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Morgen-Kommentar: Wir kennen die exakte Temperatur auf dem Mars – Schulterzucken bei Corona

Nach einer regelrechten Kältewelle, bei der die Lufttemperatur auf dem Mars zu Heiligabend unter -12 °C absank, meldet die NASA nun wieder moderate -4,1 °C, schließlich hat der Wind auf dem roten Planeten auch kürzlich auf Süd/West gedreht.

Erstaunlich, wer will, der bekommt jederzeit den aktuellen Wetterbericht vom Mars, einem durchschnittlich etwa 228 Millionen Kilometer entfernten Planeten.
Doch wenn es um die aktuellen Fallzahlen der wohl größten Herausforderung der Menschheit seit dem Zweiten Weltkrieg und der Umbenennung von Raider zu Twix geht, tappen wir oft im Dunkeln und müssen Mutmaßungen anstellen.
Da fällt schon mal in Sachsen ein für die Übertragung der aktuellen Infektionszahlen genutztes Faxgerät aus oder die Mitarbeiter zahlreicher Gesundheitsbehörden „vergessen“ einfach einen Vertretungsplan für die Feiertage zu erstellen.

Was derzeit an Zahlen über die Pandemielage hereintröpfelt, hat jedenfalls nichts mehr mit der Realität zu tun. Und auf Basis dieser Zahlen soll Anfang Januar entschieden werden, ob eine (bislang noch) führende Wirtschaftsnation in die Verlängerung des Lockdowns gehen wird.

Ein Kommentar von Heiko Pohlmann

Man verzeihe mir den Vergleich mit dem Schokoriegel (Raider, nicht Mars), aber ich kann es nur noch mit einer gehörigen Portion Sarkasmus ertragen, was sich diese Regierung beim Krisenmanagement leistet – und dennoch bekommt der dafür politisch Verantwortliche, Jens Spahn, in Umfragen immer noch Bestnoten.

Aber hurra, jetzt ist ja der Impfstoff da! Und nein, dieses „Hurra“ meine ich ganz eindeutig nicht sarkastisch – bei den Begleitumständen des Starts zum „großen Impfen“ wird mir aber schon wieder ganz anders.

Bereits am frühen Samstagmorgen wurde zum Beispiel in NRW die erste Charge des lange ersehnten Impfstoffes angeliefert. Dass es unter PR-Gesichtspunkten ein Supergau war und Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker, dass man für eine einzelne Palette einen 40-Tonner bemühte, kann man wohl auch unter „allgemeine Inkompetenz der Verantwortlichen“ abhaken.

Weit schwerer wiegt aber in meinen Augen, dass es eines mutigen Leiters eines Pflegeheims aus dem Ostharz bedurfte, der am Samstag, mit dem Eintreffen der ersten Impfdosen, dann auch sofort loslegte mit dem Impfen!

Dass die Politik, allen voran mal wieder Jens Spahn, mit dem Impfen lieber warten wollte bis auch alle Kameras in Position sind, was für den Sonntag geplant war, erinnerte mich doch stark an Heiligabend wie es früher war, also mit Oma Erna und den zahlreichen Onkels und Tanten versammelt unterm Weihnachtsbaum.
Wehe, wenn da eines der Kinder schon ein Geschenk öffnete, bevor nicht Oma in Position war und Onkel Egon die Kamera in Stellung gebracht hatte. Für das Geld, das die Oma in Playmobil und Lego investiert hatte, sollte es doch wenigstens ein schönes Erinnerungsfoto geben.

Allerdings stand bei Oma auch niemals eine Wiederwahl an – Bundeskanzlerin wollte sie auch nie werden. Und wenn wir Kinder mal zu schnell beim Aufreißen der Geschenke waren, lächelte sie es einfach weg – so sind Omas.
Jens Spahn scheint sich da schon mehr um seine Zukunft zu sorgen, entsprechend verschnupft reagierte der Minister auf die Eigenmächtigkeit, die ihn um ein schönes Pressefoto gebracht hatte, dafür aber vielleicht Leben rettete.

An zukünftige Wahlen und wie man schöne Pressefotos bekommt, scheinen mit der Ankündigung der Impfstofflieferung Land auf Land ab zahlreiche Bürgermeister, Landräte und sonstige Politiker gedacht zu haben.
Trotz des für Sonntag aus Berlin bestimmten offiziellen Impf-Starts, meldeten zahlreiche Bundesländer einen nur sehr verhaltenen Start der Impfkampagne. Thüringen, wo am Sonntag von 10.000 gelieferten Impfdosen nur 120 verwendet wurden, war da sicher die Regel und nicht die Ausnahme. Da viele Provinzpolitiker erst nach dem Jahreswechsel wieder arbeiten, werden die großen Pressetermine für den Impfstart zwischen Flensburg und Oberammergau wohl noch ein paar Tage auf sich warten lassen.

Es ist wohl tatsächlich einfacher regelmäßig Wetterdaten vom Mars zu erhalten, als im Kampf gegen die Pandemie verlässliche Zahlen zu erheben und beim Impfen einfach mal zu „machen“. Die Work-Life-Balance von Behördenmitarbeitern und das Interesse von Politikern an gelungenen Fototerminen wiegt im Zweifel schwerer als Corona.

Verlässliche Zahlen zur Pandemielage werden erst wieder Mitte Januar erwartet. Und geimpft wird nicht etwa wenn der Impfstoff da ist, sondern wenn es der Terminkalender von Politikern erlaubt! Das ist kein Krisenmanagement, das ist einfach nur noch peinlich für ein Land, dem (warum auch immer) weltweit der Ruf anhängt, besonders gut organisiert zu sein.

 


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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