenüber allzu eifrigem Aktionismus stellt. Und dann ist da noch die Frage: Wie sehen die Mehrheitsverhältnisse nach der Kommunalwahl im September aus?
Wird hier jemand versuchen die Fäden anziehen? Welche Hand? Links oder Rechts?