Am Institut für Musik (IfM) der Hochschule Osnabrück treibt seit dem vergangenen Wochenende der dämonische Barbier aus Londons Fleet Street sein Unwesen, denn als Abschlussproduktion der Musical-Studierenden steht dort jetzt Stephen Sondheims Musicalthriller „Sweeney Todd“ auf dem Programm und erzählt die Geschichte eines Barbiers, der unschuldig in eine Strafkolonie verbannt wurde und viele Jahre später nach London zurückkehrt, um einen finsteren Rachefeldzug zu starten.
In dem dunklen Schauerdrama, das von IfM-Dekan Sascha Wienhausen hervorragend inszeniert und von Michael Schmieder stimmig choreografiert wurde, gibt es einen steten Wechsel zwischen Ironie, schwarzem Humor und blutrünstigen Schockmomenten. Die Charaktere hat Wienhausen dabei stark gezeichnet, bei jeder Rolle wird klar, aus welchem Antrieb heraus sie handelt.
Bunte Akzente zwischen viel Schwarz
Die Pastetenbäckerin Mrs. Lovett wurde zum Beispiel fürs Leben gezeichnet, weil Schutzgelderpresser sie zusammenschlagen. Auch optisch sind starke Einfälle zu verbuchen: So tragen alle Mitwirkenden schwarze Kostüme (Sascha Wienhausen) – mit Ausnahme der drei jüngsten Charaktere, die am Ende überleben und bunte Farben tragen dürfen.
Optisch hervorragend unterstützt wird die Inszenierung durch ein gelungenes Lichtdesign (ebenfalls von Sascha Wienhausen) und das düster gehaltene Bühnenbild von Alexander Kubica, das auf der linken Seite Lovetts Bäckerei und darüber Todds Barbierladen (inklusive leuchtender Barber-Säule) zeigt, wohingegen auf der rechten Seite Richter Turpins Anwesen zu sehen ist. Bühnenbild wie Kostüme wirken dabei zeitlos, orientieren sich einerseits an der Gegenwart und spiegeln andererseits ein sehr düsteres London aus einer längst vergangenen Zeit wider.
In der Titelrolle ist Leander Bertholdt zu sehen, der den Sweeney perfekt verinnerlicht hat. Er wird von Anfang an von Rachegedanken und der Trauer über den Verlust von Frau und Tochter getrieben. Sweeney hat alles verloren, was ihm einst etwas bedeutet hat – das vermag Bertholdt sehr gut und glaubwürdig zu visualisieren. Auch musikalisch ist er der schonungslosen Titelrolle mit seiner wohlklingenden Stimme vollends gewachsen.
Publikumsliebling Jamie-Lee Uzoh
Ihm zur Seite steht eine großartige Jamie-Lee Uzoh in der Rolle der Mrs. Lovett. Uzoh spielt die Pastetenbäckerin mit einem großen Hang zum Humor und perfektem Timing, lässt schauspielerisch keinerlei Wünsche offen und avanciert dadurch schnell zum Publikumsliebling. Gesanglich zeigt sie sich genauso nuanciert wie kontrastreich. Eine echte Entdeckung unter den IfM-Studierenden!
Dominik Räk verleiht dem Seemann Anthony eine wunderbare Kontur und punktet wie schon bei „Titanic“ am Theater Osnabrück mit seiner strahlenden Stimme. Herrlich ist zudem sein Zusammenspiel mit Annemarie Purkert, die eine unschuldig-junge Johanna darstellt und mit glockenklarer Stimme singt. Richard Fuchs ist ein äußerst liebenswürdiger Tobias Ragg, während Yannic Blauert und Pascal Schmid als Richter Turpin und Büttel Bamford ein starkes Gespann geben.
Wirkungsvolle Horrormusik
Ebenfalls überzeugend: Leonie Dietrich als Bettlerin – eine kleine Rolle, mit einem erst am Ende gelüfteten Geheimnis, aus der Dietrich schauspielerisch wie gesanglich das Optimum herausholt. Ein witziges Abziehbild des vermeintlich italienischen Barbiers Pirelli gibt Stefan Schößwendter, der später seinem Mr. Fogg in der Psychiatrie etwas Dämonisches verleiht.
Musikalisch bietet „Sweeney Todd“ nicht nur wirkungsvolle Horrormusik und kirchenmusikalische Zitate, sondern vielfältigste Orchesterfarben, die das IfM-Orchester unter der Leitung von Christopher Wasmuth exzellent zum Strahlen bringt und für einen klanglichen Hochgenuss sorgt. Wer jetzt Lust bekommen hat, „Sweeney Todd“ zu besuchen, muss allerdings enttäuscht werden, denn alle Vorstellungen sind bereits ausverkauft.