„Wir hatten die richtigen Insider-Informationen und wir hatten den richtigen Riecher“, kommentiert Hasepost-Herausgaber Heiko Pohlmann die Reaktion der Stadtwerke Osnabrück AG auf einen Artikel über bislang unveröffentlichte Schadstoff-Messergebnisse der städtischen Bus-Flotte.
Anmerkung des Herausgebers: Es geht nicht darum eine angebliche Vertuschung oder ungerechtfertigte Geheimhaltung etc. aufzudecken, wie in den Kommentaren bei Facebook orakelt wurde. Wir haben am Mittwoch in der Hauptsache gefragt, warum ein nach unseren Informationen längst vorliegendes Dokument nicht veröffentlicht wird.
Auch geht es nicht darum den Bus und damit den ÖPNV gegen den Individualverkehr auszuspielen. Wenn jedoch die bestehende Bus-Flotte ausgerechnet im Bereich der Schrittgeschwindigkeit die für PKW geltenden Grenzwerte – selbst der Euro 5 Norm – um mehr als das Hundertfache übersteigt, ist das eine relevante Information in gleich drei aktuellen Debatten: (1) Ausweitung des Schrittverkehrs für Stadtbusse in Fußgängerzonen (Umwidmung des Neumarkts), (2) Diskussion über Diesel-Fahrverbote in Osnabrück und (3) Zeitplan für die Elektrifizierung des Stadtbus-Netzes (Linie 41 und weitere Linien).
Man wird nach Veröffentlichung dieses Artikels der HASEPOST vorwerfen, man könne den Schadstoffausstoß von Stadtbussen nicht mit PKW-Grenzwerten vergleichen. Wir meinen, das geht sehr wohl – zumindest so lange, wie auch immer wieder Vergleiche bei Flächenverbrauch, Lärm oder Kosten angestellt werden – die hinken ebenfalls an der ein oder anderen Stelle.
Keine 24 Stunden nach Veröffentlichung des Hasepost-Artikels, in dem vor allem die Schadstoffbelastung der ausschließlich von Diesel-Bussen befahrenen Johannisstraße thematisiert wurde, veröffentlichten die Stadtwerke online einen kompakten 39-seitigen Berichtsband (hier als PDF zum Download), der zumindest als teilweise „aufbereitet“ betrachtet werden kann. Noch am Vortag sprachen die Stadtwerke in einer ersten Reaktion davon, dass die Daten „noch nicht entsprechend aufbereitet“ werden konnten.
Das vorliegende und vom TÜV Nord als „Abschlussbericht“ gekennzeichnete PDF-Dokument, ist zusätzlich mit der Datumsangabe „September 2016“ versehen, es liegt also schon etwas länger vor.
Leider wurde der Datenband zu der vorliegenden Zusammenfassung nicht veröffentlicht. Unsere Redaktion konnte daher in einer ersten Analyse lediglich die aus den vorliegenden Grafiken ablesbaren Daten in Bezug zu Messwerten aus dem PKW-Bereich setzen.
Offensichtlich haben die städtischen Busse tatsächlich ein erhebliches Schadstoffproblem, vor allem im Bereich der Schrittgeschwindigkeit, wo geltende Grenzwerte aus dem PKW-Bereich (selbst das veraltete Euro 5) von den Stadtbussen mehr als 100fach überschritten werden. Siehe unten auf dieser Seite.
Stadtwerke-Vorstand „verwundert“ über Hasepost-Artikel
„Uns hat die Berichterstattung über eine angeblich bewusste Zurückhaltung der Ergebnisse doch sehr verwundert“, so Stadtwerke-Vorstand Dr. Stephan Rolfes in einer Pressemitteilung zur Veröffentlichung der Messergebnisse.
Der Stadtwerke-Vorstand bezeichnet das vorliegende Material als „nur bedingt aussagekräftig.“ Zur Bewertung der Ergebnisse fehle es an Vergleichswerten und einheitlichen Parametern. „Die reinen Messergebnisse geben nur sehr wenige konkrete Anhaltspunkte“, erläutert Dr. Rolfes weiter. So seien die Werte in Gramm pro gefahrenen Kilometer gemessen. Standard für die Messung der Luftbelastung sei aber ein Wert in Mikrogramm pro Kubikmeter.
Dr. Rolfes scheint die in der öffentlichen Diskussion maßgeblichen Euro-Schadstoffwerte aus dem PKW-Bereich nicht als Referenzwerte nutzen zu wollen, denn die sind in Milligramm pro gefahrenem Kilometer festgelegt, also exakt so, wie der TÜV seine Messdaten für die Stadtwerke ausgewiesen hat – lediglich um drei Zehnerpotenzen verschoben (Gramm vs. Milligramm).
