Was tun, wenn zu einer wichtigen Sitzung die für die Diskussion notwendigen Unterlagen fehlen?
Vor dieser Herausforderung stand am Donnerstagabend der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt, kurz: Stadtentwicklungsausschuss.

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Um die Spannung für den schnellen Leser abzukürzen: Wann jetzt über die Umwidmung des Neumarkts in eine Fußgängerzone entschieden wird, steht vorerst tatsächlich in den Sternen.

Überraschung zu Sitzungsbeginn

Ausgerechnet für das Thema „Neumarktsperrung“, in der Tagesordnung etwas sperriger als „Teileinziehung der Straße Neumarkt und Teilbereich Neuer Graben“ formuliert, fehlte die von der Verwaltung eigentlich zu liefernde Vorlage. Erst zu Beginn der Sitzung wurden die Ausschussmitglieder darüber informiert, dass es zu dem Thema heute nichts zu diskutieren und zu entscheiden geben wird.
Keine Vorlage = keine Diskussion, dieser Logik wollten die Verfechter der Neumarktsperrung, die ehemals als „Regenbogenkoalition“ bekannte Phalanx aus SPD, Grünen, FDP, Linke und UWG nicht gelten lassen. In einem Redebeitrag zur Tagesordnung zeigte sich Volker Bajus (Grüne) überrascht, wie es denn sein könne, dass selbst der Oberbürgermeister immer vom 14. März als Tag der Entscheidung gesprochen hätte. Doch ausgerechnet in der entscheidenden Ausschuss-Sitzung vor der Ratssitzung am 14. März kann die vom OB angeführte Verwaltung keine Unterlagen vorlegen. Über das weitere Vorgehen bezeichnete sich Bajus später noch als „maximal verwirrt“.

Fussgaengerzone Neumarkt Osnabrück
Schilder stehen schon, doch die Umwidmung zur Fußgängerzone ist weiter offen.

Anliegerbedenken beschäftigen Verwaltung

Zum eigentlichen Tagesordnungspunkt versuchte Stadtbaurat Frank Otte den Stand der Arbeit in der Verwaltung und das weitere Vorgehen zu erläutern.
„Bis zur letzten Minute“, so Otte, habe man in der Verwaltung daran gearbeitet eine Vorlage für die Sitzung am Donnerstagabend vorzubereiten. Doch die eingereichten Bedenken und Anregungen von Anliegern müssten sehr detailliert bearbeitet werden, und hier seien die notwendigen Abwägungen in dem gesetzten Zeitrahmen nicht zu schaffen gewesen. [Anmerkung der Redaktion: Es soll sich insgesamt um 17 Einwendungen von Bürgern handeln].

Wie mit der zusätzlichen Belastung am Wall umgehen?

Insbesondere bei den Luftschadstoffen wird es nach der Sperrung des Neumarkts Veränderungen geben, so der Stadtbaurat. Und es werde durchaus zu Verschlechterungen bei den Luftschadstoffen am Wall kommen. Daher werde es konkrete Maßnahmen der Verwaltung hinsichtlich des Luftreinhalteplans geben, doch solange diese nicht benannt werden könnten, könne die Verwaltung den Politikern keine Vorlage vorlegen.
Zur nicht-öffentlichen Sitzung des Verwaltungsrats, am Nachmittag vor der Ratssitzung am kommenden Dienstag, werde den Lokalpolitikern ein Zeitplan für das weitere Vorgehen vorgestellt.

Bajus: „Machen uns so langsam lächerlich“

Für die Grünen sagte Volker Bajus: „Ich nehme das mit großem Bedauern zur Kenntnis“. Man könne zur Neumarktfrage so oder so stehen, doch: „Irgendwann muss Politik entscheiden – wir machen uns so langsam lächerlich“, eine erneute Verschiebung der Entscheidung über die Neumarktsperrung können man in der Öffentlichkeit nicht verstehen, und dass sich dadurch die Schadstoffbelastung verlagern könne, sei der Verwaltung doch schon lange bekannt. Bajus geriet nun erst richtig in Rage: „Erst heute hören wir, dass das Thema Luftreinhalteplan abgearbeitet werden muss. Der Oberbürgermeister spielt ein komisches politisches Spiel und arbeitet mit Taschenspielertricks wenn er sich nicht der öffentlichen Diskussion stellt.“ Dieser „Trickserei“ des OB müsse man sich entgegenstellen. Der OB unterläuft hier den Auftrag des Rates, so Bajus: „Das muss Konsequenzen haben, diese Willkürlichkeit muss beendet werden. Das geht so nicht“.

