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Neuer Ärger am Neumarkt: Stadt streitet sich mit Architekten um die Umgestaltung – und um Beton

Der erste Donnerstag im Juli 2019, also genau vor einem Jahr: Alle Bushaltestellen auf dem Neumarkt wurden außer Betrieb gesetzt, in der Johannisstraße waren die Kanalarbeiten rechtzeitig beendet, jetzt sollte endlich die neue „Oberfläche“ kommen; allerdings war die Baustelle da bereits abgesagt.

Schilder kündigten im Sommer vor einem Jahr eine neue Neumarktsperrung an – und dann passierte nichts! Der Abrupte Stopp der Großbaustelle, die dem Neumarkt und der Johannisstraße ein neues Gesicht hätte geben sollen, ist noch immer nicht aufgearbeitet.

Wann es einen neuen Anlauf geben wird um dem Neumarkt ein neues Gesicht zu verpassen, ist nicht im Ansatz mehr erkennbar – jetzt wird gestritten!

Gut zwei Monate vor der „Fast-Baustelle“ hatte Oberbürgermeister Wolfgang Griesert angekündigt, dass er nicht mehr warten wolle, bis das Shoppingcenter (zu dem Zeitpunkt bereits abgesagt) und der „Zauberwürfel“ vor H&M (aktuell passiert da nichts mehr) endlich fertig werden.

Europaweite Ausschreibung für ein 13-Millionen-Projekt wurde kurzfristig gestoppt

Pünktlich zu den Sommerferien 2019 sollte es am Neumarkt losgehen. In ganz Europa wurden Bauunternehmen angefragt um die Pläne eines bereits 2013 beendeten Wettbewerbsverfahrens, aus dem die Berliner Landschaftsarchitekten des Büros „Lützow 7“ siegreich hervorgingen, endlich umzusetzen – der obligatorische Springbrunnen inklusive. Insgesamt 13 Millionen Euro sollten verbaut werden.

So stellte sich das Berliner Architekturbüro Lützow 2013 den Neumark in Zukunft vor
So stellte sich das Berliner Architekturbüro Lützow 2013 den Neumarkt in Zukunft vor (mit inzwischen längst abgesagtem Shoppingcenter im Hintergrund); der Boden aus Beton; Quelle: Siegerentwurf für Neumarkt-Umgestaltung, Lützow 7, Berlin

Stadt wollte ein erneutes Desaster wie am Rosenplatz verhindern

Doch als die Vorbereitung der Baustelle zwischen Galeria Kaufhof und Ledenhof bereits in vollem Gange war, bemerkte irgendwer im Osnabrücker Rathaus, dass die von den Berliner Landschaftsplanern vor inzwischen sieben Jahren vorgestellte Planung – zumindest hinsichtlich der „Oberfläche“ – in einem wesentlichen Punkt dem Rosenplatz gleicht.
Zentrales Element des 2012 umgestalteten Rosenplatzes ist der Beton, der nun statt Asphalt unter die Räder genommen wird – und der täglichen Belastung nicht gewachsen ist. Statt in rosarot wie am Rosenplatz sollte der Neumarkt in „leicht unterschiedlich hellen, warmen Grautönen“ betoniert werden, so der Entwurf und bis weit in den Sommer 2019 auch die Planung der Stadtverwaltung.

Risse in der Fahrbahn auf dem Rosenplatz
Risse in der Fahrbahn auf dem Rosenplatz

Baustopp in letzter Minute vor der Sommerpause 2019

War es am Rosenplatz ein Produktionsfehler oder ist Beton einfach nicht das geeignete Material um täglich von hunderten schweren Bussen und dem Durchgangsverkehr befahren zu werden?
Die Stadt wollte kein Risiko eingehen und stoppte in einer vor der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause abgehaltenen nicht-öffentlichen Sitzung das Bauvorhaben.

Nach dem Baustopp wurde ein Gutachter beauftragt um zu klären ob die Bedenken gegenüber dem Baustoff Beton gerechtfertigt sind. Das Gutachten – so zumindest die Auffassung der Stadt – bestätigt die Zweifel an der Standfestigkeit der für den Neumarkt vorgeschlagenen Konstruktion.

Mängelrüge und Fristsetzung an die ARGE Neumarkt

Nach Ansicht der Verwaltung ist dies ein Mangel, der in Verantwortung einer aus dem Berliner Büro Lützow 7 und dem Bremer Ingenieurbüro bpr gebildeten Arbeitgsgemeinschaft (ARGE Neumarkt) liegt.
In der vergangenen Woche wurde der Ausschuss für Stadtplanung und Umwelt (StUA) über den Sachstand informiert, auch darüber, dass die ARGE mit Fristsetzung zum 30. Mai eine „mangelfreie Ausführungsplanung“ für die Umsetzung des Gestaltungsentwurfs hätte präsentieren sollen. Doch die ARGE antwortete nicht, so heißt es aus der Verwaltung in einer Mitteilungsvorlage an die Ausschussmitglieder.