Für Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen wird hingegen in „Milligramm bzw. Gramm pro Kilowattstunde Leistung“ gemessen – hierzu fehlen im vorliegenden Dokument tatsächlich Werte und Referenzen, weswegen wir in unserer ersten Analyse (unten) auch vorerst nur einen Systemvergleich Bus vs. PKW ziehen können, und das auch nur bei den aktuell heiss diskutierten Stickoxidwerten (NOx).
Aufsichtsrat hatte vorzeitig Kenntnisse über Messergebnisse
Der Stadtwerke-Vorstand bestätigte Informationen unserer Redaktion, dass der Aufsichtsrat fortlaufend über den Status Quo der Messungen und der Ergebnisse informiert wurde.
„Unser Vorschlag war es, die mit Referenzwerten unterfütterten Daten vorzulegen und daraus zugleich Handlungsoptionen zur Nachrüstung von Dieselbussen abzuleiten“, erläutert der Stadtwerke-Verkehrsvorstand weiter. So haben die Stadtwerke in der Zwischenzeit Hersteller von Nachrüstsystemen kontaktiert und auch die Bestellung der Systeme angestoßen. „Hier liegen uns aber noch nicht alle Informationen vor.“ Es bleibe klares Ziel der Stadtwerke, ernsthaft zu prüfen, wie der reale Schadstoffausstoß der Busse verbessert werden kann.
Daten ab sofort auf Stadtwerke-Homepage einsehbar
Die bislang vorliegenden Messergebnisse stellen die Stadtwerke unkommentiert der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. Auf www.swo.de/emissionen ist das Datenmaterial hinterlegt. „Die teils hitzige und emotional geführte Diskussion über die Schadstoffbelastung und dem Anteil der Dieselbusse daran sollte wieder auf eine sachliche Ebene zurückgeholt werden“, so Dr. Stephan Rolfes. Dies sei von Beginn an der Ansatz der Stadtwerke und der Auslöser für die in der ÖPNV-Branche auch kritisch gesehenen Messfahrten gewesen. „Uns geht es um eine Versachlichung und um reale Ergebnisse – und nicht um Schuldzuweisungen.“
Erstanalyse der vorliegenden Ergebnisse durch die HASEPOST
Die Redaktion der HASEPOST hat sich das vorliegende und eher kompakte statt zu umfangreiche Datenmaterial angeschaut. Wie bereits oben angemerkt, wurden keine Referenzwerte – zum Beispiel von Diesel-PKW in den Schadstoffklassen 5 und 6 – in der Auswertung berücksichtigt.
Da aber der durchaus übliche Schadstoffwert „Gramm/Kilometer“ (eigentlich Milligramm/Kilometer) ausgewiesen wird, ist eine Gegenüberstellung mit Messwerten moderner PKW und geltenden Grenzwerten (Euro 5 und Euro 6) sehr einfach möglich.
Selbst ab 30km/h wird die Euro 6 Norm noch 120fach überschritten
Wir wollen und können keine Analyse durch Fachleute vorwegnehmen, die unten eingebundene Grafik zeigt jedoch anschaulich, wie exponentiell die Stickoxid- bzw. NOx-Schadstoffwerte im niedrigen Geschwindigkeitsbereich ansteigen. Erst ab Geschwindigkeiten über 30 km/h sinken die Emissionen auf einen Wert von unter 10.000mg/km – immer noch mehr als 120fach über der strengen Euro 6 Norm für PKW.
Bei Schrittgeschwindigkeit: 1 Stadtbus = Stickoxide wie 650 moderne PKW
Drastisch sind allerdings die Werte im Bereich der Schrittgeschwindigkeit, wie er in der Johannisstraße Vorschrift ist und zukünftig auch auf dem Neumarkt zwischen Neuem Graben und Kollegienwall gefahren werden soll.
Der ungefähre Mittelwert (es fehlen die Quelldaten) für die beiden untersuchten Bus-Typen der Stadtwerke (Mercedes Benz und MAN) zeigt eine mehr als 650fache Übersteigung der Euro6-Norm an!
Der Vollständigkeit halber finden sich unten in der Grafik ergänzend Rollenprüfstandsmessungen moderner Euro 6 PKW in drei verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen (30, 40 und 50 km/h). Die bereits 2014 vorgenommenen Messungen des ADAC zeigten schon damals, dass der VW-Diesel nicht in der Lage ist in allen Geschwindigkeitsbereichen – selbst unter Laborbedingungen – die strengen Euro 6 Werte für Stickoxide einzuhalten. Im Vergleich zu den aktuell von den Stadtwerken Osnabrück eingesetzten Diesel-Busse, scheint so ein Lungenzug aus einem VW-Auspuff aber immer noch Luftkurort-Qualitäten zu besitzen.