„Eltern haften für ihre Kinder“ – Ein Satz den man sonst nur an Bauzäunen oder in der Einfahrt zu Privatgeländen liest, hat heute, in Zeiten der „Corona-Krise“ eine ganz neue Bedeutung erhalten. Wir bewegen uns auf einem schmalen Grad zwischen Vernunft und Gutgläubigkeit, Schuld und Schuldzuweisungen. Doch eben das bringt uns aktuell nicht weiter.
Entweder ist es die 78-jährige Gertraud, die sich am Sonntag mit ihrem Stammtisch zu Kaffee und Kuchen trifft, der 16-jährige Leon, der erst am Mittwoch bei einer „Corona-Party“ am Piesberg war, oder der 40-jährige Ralf, der seine Freunde zu einem kleinem Grillfest bei diesem schönen Wetter eingeladen hat. Aus allen Richtungen hört man: „Bedankt euch bei denen, wenn es eine Ausgangssperre gibt!“ Zahlreiche Beispiele aus dem Alltag zeigen doch, dass Vernunft eben nicht von der Altersgruppe abhängig ist. Entweder man hat schon zehn Grippen überlebt oder man färbt sich die Haare, weil jetzt „eh alles scheiß egal ist“.
Von der einen Seite ertönen Forderungen nach einer vorsorglichen Quarantäne für Risikogruppen und generell Menschen, die älter als 70 sind. Doch wie soll Oma Gertraud dann in ihrer Wohnsiedlung, in der überwiegend Rentner wohnen, noch ihre frischen Tomaten her bekommen? Für Lieferdienste reicht die Rente leider nicht und im Internet kennt sie sich nicht aus. Da wird es schon nicht so schlimm sein, eben zum nächsten Supermarkt des Vertrauens zu gehen und einzukaufen. Ihr Ehemann Wolfgang ist leider schon vor einigen Jahren gestorben und sie haben nie Kinder bekommen. Am meisten freut sie sich über den regelmäßigen Besuch ihrer Schulfreunde, sie sind damals in der gleichen Wohnsiedlung aufgewachsen. Sie treffen sich einfach, um sich etwas auszutauschen und um über die neue Frisur von Ingrid zu tratschen.
Jugendliche, die glauben unverwundbar zu sein
Auf der anderen Seite werden Forderungen nach weiteren Ausgehbeschränkungen für Jugendgruppen laut. In ihrem Übermut mögen einige von ihnen glauben, dass sie unverwundbar sind. Bei vielen mag das auch stimmen; ihre älteren Verwandten sind es jedoch nicht. An einem Abend feiert Leon noch eine Hausparty mit Schulkameraden, mit denen er bestimmt auch noch in 50 Jahren befreundet sein wird. Am nächsten Tag steht aber auch schon wieder der wöchentliche Besuch bei Oma und Opa auf dem Land an. Da die Schule ausfällt, ist es doch die perfekte Möglichkeit, seine freie Zeit etwas auszunutzen und draußen etwas Zeit zu verbringen, besonders bei dem schönen Wetter!
In der Sonne ist es schon richtig schön warm, aber noch nicht so sehr, dass man schwitzt. Eigentlich der perfekte Zeitpunkt, um den Grill anzuschmeißen und sich mit ein paar Kollegen auf ein Bier zu treffen, denkt sich Ralf. Das Essen wird extra draußen serviert, damit sich das Virus nicht so gut ausbreiten kann. Trotzdem benutzen alle die gleiche Toilette, den gleichen Zapfhahn und den gleichen Löffel, um sich Salat aufzutun. Thomas, der 6-jährige Sohn von Ralf, kann sich auch gerne mit seinen Freunden auf dem Spielplatz treffen, „lasst euch einfach nicht erwischen!“
Auch in drei Monaten wird es noch schönes Wetter geben
Und natürlich muss das Wetter genau dann sonnig und warm werden, wenn eine Pandemie das Land überquert. Selbstbezogenheit und Schuldzuweisungen können die Lage aber nicht ins Positive wenden. Gerade jetzt ist es wichtig, aufeinander und nicht nur auf sich selbst Acht zu geben; Vernünftig für diejenigen zu sein, die es nicht besser wissen. Gertraud kann ihre Freunde bestimmt auch einfach über ihr Haustelefon anrufen. Leon kann vielleicht einen Videoanruf mit seinen fünf besten Freunden starten, oder ein Online-Spiel mit ihnen spielen. Und Ralf kann etwas mehr auf seinen Sohn achten, denn: Eltern haften nun mal für ihre Kinder! Auch in drei Monaten wird es noch schönes Wetter geben. Nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass es alle von uns erleben werden.