Ausgerechnet die Osnabrücker FDP kritisiert Oberbürgermeister Wolfgang Griesert scharf für das Desaster am Neumarkt. Und man könnte auch noch hinzufügen: Die Kritik formuliert ausgerechnet FDP-Ratsmitglied Robert Seidler, der bei Rats- und Ausschusssitzungen nicht unbedingt mit regelmäßiger Anwesenheit glänzt, aber das ist ein anderes Thema.
Vielleicht sollte die FDP kurz darüber nachdenken, ob sie nicht Teil des Problems ist, wenn nicht sogar der Kristallisationspunkt der gesamten Misere?
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Als Wolfgang Griesert 2013 den Posten des Oberbürgermeisters antrat (und der Neumarkt übrigens auch schon da eher an das verfallene Detroit als an Westdeutschland erinnerte), wurde Osnabrück noch von einer rot/grünen Zählgemeinschaft regiert.
Erst nach der Kommunalwahl 2016 schien sich das Blatt zu wenden. Die CDU wurde nicht nur erneut stärkste Fraktion im Rat, sie konnte mit insgesamt 19 von 50 sogar einen Sitz hinzugewinnen und bekam mit BOB (heute UfO) einen bürgerlichen Partner mit zwei Sitzen an ihre Seite. Für Rot/Grün reichte es nicht mehr, für CDU/BOB allerdings auch nicht.
Warum eigentlich koaliert die FDP in Osnabrück mit der Linkspartei?
Was lag da eigentlich näher für die FDP und vermutlich auch für ihre Wähler, eine bürgerliche Koalition zu bilden? Auch und vor allem um dem bis dahin ohne Mehrheit regierenden Oberbürgermeister den Rücken zu stärken.
Bekanntlich kam es anders. Die Osnabrücker FDP entschied sich mit der SED-Nachfolgepartei, den in Osnabrück stark links geprägten Grünen, der SPD, der UWG und dem Piraten eine als „Regenbogen-Koalition“ bekannte Verbindung einzugehen, um fortan weiterhin bei jeder Gelegenheit dem Oberbürgermeister die Arbeit schwer zu machen.
Zwar hätte es auch in der Verbindung CDU, BOB und FDP noch nicht für eine Mehrheit gereicht, so dass eine Selbstauflösung des Stadtrats und anschließende Neuwahlen sicher die beste Lösung gewesen wären, aber im Zweifel wären so Mehrheiten für eine realistische und weniger dogmatische Verkehrspolitik zumindest leichter erreichbar gewesen.
Den „Regenbogen“ eint nur der Wille zur Macht
Stattdessen erleben wir seit Jahren eine seltsam zusammengewürfelte Regenbogenmehrheit, die außer dem unbedingten Willen zur Macht, nur wenig eint. Was haben sich denn orthodoxe Linke und Liberale sonst zu sagen? Dass so eine bunte Mischung nicht passen kann, dürfte eigentlich jedem klar sein – die Misere ist regelmäßig im Ratssitzungssaal zu beobachten.
Gut, auch zwischen den beiden Fraktionsvorsitzenden der FDP und der CDU funktioniert es menschlich nicht, das ist bekannt. Tatsächlich ist der Nukleus der Neumarkt-Misere wohl sogar in genau dieser Männerfeindschaft zu finden, die mit ursächlich dafür ist, dass es in Osnabrück nicht möglich ist das bürgerliche Lager zu vereinen.
Das Ergebnis kann jeden Tag am Neumarkt und in der Johannisstraße besichtigt werden.
Für mich blicken wir am Neumarkt nicht allein auf verlorene Chancen der Stadtentwicklung, sondern auch auf verlorene Jahre in der Lokalpolitik zurück. Seien wir ehrlich, was, wenn man von der Anschaffung von ein paar Dutzend Elektrobussen absieht, ist denn in den letzten Jahren wirklich geschehen?
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