Lob an die Verwaltung von der CDU

Katharina Pötter (CDU) entgegnete: „Jetzt haben Sie bewiesen was schlechter Stil ist“, die Arbeit der Verwaltung als diktatorisch zu bezeichnen müsse entschieden zurückgewiesen werden. Die Verwaltung macht ihre Arbeit, so die CDU-Politikerin, denn es sei sicher, dass es Klagen gegen die Neumarktsperrung geben wird, und darauf muss die Verwaltung vorbereitet sein.
Heiko Panzer (SPD) konnte sich die überraschende Verschiebung nur mit einer Analogie aus dem Sport erklären: „Beim Fußball gäbe es ein Abpfeifen nach Zeitspiel“. Kein anderes Thema habe so viel Sprengstoff wie die Entscheidung über den Neumarkt und deshalb dränge er auf eine hohe Priorisierung bei der Verwaltung. Der SPD-Verkehrsexperte: „Da kann man auch mal nachfragen, wie so eine wichtige Vorlage zu Beginn einer Sitzung von der Tagesordnung genommen wird?“
Wulf-Sigmar Mierke von der UWG sieht sich als Politker in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr als glaubwürdig angesehen. „Wir sind dafür in den Rat gewählt worden um die Verantwortung zu übernehmen“, so Mierke, und weiter: „Das macht keinen Spaß mehr“.

BOB sorgt sich um Wall-Bewohner

Für BOB forderte Dr. Stephen Grüner ein „Zurück zur Sachlichkeit. Auch die Wall-Bewohner haben ein Anrecht von Stickoxiden verschont zu werden“, das Vorgehen der Verwaltung halte er für richtig. Der BOB-Politiker verwies auf der in der vergangenen Woche von unserer Redaktion ans Tageslicht geholte TÜV-Gutachten über die Schadstoffwerte der Stadtwerke Diesel-Busse, und das diese vor allem im Bereich der Schrittgeschwindigkeit Probleme haben die Stickoxid-Werte in den Griff zu bekommen.
Grüner: „Es steht zu befürchten, dass uns die Stickoxide um die Ohren fliegen“.  Für die BOB-Fraktion forderte Grüner dass das TÜV-Gutachten in die weiteren Beratungen einbezogen werden solle.
Stadtbaurat Otte wollte die vom TÜV ermittelten Schadstoffe nicht als relevant anerkennen Es würde ja niemand bestreiten, dass Busse Schadstoffe ausstoßen, aber es würden andere Maßstäbe beim Vergleich zwischen Bussen und PKW gelten.

Einkaufscenter wird immer wieder verschoben…

Für die Union nahm Marius Keite eine zuvor von Volker Bajus verwendete Formulierung auf. Der Grünenpolitiker hatte die Verschiebung der Neumarkt-Entscheidung als „Verfall in die Diktatur“ bezeichnet. Angesichts der aktuellen Außenpolitik aber auch sonst verwahrte sich Keite gegen solche unfairen Vorwürfe gegen den Oberbürgermeister. Das Absetzen einer Vorlage passiere häufiger bei wichtigen Entscheidungen. Wenn der Investor für das Einkaufscenter aber eine Verschiebung mal um ein halbes Jahr und dann wieder um ein ganzes Jahr ankündige, werde das nur zur Kenntnis genommen. Im Vergleich zur Entwicklung des Shoppingcenters werde hier mit erheblicher Geschwindigkeit gearbeitet.

Wann wird entschieden? Offen.

Abschließend betonte der Stadtbaurat, dass das weitere Verfahren um die Neumarktsperrung, die nicht-öffentlich in der kommenden Woche vorgestellt werde, nicht nur eine Verschiebung um einen Sitzungstermin (nächste Ratssitzung dann 25.04.) bedeuten werde, sondern durchaus noch länger dauern könne.