Noch mindestens drei Wochen werden die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus nicht gelockert, für mich war das an diesem Samstagmorgen die wichtigste Nachricht.
Konkret bedeutet das: Die allermeisten von uns haben die Hälfte der „Isolationszeit“ noch nicht überstanden und schon wird überall genörgelt. Hört damit endlich auf!
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Es ist (erst) rund zwei Wochen her, dass die Landesregierung den Erlass auf den Weg gebracht hat, die Schulen bis zum 18. April geschlossen zu lassen. Und auch die Redaktion der HASEPOST arbeitet (erst) seit 14 Tagen aus dem Homeoffice. Und zahlreiche Mitarbeiter, vor allem in den Kliniken, bei Rettungsdiensten, der Polizei und in den Supermärkten, arbeiten inzwischen hart an der Belastungsgrenze.
Doch eigentlich wollte ich ja etwas zu den Nörglern schreiben, die mir in den vergangenen Tagen leider immer häufiger negativ aufgefallen sind.
Egal ob es um das Engagement eines Osnabrücker Unternehmers geht, der 100.000 Atemschutzmasken aus China in die Region holt, den Pizzabringdienst, der in der vergangenen Woche gratis Pizzen an die Notaufnahmen des Marienhospitals und das Klinikum lieferte oder das von unserer Redaktion beispielhaft vorgestellte Engagement eines Optikers in der Krahnstraße, der neben einem Notdienst auch einen Service für Alten- und Pflegeheime anbietet.
Schnell lese ich dann bei Facebook Unterstellungen über angeblich versteckte Werbung, dass neben den dringend benötigten Atemmasken doch bitteschön auch noch Latexhandschuhe besorgt werden sollen oder die kostenlose Pizza auch hier und dorthin geliefert werden könnte. Und neben dem beispielhaft genannten Unternehmer X würde doch auch noch ein Dutzend anderer Kollegen einen ähnlichen Service anbieten und die müssten doch auch alle namentlich genannt werden und überhaupt …
Nun gut, dass Facebook nicht immer die hellsten Kerzen auf der Torte zum Leuchten bringt, das war auch schon vor der Corona-Krise so. Allerdings sehe ich ähnlich fordernde Kommentare auch bei anderen Medien, die den Lesern das Kommentieren auf ihrer Website erlauben. Die Krise bringt nicht nur unglaublich kreative Lösungen und das Engagement vieler hervor, sondern leider auch zahlreiche Nörgler und Besserwisser.
Die oben genannten Beispiele für – in meinen Augen unangebrachte – Nörgelei, könnte ich fast unendlich fortsetzen. Ich will aber nur noch ein weiteres Beispiel bringen, das mich in den vergangenen Tagen besonders geärgert hat: Die Art, in der von einigen Nörglern mit den Problemen der Stadtwerke bei der Sicherstellung einer Grundversorgung des ÖPNV umgegangen wird.
Egal wohin ich schaue, Kommentare beim Facebook-Account der HASEPOST, unter anderen Facebook-Gruppen oder Leserkommentare bei den Kollegen: Einige Mitbürger haben offensichtlich den Eindruck, dass die Stadtwerke von einem Mr. Evil geleitet werden, der auf einer einsamen Insel in einer Höhle sitzt und sich, mit einer Katze auf dem Schoß, immer neue bösartige Attacken gegen die Bevölkerung ausdenkt…
Wer meinen Gedanken bis hierhin gefolgt ist, erkennt vermutlich die Figur des Ernst Stavros Blofeld aus zahlreichen James Bond Filmen, auch bekannt aus Austin Powers.
Ich muss diese Nörgler enttäuschen, es gibt keinen unheimlichen Bösewicht! Niemanden, der alles daran setzt, euch in eurem Alltag zu ärgern, um mit übervollen Bussen das Virus zu verbreiten. Im Gegenteil, nachdem am Montag viel berechtigte Kritik am Notfahrplan aufkam, reagierten die Stadtwerke binnen Stunden und planten für den Dienstag alles nochmals um und organisierten eine Lösung, wie Klinikmitarbeiter mit den hauseigenen CarSharing-Angeboten mobil gehalten werden können.
