Nachdem die Stadtverwaltung im Sommer 2020 beschlossen hat, 22 Hektar Grünfläche im Schinkel zu einem Wohngebiet umzubauen, steht jetzt auch die Bebauung des Stadtteils Sonnenhügel auf dem Plan. Hier soll allerdings nicht eine landwirtschaftlich genutzte Fläche weichen, sondern die Gärten von mehreren Anwohnern der Knollstraße.
In unmittelbarer Nähe des Bürgerparks und des AMEOS Klinikums befindet sich eine rund 9.100 Quadratmeter große Grünfläche, die derzeit von den Bewohnern der Knollstraße als Gartenflächen verwendet wird. Einige der Gärten werden schon seit Jahrzehnten von Familien gepachtet: Sie haben hier Bäume gepflanzt, Schaukeln gebaut und Blumenbeete angelegt. Die Inhaberin der Flächen ist aktuell noch die Klosterkammer Hannover, doch das wird sich bald ändern.
60 neue Wohneinheiten
Die Klosterkammer steht schon seit geraumer Zeit mit der Bövingloh Immobilien Gruppe aus Münster in Kontakt. Diese will die Grünfläche erwerben und vier Geschosswohnungsbauten mit jeweils 15 Wohnungen bauen. Bereits am 27. Januar 2020 stellte sie einen Antrag auf Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens zum Plangebiet. Wenige Monate darauf, am 13. Juli, wurde der Stadtverwaltung eine überarbeitete Konzeptidee vorgelegt. Da das betroffene Gebiet im derzeitig gültigen Flächennutzungsplan noch als Grünfläche dargestellt wird, muss auch dieser geändert werden. Der dafür notwendige Aufstellungsbeschluss wurde am 29. Oktober im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (StUA) gefasst und gibt den Bauplänen des Investors und der Stadt damit Hand und Fuß.
„Wie eine gefühlte Enteignung“
„Die Bürger sind entsetzt“, berichtet Heike Tennstädt, Anwohnerin des Gebiets und Sprecherin der Bürgerinitiative Knollstraße, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das was hier passiert ist für einige wie eine gefühlte Enteignung. Viele werden danach keine Gärten mehr haben und verlieren alles, was sie in den letzten Jahren geschaffen haben.“ Doch das eigentliche Problem, das die Bürgerinitiative in der Bebauung sieht, ist nicht der Verlust von Gartenflächen; vielmehr geht es um ein altbekanntes Thema für die Stadtverwaltung.
Grünflächen und Biotope müssen weichen
„Mit dem Bau von neuen Wohnhäusern geht auch die Natur ein Stück weit verloren“, erzählt Tennstädt weiter. Das Gebiet, das als aktuell Gartenflächen genutzt wird, gilt als Kaltluftentstehungsgebiet und ihm wird im Stadtklimabericht für Osnabrück aus dem Jahr 2017 eine sehr hohe bioklimatische Bedeutung zugewiesen. Empfohlene Maßnahmen für diesen Bereich sind unter anderem die Erhöhung der mikroklimatischen Vielfalt und der Schutz bestehender Parks und Grünflächen – „der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan steht eigentlich in einem totalen Widerspruch zu den Plänen der Stadt“, folgert Tennstädt.
Eine ähnliche Situation findet sich im Stadtteil Schinkel-Ost: Mit dem Bebauungsplan Nr. 620 plant die Stadtverwaltung auch hier, in die Kaltluftströme Osnabrücks einzugreifen und beschwört damit eine Temperaturerhöhung im Schinkel um bis zu sieben Grad. Im Sommer 2020 gründete sich hier die Bürgerinitiative „Naturnaher Schinkel“, die versucht die Bebauungspläne der Stadt zu verhindern.
Keine „Luxusprobleme“
Ein entsprechendes Ziel verfolgt auch die Bürgerinitiative Knollstraße, wie Heike Tennstädt berichtet: „Wir wollen vor allem Einfluss auf den Arbeitskreis nehmen und ihm die Verhältnisse vor Ort zeigen. Einige Parteien versuchen unsere Belangen als ‚Luxusprobleme‘ darzustellen, aber das stimmt so nicht. Wir wissen selber, dass wir mehr Wohnraum brauchen; einige Anwohner der Knollstraße vermieten auch Wohnungen in ihren eigenen Häusern. Aber man kann die Leute nicht für die Wohnraumnot verantwortlich machen. Immer mehr Grün in der Stadt geht verloren und das geht so nicht weiter.“ Die Bürgerinitiative ist unter der E-Mail-Adresse buergerini.knollstr@outlook.de erreichbar und gibt hier gerne weitere Informationen zu dem Baugebiet und zu ihren Plänen. Eine Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan Nr. 664 – Knollstraße / am Bürgerpark – ist in Vorbereitung.
Titelbild: Die Knollstraße und die vom Bebauungsplan Nr. 664 betroffenen Gebiete. / Quelle: Geodatenportal der Stadt Osnabrück.