Auch wenn er es schon vor ein paar Tagen im Verwaltungsausschuss angekündigt hatte, war es für Oberbürgermeister Wolfgang Griesert vielleicht doch überraschend, als er am Montagmorgen Post aus dem Ministerium seines Amtsvorgängers Borius Pistorius erhielt.
Inhalt des Schreibens: Die Beurteilung eines im Mai Stadtrat herbeigeführten Ratsbeschlusses zum Neumarkt durch die Kommunalaufsicht. Das im Innenministerium angesiedelte Ressort kommt zu dem Prüfungsergebnis, dass an einem Beschluss des Stadtrats vom 10. Mai „nichts zu beanstanden“ sei.
Stadtrat wollte noch vor der Kommunalwahl den Neumarkt sperren
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert hatte am 13. Mai den Ratsbeschluss vom 10. Mai („Neumarkt – Änderung der Verkehrsbeziehungen“) der Kommunalaufsicht zur Prüfung vorgelegt.
Beamtenrechtlich ist das der korrekte Weg, wenn der Oberbürgermeister Zweifel am Vorgehen des Stadtrats hat, bestätigte am Montagnachmittag bei einem eilig einberufenen Pressetermin Dr. Marietta Klekamp-Lübbe vom städtischen Rechtsamt.
Zuvor hatte Griesert Einspruch gegen den Beschluss vom 5. April eingelegt und diesen am 10. Mai erneut dem Rat vorgelegt, damit der Rat die Möglichkeit erhält, seinen Beschluss zu ändern. Der Rat hatte trotzdem beschlossen, dass der Bereich des Neumarktes zwischen Kollegienwall und Neuer Graben/Lyrastraße zu einer Fußgängerzone umgewidmet und zu diesem Zweck teilweise eingezogen werden soll. Für die zukünftige Nutzung sollen neben Fußgängern auch Radfahrer, Busse sowie notwendige Anlieferverkehre zugelassen werden.
Griesert: „Klarheit herbeigeführt“
Nachdem die Kommunalaufsicht in dem Schreiben vom 12. August dem Oberbürgermeister nun mitgeteilt hat, dass sie „keine Gründe für eine Rechtswidrigkeit des Ratsbeschlusses vom 10.05.2016 zu erkennen (vermag)“, sagt Griesert, dass nunmehr die notwendige Klarheit herbeigeführt worden sei und die Verwaltung unverzüglich den Ratsbeschluss umsetzen könne.
Der Fahrplan steht – auch wenn er absurd erscheint
Schon für die Ratssitzung am 30. August wird von der Verwaltung eine Beschlussvorlage erarbeiten, in der die Hinweise der Kommunalaufsicht zur Konkretisierung des Beschlusses aufgegriffen und die zugelassenen Verkehre deutlich benannt werden. Daneben sollen in dieser Sitzung auch die Beschlüsse zur Anpassung des Flächennutzungsplanes und des Bebauungsplanes Nr. 525 auf den Weg gebracht werden.
Die Ratssitzung am 30. August ist gleichzeitig die letzte Ratssitzung des Stadtrats in seiner seit 2011 bestehenden Zusammensetzung. Einige Ratsmitglieder werden im Herbst nicht mehr dabei sein, weil sie aus persönlichen oder Altersgründen nicht mehr zur Wahl antreten – zudem kann es nach der Kommunalwahl am 11. September ganz neue Mehrheitsverhältnisse geben.
Im April 2017 könnte der Neumarkt endgültig gesperrt sein
Der von Oberbürgermeister Wolfgang Griesert und Stadtbaurat Frank Otte am Montag vorgestellte „Fahrplan“ für den Neumarkt sieht folgende Eckpunkte vor:
- Am 30. August wird der (alte) Stadtrat über die Zukunft des Neumarkts entscheiden. Voraussichtlich wird eine „Teilentwidmung“ für den motorisierten Individualverkehr entschieden. Ob der weiterhin erlaubte öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) auch den Taxi-Verkehr über den Neumarkt ermöglicht, wird ebenfalls in der Ratssitzung am 30. August entschieden werden.
- Drei Monate werden die vom alten Stadtrat entschiedenen Pläne öffentlich „bekannt“ gemacht. Die Osnabrücker haben während dieser zeit die Gelegenheit Einwände zu formulieren und einzureichen.
Währenddessen formiert sich auch der neue am 11. September gewählte Stadtrat unter noch unbekannten neuen Mehrheitsverhältnissen.
- Irgendwann Ende Oktober werden die Bauarbeiten für die Kanalsanierung am Neuen Graben beendet sein. Der Neumarkt wird dann – auch über das Weihnachtsgeschäft – für den Individualverkehr wieder geöffnet sein.
- Etwa im Februar wird der (dann „neue“) Stadtrat einen Beschluss zum Neumarkt fassen.
- Einen Monat lang kann dann dagegen Klage erhoben werden.
- „Frühestens“ (so Griesert und Otte gleichlautend) ab April könnten – wenn es denn der neue Stadtrat so will – die Durchfahrtsverbotsschilder aufgestellt werden. Dann vorerst endgültig und rechtlich einwandfrei legitimiert
…so jedenfalls der aktuell vom Oberbürgermeister und Stadtbaurat als möglich erachtete Fahrplan.
Was passiert, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse ändern?
Der oben skizzierte „Fahrplan“ geht davon aus, dass weiterhin eine als „Regenbogenkoalition“ bekannte bunte Mischung von den Linken über Grüne, UWG, Piraten SPD und FDP die CDU als bislang einzige Partei, die sich gegen die Neumarktsperrung stellt, überstimmt.
Allerdings treten zur Kommunalwahl in diesem Jahr auch der Bund Osnabrücker Bürger (BOB), die Demokratische Mitte (DMD) und die Ausländerpartei BIG an, die alle eine ablehnende Haltung zu den Neumarktplänen unter Führung SPD und Grünen hegen.
Bund Osnabrücker Bürger (BOB) sieht sich im Aufwind
Mit einer erste Reaktion meldete sich am Montagabend Stephen Grüner vom Bund Osnabrücker Bürger (BOB) bei uns. Er schreibt: „Jetzt haben es wirklich nur noch die Bürgerinnen und Bürger Osnabrücks in der Hand. Wer eine wichtige Ost/West-Achse mit überörtlicher Bedeutung sperren will, um eine fragwürdige Fußgängerzone mit 2.200 Bussbewegungen im Schrittempo und ohne Fußgängerampeln an einem umstrittenen Einkaufscenter zu realisieren, der vergibt leichtfertig die Chance, Alternativen für den LKW Durchgangsverkehr in der Innenstadt zu finden“, und weiter. „Jetzt wird die Kommunalwahl zu Bürgerbefragung über den Neumarkt!“
Die Industrie und Handelskammer (IHK) bezieht ebenfalls Stellung
Auch IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf meldete sich bereits am Montagnachmittag mit einem Statement gegen die Fußgängerzonen-Pläne der Regenbogenkoalition: „Die IHK wird in dem nun anstehenden Beteiligungsverfahren deutlich Position gegen eine Umwidmung des Neumarkts zu einer Fußgängerzone beziehen.
Die langfristige Sicherung der Erreichbarkeit der Innenstadt bleibt auch für den neuen Rat eine entscheidende Aufgabe.“