Heimtückischer Mord aus niedrigen Beweggründen: Die Anklage gegen einen 82-jährigen Mann aus Bramsche wiegt schwer. Am 28. Februar soll er mehrere Schüsse auf einen 16-jährigen Schüler gefeuert haben – einer davon war tödlich. Am Mittwoch (23. August) eröffnete das Landgericht Osnabrück den Prozess gegen den Senioren aus Bramsche.
Am 28. Februar, einem Dienstag, machte sich der 16-jährige S. wie an jedem normalen Tag auf den Weg in die Schule. Er schlüpfte in seine schwarze Jacke mit passenden Sneakern, schulterte seinen Rucksack und verließ das Mehrfamilienhaus, in dem er mit seiner Mutter lebte. Dass dieser Tag eben nicht wie alle anderen Tage war, ahnte er nicht.
Schusswaffe in Tresor versteckt
Vor diesem Dienstag gingen mehrere Beschwerden bei der Polizei in Bramsche ein. Immer wieder kontaktierte der 82-Jährige G., der im selben Haus wie S. und seine Mutter lebt, die Polizei wegen angeblicher Lärmbelästigung. Immer wieder blieben die kurzen Einsätze der ohne Ergebnis. Am Morgen des 28. Februars fühlte sich der heute Angeklagte offenbar erneut durch angeblichen Lärm belästigt. Er wäre in den Keller des Hauses zu einem verschlossenen Tresor gegangen, der mit einer schwarz-weißen Plane bedeckt war. Er schob sie zur Seite, schloss die Tür auf und hätte mindestens fünf Patronen sowie eine Sportpistole mit 22 Kaliber heraus geholt. Danach, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, wartete er bis der 16-jährige S. das Haus verließ.
Angeklagter richtete den letzten Schuss gegen sich selbst
Der Schüler war wenige Meter von der Haustür entfernt, als der erste Schuss fiel. Er traf ihn in die Wade und brachte ihn zu Fall. S. drehte sich auf den Rücken und hielt seine Hände schützend vor sein Gesicht, als G. weitere Schüsse abfeuerte. Sie trafen den 16-Jährigen in die Hand und in den Kopf. Die Mutter des Schülers sah den grausamen Vorgang und wählte den Notruf. Der Angeklagte G. setzte sich auf den Rad eines Hochbeets und hielt seine Waffe von unten an den Kopf. In suizidaler Absicht feuerte er den fünften und letzten Schuss auf sich selbst.
Schüler stirbt nur wenige Tage später
Um 7:37 Uhr wurde die Polizei in Bramsche verständigt. Nach Angaben eines Zeugen trafen die Beamten nur wenige Minuten später am Einsatzort ein. Zunächst entwaffneten sie den Angeklagten, der die Schusswaffe trotz des Kopfschusses fest in der rechten Hand hielt. Dann brachten sie den schwerverletzten Schüler einige Meter weiter zum Parkplatz und begannen umgehend mit Rettungsmaßnahmen. Doch die Verletzungen des Schülers waren zu schwer: Nur wenige Tage später, am 1. März, verstarb der Junge aufgrund massiver Hirnverletzungen im Marienhospital Osnabrück.
G. erwarb die Waffe als Sportschütze
Der Angeklagte G. überlebte seinen Kopfschuss und befindet sich seit dem 1. März in Untersuchungshaft. In Italien geboren und im Studium nach Deutschland verzogen, ist er seit fast 20 Jahren im Ruhestand und leitete zuletzt eine Pizzeria im Familienbetrieb. Die Sportpistole, mit der G. am 28. Februar fünf Schüsse feuerte, hatte er legal als Sportschütze erworben – allerdings wurde sie in den 80er Jahren für den Landkreis Vechta registriert. Nach seinem Umzug in den Landkreis Osnabrück behielt G. die Waffe und meldete sie nicht um.
Mutter des Schülers ist Nebenklägerin
Das Landgericht Osnabrück hat insgesamt neun Prozesstage angesetzt, um über die Tat des Angeklagten zu verhandeln. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft wiegt schwer: heimtückischer Mord aus niedrigen Beweggründen. Heimtückisch, weil G. dem Schüler aufgelauert habe. Niedrige Beweggründe, weil der Grund für die tödlichen Schüsse angebliche Lärmbelästigung gewesen sei. Nebenklägerin im Prozess gegen G. ist die Mutter des getöteten Schülers. Sie selbst war nicht beim Prozessauftakt anwesend.
Angeklagter sagte noch nicht aus
Eine Dolmetscherin übersetzte den Prozessinhalt für G. simultan auf Italienisch, weil sein Gehör beeinträchtigt sei und er besser Italienisch als Deutsch könne. Während der Richter zwei Zeugen verhörte und Bilder der Spurensicherung vom 28. Februar als Beweise aufnahm, saß G. mit überschlagenen Beinen und verschränkten Armen auf der Anklagebank. Die Fotos der blutverschmierten Hose des getöteten Schülers und der Blutlachen vor dem Haus nahm er mit stoischem Gesichtsausdruck zur Kenntnis. Er selbst sagte im Prozessauftakt noch nicht aus – es würden noch wichtige Gutachten fehlen. Wie hoch das Strafmaß für den 82-Jährigen ausfällt, wird sich in den kommenden Prozesstagen zeigen.