Der Begriff der brotlosen Kunst bekommt in der Corona-Krise eine ganz neue Bedeutung: kaum eine andere Branche ist derzeit so stark von den Einschränkungen des öffentlichen Lebens betroffen wie die Kunst in all ihren Facetten.
Ein Kommentar von Wolfgang Niemeyer
Ob Musiker, Maler, Schauspieler, Autoren – ihnen ist seit anderthalb Monaten aufgrund der allgemeinen Kontaktbeschränkungen in vielen Fällen die komplette Existenzgrundlage weggebrochen. Glück hat, wer auf irgendeine Weise im öffentlichen Dienst arbeitet, wie zum Beispiel Orchestermusiker oder Angestellte des Theaters. Für den Rest sieht es momentan eher düster aus. Hinzu kommt, dass Künstler von aktuellen staatlichen Rettungsprogrammen kaum profitieren. Sie haben in den meisten Fällen kein Unternehmen, um Soforthilfen oder KfW-Kredite in Anspruch nehmen zu können. Wer also keine finanziellen Rücklagen hat, der muss wohl oder übel Sozialleistungen beantragen.
Ein Staat, der seine Künstler in der Krise in einem beinahe schon an Verachtung grenzenden Ausmaß im Stich lässt, sollte den Kompaß der Wertvorstellungen und Prioritäten des Landes dringend neu justieren. Natürlich muss der Wirtschaft geholfen werden, natürlich müssen die Kinder bald mal wieder in die Schule und natürlich steht im Moment der Gesundheitsschutz an erster Stelle. Aber wie kurzsichtig ist es, der Kunst und den Künstlern in diesen Tagen keinerlei Aufmerksamkeit mehr zu schenken. Die soziale Isolierung hat doch wahrscheinlich nur so gut geklappt, weil die Menschen Bücher, Lieder und Filme hatten, die ihnen in diesen dunklen Zeiten Trost, Mut und Ablenkung geschenkt haben. Ich habe dazu von Merkel & Co. kein Wort des Dankes gehört, mir fehlt bis heute eine gewisse Wertschätzung für unsere Künstler. Sie sind wesentlich systemrelevanter, als es sich die Politik in ihrer oft eindimensionalen Weltsicht vorstellen kann. Kunst und Künstler verdienen mehr als die bloße Ankündigung, dass Großveranstaltungen voraussichtlich bis zum 31. August verboten bleiben. Zum Beispiel finanzielle Hilfen für die nächsten Monate, die oberhalb des Hartz IV-Niveaus liegen.
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