Ich war gestern feiern. Ich habe erst hervorragend in der Außengastronomie eines Osnabrücker Restaurants gegessen, danach habe ich in der Altstadt, am Adolf-Reichwein-Platz und in der Redlingerstraße (siehe Foto) mit Freunden ein paar Bier getrunken. Lasst uns feiern?
Es ist doch keine zwei Wochen her, da befanden wir uns noch im lethargischen Zustand der bleiernen Merkelzeit, die uns im November als „Wellenbrecher“ angekündigt wurde und nur ein paar Wochen dauern sollte, danach aber Monat um Monat in unzählige Verlängerungen ging. Apokalyptische Szenarien würden uns drohen, fügten wir uns nicht in unser Schicksal.
Es ist wohl tatsächlich das Dilemma der Warner und Pandemieexperten, dass wir annehmen müssen, dass uns dieser Dauerlockdown in seinen zahlreichen Verlängerungen vor weit Schlimmerem bewahrt hat. „Et hätt noch immer jot jejange“, wie es im Kölschen Grundgesetz heißt. Und tatsächlich, wir haben auch die Dritte Welle ganz gut überstanden, auch wenn sie gefühlt ewig gedauert hat.
Und nun, nun ist alles innerhalb von wenigen Tagen vorbei? Ich mag es kaum glauben, kann mein Glück kaum fassen. Ich habe meine zurückgewonnen Freiheiten bereits vor ein paar Tagen mit einem Kaffee im Freien am Nikolaiort gefeiert. Natürlich nicht ohne mich brav mit der LUCA-App anzumelden.
Maske weg aus dem Gesicht und alle Freiheiten wieder da?
Und gestern nun die Aufhebung der Maskenpflicht, die ganz offensichtlich dafür sorgte, dass alle Dämme brachen. So lebhaft, so mediteran aber leider auch so ohne Abstand habe ich schon lange keine Menschen mehr das Leben feiern sehen.
Aber ich bin zwiegespalten. Feiern wir womöglich zu früh? Kann die Seuche zurückkommen? Gerade die Jungen sind ganz oft noch gar nicht geimpft und werden vor dem Hintergrund des Staatsversagens bei der Impfstoffversorgung auch noch bis weit über diesen Post-Pandemie-Sommer auf ihre Erstimpfung warten müssen.
Ich will mir das Feiern nicht verbieten lassen! Ich will raus auf die Straße, in Straßencafés und ich will mich mit Freunden treffen. Aber ich hoffe, dass wir alle – ich schließe mich dabei mit ein – nicht vergessen, wo wir herkommen und was auf dem Spiel steht.
Schon ein leichtes Zucken der Inzidenz-Kurzve zurück in den zweistelligen Bereich wird ausreichen und unsere scheidende Bundeskanzlerin und ihr glückloser Gesundheitsminister können uns diesen Sommer ganz schnell per Dekret wieder kaputtmachen. Dass es nicht soweit kommen muss, haben wir alle selbst in der Hand.
Feiern ja, aber bitte in den kommenden Wochen noch mit ein wenig angezogener Handbremse!
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