Der Schankraum, endliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2040. Dies sind die Abenteuer der Enkel der Generation Corona, die mit ihrem Opa an einem sonnigen Samstag im „Grünen Jäger“ in Osnabrück sitzen. Viele der Enkel heißen Jens oder Markus, sie wurden von ihren Eltern damals nach den starken Männern der Corona-Krise benannt.
Und als der in Ehren ergraute Jäger-Wirt Pascal dem alten Mann das frisch gezapfte Bier hinstellt, da erzählt Opa mal wieder von Corona.
Ein Gastkommentar von Burkhard Riepenhoff
Wie die Menschen vor zwanzig Jahren noch täglich ins Büro gehen mussten! Und die Schüler in die Schulen! Und die Studenten in die Unis! Was für eine Verschwendung von Zeit und Raum das doch war, schütteln die Enkel mit Blick auf den Video-Unterricht zu ihrer Schulzeit und ihren aktuellen Job natürlich im Homeoffice verständnislos die Köpfe. Und wie sich das Auto doch damals die Stadt Osnabrück untertan gemacht hatte! Mit dem eigenen Wagen, in dem immer nur ein einziger Mensch gesessen hat, ging es damals vierspurig um den ganzen Stadtwall. Und die Fahrräder, die dort heute selbstverständlich auf voller Breite das Bild bestimmen, mussten auf einem nur per Pinselstrich von den Autos und sogar Lastwagen abgetrennten und nur etwa einen Meter breiten Streifen am rechten Rand fahren – völlig verrückt, das war doch lebensgefährlich!
Wenn Opa dann weiter erzählt, wie die Menschen in den ersten Wochen der Corona-Krise Klopapier gehamstert und sich später dafür geschämt haben, dann können die Enkel wieder kaum glauben, dass auch die eigenen Eltern und Großeltern echt mal so peinlich waren. Viel peinlicher ist dem Opa aber, dass er und viele andere damals die Pflegerinnen in den Altenheimen und die Verkäuferinnen in den Supermärkten zu Beginn der Krise noch als „Heldinnen des Alltags“ gefeiert und an den Fenstern und auf den Balkonen für sie geklatscht haben, um sie direkt nach der Krise dann ganz schnell wieder aus dem öffentlichen Blick verschwinden zu lassen. Besser bezahlt werden diese Frauen trotz der großen Versprechen von 2020 bis heute nicht, aber das verschweigt der Opa den Enkeln denn doch lieber mal.
Stattdessen erzählt er den jungen Leuten lieber von dem ebenfalls heute gar nicht mehr vorstellbaren Irrsinn der Geisterspiele in der Bundesliga. Keine Fans im Stadion, keine Stimmung und das alles nur, um in diesem doch sowieso kaputten Corona-Jahr 2020 die Millionen der Fernsehsender zu sichern. Klar, das war ja auch noch diese irre Zeit vor der Deckelung der Spielergagen, als auch ein höchstens mittelmäßiger Profi siebenstellig verdienen konnte. Alles Sportgeschichte zum Glück, die heutigen Fair-Play-Regeln haben den Fußball zurück zu den Fans gebracht. Und der VfL Osnabrück spielt seit der Corona-Zeit stabil in Liga Zwei, auch wenn sich nur die älteren Fans an die Bremer Brücke erinnern können. Ein Stadion mitten im Wohngebiet, das kann sich heute von den Enkeln nun wirklich keiner mehr vorstellen.
Dann gibt der Opa noch eine letzte Runde Essacher Luft aus, zieht sich sein völlig vergilbtes Hoodie mit dem Aufnäher „Kneipenkult Osnabrück – Grüner Jäger Edition“ über und schwingt sich auf seinen elektrischen Stadtscooter. Gute Nacht, Corona.
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