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Morgen-Kommentar: Die Stadt ist kein Freizeitpark – warum denn eigentlich nicht?

Wer ist eigentlich auf die überaus dumme Idee gekommen den Osnabrücker Jahrmarkt auf einen Schotterplatz an eine Hauptausfallstraße zu verlegen? So manch einer reibt sich derzeit sicher die Augen, wie erstaunlich gut Riesenrad und Zuckerwatte in die Innenstadt passen. Ist das nur eine Corona-Hilfsaktion für Schausteller oder nicht vielleicht sogar „die“ Blaupause dafür, wie die Innenstadt attraktiv gehalten werden kann?

Ein Kommentar von Heiko Pohlmann.

Was im vergangenen Jahr als kleiner Ausgleich für die weggefallene Maiwoche und die Jahrmärkte gestartet wurde, findet seit ein paar Tagen seine Fortsetzung in nochmals vergrößerter Form bis über den Problemplatz Neumarkt hinaus. Und dieser innerstädtische Jahrmarkt ist ein Erfolg, wie die freundlichen Gesichter zeigen, die man überall rund um die Buden und Fahrgeschäfte sieht. Und wer das Jauchzen der Kinder im Kettenkarussell vor dem Rathaus hört oder das fröhliche Stimmengewirr aus den Gondeln des Riesenrads vor dem Dom, dem geht ein Herz auf, wenn er denn eines hat.

Die Menschen kommen wieder in die Innenstadt! Nicht weil ein Riesenrad nun die ganz große Sensation ist, sondern weil die Mischung stimmt.
Es ist die Kombination aus Straßencafés und zum Beispiel der wieder in Betrieb genommenen Hasewelle im Sporthaus von L&T. Es sind die zahlreichen Dienstleistungen von Friseur bis Schlüsseldienst, die es in der Innenstadt gibt. Natürlich auch der attraktive Einzelhandel und am Samstag der Wochenmarkt gleich nebenan auf der Großen Domsfreiheit.

Die Schausteller sind endlich wieder da, wo sie lange ihren Stammplatz hatten. Bis Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war der Domplatz – und damit das Herz der Stadt – der der Ort wo der Jahrmarkt stattfand.
Einem aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbarem Zeitgeist folgend wurden die Schausteller dann auf immer entferntere Standorte abgeschoben. Über die Klosterkaserne am Rissmüllerplatz ging es auf den „Schwarzen Platz“, wo später erst das Niedersachsenbad und inzwischen ein Verbrauchermarkt  gebaut wurde. Anfang der 60er Jahre ging es schließlich auf den maximalst unattraktiven Schotterplatz an der Halle Gartlage. Rund um die Viehauktionshalle, eingerahmt von Industrie, Hinterhöfen, der Eisenbahn und der Bohmter Straße – kein Wunder, dass der „Jazzer“ so einen schlechten Ruf als billige Prekariatsbespaßung mit gelegentlichen Schlägereien zwischen Raupe und Wilder Maus bekam.
Nur zur Weihnachtszeit und zur Maiwoche, wenn auch das bürgerliche Osnabrück sich wahlweise mit ordentlich Maibock oder Glühwein in Stimmung brachte, lies man das fahrende Volk in die Gute Stube der Stadt.

In der vergangenen Woche haben Vertreter von IHK, des Handels und des Stadtmarketings angesichts der desaströsen Auswirkungen der Pandemie (HASEPOST berichtete)  gemeinsam festgestellt, dass man das Thema Innenstadt „neu denken“ müsse.
Ich bin mir sicher, das die Schausteller bei dieser Neubewertung der Innenstadt ein wichtiges Puzzlestück sein werden. Osnabrück wäre gut beraten jetzt schnell ein für die kommenden Jahre festes Konzept zu entwickeln, auf dessen Basis die Schausteller ihre Tourenplanung festlegen können. So könnte ein steter Wechsel der Fahrgeschäfte die Innenstadt attraktiv halten. Warum sollte Osnabrück nicht aktiv damit werben, dass an der Hase immer etwas los ist?

Und was spricht eigentlich dagegen, dass auch einmal ein Zirkus oder ein Open Air Konzert vor dem Dom oder dem Rathaus seinen Platz findet? Das Gute an Krisen ist, dass man alles auf den Prüfstand stellen kann. Übrigens auch die seltsame Regelung, dass der Platz vor dem Rathaus regelmäßig von Veranstaltungen freibleiben muss (ja, so eine absurde Regelung gibt es tatsächlich).
Was bitte ist denn wünschenswert an einer Stadt, die über das Wochenende ausgestorben ist?
Und auch die strengen Regelungen zur Sontagsöffnung gehören meiner Ansicht nach auf den Prüfstand. Zumindest für das Herz der Stadt machen diese Regelungen in meinen Augen keinen Sinn mehr – jedenfalls nicht, wenn man es ernst damit meint die Osnabrücker Innenstadt und die zugehörigen Arbeitsplätze retten zu wollen.

 


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„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten“ (C. G Jung).
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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