Die Frist verstrich, der Neumarkt verfällt weiter und wann der 2013 zum Siegerentwurf gekürte Plan umgesetzt wird, ist weiter offen.

So sieht der Neumarkt im Sommer 2020 aus
So sieht der Neumarkt im Sommer 2020 tatsächlich aus

ARGE Neumarkt bestreitet die Frist nicht eingehalten zu haben

Unsere Redaktion fragte bei der ARGE Neumarkt nach, wie man dort den Status der Neukonzeption für den Neumarkt einschätzt. Für die ARGE Neumarkt erklärte Jan Wehberg von Lützow 7:
„Die von der Stadt Osnabrück gesetzte Frist ist, soweit es in der Hand der ARGE Neumarkt liegt, eingehalten worden. Planunterlagen wurden fristgerecht mit zugehörigem Erläuterungsbericht übergeben. Bereits die ursprüngliche Ausführungsplanung, an der ein von der Stadt Osnabrück beauftragter Sachverständiger für Betonbauweise mitgewirkt hat, war auf Grundlagen der Planungsvorgaben der Stadt mangelfrei. Die Stadt Osnabrück ist nach Wahrnehmung der ARGE Neumarkt nicht mehr bereit, das ursprünglich gemeinsam und unter Mitwirkung dieses Sachverständigen abgesteckte Planungsziel umzusetzen. Vielmehr soll die Planung nun nach neu definierten Vorgaben hinsichtlich  technischer Vorschriften erfolgen. Mit dieser Vorgabe sollen Schäden wie am Rosenplatz ausgeschlossen werden, deren Ursache nach unserem Kenntnisstand bis heute nicht ergründet sind“.

Angst vor Rosenplatz 2.0 – Verlangt die Stadt jetzt zu viel am Neumarkt?

Der Berliner Landschaftsarchitekt deutet weiter an, dass die aus dem Rosenplatz-Desaster rührenden Bedenken und neu formulierten Vorgaben an die Haltbarkeit des Betons am Neumarkt schlicht nicht zu realisieren sind: „Mit den neu definierten Vorgaben, Vorgaben wie zum Beispiel beim Autobahnbau, lässt sich ein landschaftsarchitektonisch qualifiziertes innerstädtisches Vorhaben nicht angemessen  umsetzen. Ein attraktiver Stadtplatz ist keine Autobahn. Nach dem zwischen der Stadt Osnabrück und der ARGE Neumarkt geschlossenen Vertrag, der entsprechende Kooperationspflichten vorsieht, müssten sich die Parteien deshalb eigentlich gemeinsam mit dem von der Stadt beauftragten Sachverständigen für Betonbauweise zusammensetzen und eine Lösung erarbeiten, die dem veränderten Planungsbedürfnis der Stadt entspricht und gleichzeitig dem Wettbewerbsentwurf Rechnung trägt. Der Wille hierzu wurde von der ARGE Neumarkt stets gezeigt und betont. Ob die Stadt Osnabrück stattdessen rechtliche Schritte erwägt, ist der ARGE Neumarkt nicht bekannt. Solchen rechtlichen Schritten würde die ARGE Neumarkt angesichts der geltenden Rechtslage gelassen entgegensehen.“

Weiteres Vorgehen soll vor der Sommerpause entschieden werden

Wie die Stadt weiter vorgehen wird, ob auch dieser Aspekt des Gesamtproblems „Neumarkt“ auch die Gerichte beschäftigen wird, ist noch offen. Am kommenden Dienstag (7. Juli) sollen „die Gremien“ offiziell informiert, so Neumarkt-Projektleiter Dr. Claas Beckord, um dort eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen herbeizuführen. Am 7. Juli tagt der Stadtrat zum letzten Mal vor dieser Sommerpause.
Diesen Beratungen soll nicht durch Veröffentlichung von Informationen vorgegriffen werden, erklärte Dr. Beckord auf Anfrage unserer Redaktion.

 

Kommentar des Redakteurs

Neben Baulos 2, Sportarena, Kachelhaus, Ypso-Ruine, Galeria-Pleite und der inzwischen zum sozialen Brennpunkt gewordenen Johannisstraße haben wir also ein weiteres ungelöstes Problem der Stadtplanung.
Die in Folge von Corona erwartete Wirtschaftskrise und die resultierende Innenstadt-Flucht vieler Einzelhandelsketten wird auch nicht ohne Folgen bleiben; es gibt bereits Leerstände in der Großen Straße.
Was für ein verdammter großer Misthaufen! Sorry, mehr fällt mir dazu nicht ein.

 

 


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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