In ganz Deutschland werden an diesem Vormittag (10. September 2020) die Sirenen heulen. Am ersten bundesweiten „Warntag“ sollen die akustischen Warnsysteme überall in Deutschland auf ihre Funktion hin getestet werden. In ganz Deutschland? Nein, Osnabrück hat es mal wieder nicht geschafft wichtige Infrastruktur bereitzuhalten*
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Ob das überhaupt Sinn macht in Zeiten von weit verbreiteten Smartphones noch mit Sirenen zu warnen, sei dahingestellt. Leben wir nicht inzwischen in einem Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung? Immerhin sollen auch die Warn-Apps NINA und Katwarn mit in den Test einbezogen werden. Und auch im Radio wird auf den Warntag hingewiesen (nur wer von der jüngeren Generation hört noch klassisches Radio?).
Technisch problemlos möglich und in anderen Ländern erprobt, könnten auch zentral gesteuert Warnmeldungen per Direktnachricht auf jedes Smartphone geschickt werden. Gesonderte Apps sind eigentlich ein aus falsch verstandenem Datenschutz geborener Anachronismus – aber das ist ein anderes Thema und gehört hier nicht her.
Verwaltung setzt nicht auf Digitalisierung sondern ist schlicht ineffektiv
Der Grund dafür, dass in der Stadt Osnabrück am bundesweiten Warntag keine Sirenen heulen werden, ist nicht darin zu suchen, dass wir in Politik und Verwaltung besonders fortschrittlich denkende Politiker und Verwaltungsbeamte haben.
Es ist schlichtweg die übliche Bummelei und das Setzen von falschen Prioritäten, wodurch das eigentlich wunderschöne Osnabrück mal wieder zur Lachnummer wird!
Zurück zu den Vorteilen von Sirenen: Ganz grundsätzlich haben klassische und analoge Sirenen tatsächlich einige Vorteile auf ihrer Seite. Sie werden auch gehört wenn das Smartphone ausgeschaltet oder nicht in Reichweite ist. Und natürlich unterstreichen sie auch die Dringlichkeit einer Warnung – zum Beispiel bei einem Großbrand wie neulich im Fledder. In Osnabrück sollten sie einige leitende Verwaltungsbeamte auch aus dem Büroschlaf wecken! Und natürlich die Lokalpolitik, deren Aufgabe es eigentlich ist die Verwaltung zu kontrollieren und unfähige oder unwillige Mitarbeiter vor die Tür zu setzen.
Seit 2017 war die Verwaltung mit der Installation neuer Sirenen beauftragt
Leider konnte zum Beispiel beim Großbrand im Fledder vor ein paar Wochen die Bevölkerung nicht akustisch vor den giftigen Rauchgasen gewarnt werden. Und auch an diesem bundesweiten Warntag werden im Stadtgebiet Osnabrück keine Sirenen heulen, wie unsere Redaktion bereits vor ein paar Tagen berichtete.
In Osnabrück hat man die Anschaffung neuer Warnanlagen schlichtweg verpennt, trotz entsprechendem Auftrag durch die Politik.
„Was mag denn wichtiger gewesen sein“, fragt man sich unweigerlich? Eine voreilig installierte Fahrradzählanlage an einem längst noch nicht fertiggestellten Radschnellweg? Die Umwandlung von vom Einzelhandel dringend benötigter Parkflächen in Sitzmöbel? Oder waren die neuen Designerstühle im schicken neuen Ratssitzungssaal so dringlich?
Lassen wir mal die Zahlen sprechen, die sich mit ein wenig Recherche im Ratsinformationssystem der Stadt Osnabrück finden lassen:
- Bereits im November 2017 wurde die Installation eines neuen Sirenen-Warnsystems für die Stadt Osnabrück vom Stadtrat beschlossen.
- Erst im Frühjahr 2019, also fast anderthalb Jahre später, wurde ein externes Ingenieurbüro mit der Planung beauftragt.
- Und nachdem auch die Ausschreibung für die Installation über Monate verschleppt wurde, sollen dann voraussichtlich erst im kommenden Jahr die neuen Sirenen in Osnabrück auch tatsächlich installiert sein und in Betrieb gehen. Fast vier Jahre nach dem Auftrag durch den Stadtrat – im Jahr 2021.
Um es auf den Punkt zu bringen: Der Verantwortliche in der Stadtverwaltung (ich nenne mal keinen Namen) hat also noch nicht einmal selbst irgendetwas planen oder die Arbeit an einen Mitarbeiter delegieren müssen.
Alleine für die schlichte Vergabe der Planungsarbeiten ist mehr als ein Jahr verstrichen. Und ebenso lange brauchte man um ein paar Zeilen Text für eine öffentliche Ausschreibung zu formulieren und um am Ende des Vergabeverfahrens dann die Leistungen und Preise zu vergleichen um den Auftrag wiederum nur an ein externes Unternehmen zu vergeben, das sich dann um den Rest kümmert.
Wo ist da eigentlich die Politik, die eine derartige Arbeitsverweigerung kontrolliert und sanktioniert?
Das Schweigen der Sirenen in Osnabrück am bundesweiten Warntag sollte uns an eine ganz besondere Gefahr erinnern: Inkompetenz und Bummelei in der Stadtverwaltung und falsche Prioritätensetzung in der Lokalpolitik!
Um es auch ganz deutlich zu sagen, der Vorwurf geht nicht an die Mitarbeiter der Verwaltung auf ausführender Ebene. Die bekommen leider immer wieder den Unmut der Bürger zu spüren, wenn es eigentlich darum geht, was in der „Konzernspitze“ (so nennen sich die Leitungsbeamten selbst) mal wieder verbockt wurde.
Auch dieser Fisch stinkt vom Kopf und die Verantwortlichen auf den Leitungsposten in der Verwaltung und in den Ratsfraktionen sind bekannt… [speaker-mute]
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* Ergänzung: Zwei Sirenen in Voxtrup und Sutthausen, mit der die Freiwillige Feuerwehr alarmiert wird, sind auch nach der Demontage des Sirenen-Netzes in den 90er Jahren in Betrieb geblieben. [/speaker-mute]