Als Journalist, der gerne auch mal Kritik austeilt, kenne ich einige der Mitarbeiter des Unternehmens ganz gut. Es ist übrigens ein Unternehmen, das zu 100% den Bürgern dieser Stadt gehört; die arbeiten also nicht für irgendeinen Bösewicht oder einen anonymen Konzern, sondern im Auftrag der Bürger.
Und „die“ haben schon bei den Planungen für das neue Liniennetz oder bei der Umstellung auf Elektrobusse in den vergangenen Monaten weit mehr zu tun gehabt, als „in normalen Zeiten“. Mehr als einmal war ich bei Terminen dabei, die bis in die Nacht gingen, zum Beispiel bei Gesprächen mit Bürgern einzelner Stadtteile, wie deren Erreichbarkeit mit dem neuen Fahrplan gesichert bleibt.
Auch wenn nicht alles perfekt ist: Am Engagement der Stadtwerke-Mitarbeiter, vor allem auch der Fahrerinnen und Fahrer, würde ich nie zweifeln!
Und nun kommt Corona. Klar, Hobby-Verkehrsplaner würden jetzt argumentieren, dass man spätestens seit Wuhan alle möglichen Pläne hätte vorbereiten müssen. Tatsächlich haben wir auf allen Ebenen und in allen Städten zu spät reagiert, das ist nun mal Fakt. Binnen weniger Tage mussten dann Entscheidungen getroffen werden, die dafür Sorge tragen, dass zumindest eine Grundversorgung mit öffentlichem Nahverkehr bestehen bleibt. Das alles vor dem Hintergrund steigender Krankenzahlen und den durchaus auch berechtigten Sorgen vieler Busfahrer, die Tag um Tag ganze Schichten mit unzähligen Fremden in einem Bus durch die Gegend fahren.
Auf so eine Situation war kein Anbieter des öffentlichen Nahverkehrs vorbereitet – auch wenn einige Hobby-Virologen das jetzt anders sehen. Und man muss nur mal schauen wie es in anderen Städten aussieht, auch dort kommt es zu ganz ähnlichen Problemen wie in Osnabrück.
Ganz persönlich – ohne irgendeine Expertise im Fahrzeugbau zu haben – glaube ich, dass wir in den kommenden Monaten vermutlich neue Stadtbusse und Umbauten sehen werden, bei denen der Fahrer in einer eigenen und klimatisierten Fahrerkabine sitzen wird.
Solche Umbauten gibt es aber wohl noch nicht, zumindest nicht fertig von der Stange. Vielleicht findet sich ja ein Leser, der mit einem entsprechenden Konzept nach der Krise durchstarten will und die ganzen Umbauten erledigen möchte? Wie wäre es damit die Zeit zu nutzen, einen Businessplan zu schreiben?
Was mich zu einem anderen Punkt bringt: Jede Krise bedeutet auch eine Menge Chancen für die, die nicht pessimistisch und nörgelnd auf alles blicken, sondern Chancen sehen und sich mit der Nörgelei etwas zurückhalten. Denn egal ob es die Mitarbeiter der Stadtwerke, eines Pizzabringdienstes, der Optiker mit Notdienst und ganz besonders das Personal in den Kliniken, bei der Feuerwehr oder der Polizei sind: Die machen alle einen verdammt guten Job, unter Umständen, die wir uns alle vor ein paar Wochen noch nicht einmal ansatzweise vorstellen konnten und auf die wir deshalb auch alle nicht vorbereitet waren.
Wir haben noch mindestens drei Wochen soziale Isolation vor uns. Nörgeln bringt uns in dieser Zeit kein Stück weiter!
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