Corona tötet. Gegen Corona müssen wir gemeinsam zusammenhalten. Maske, Abstand, Hygiene und hoffentlich bald ein Impfstoff. Nicht das „wie“ ist die Frage, sondern das „wann“. Aber ebenso wichtig ist auch, wie wir gut durch die Zeit kommen, bis das Virus besiegt ist.
Ein Gastkommentar von Moritz Gallenkamp
Ich mache kein Hehl daraus, dass ich manche Maßnahmen, die inzwischen getroffen wurden, nicht nachvollziehen kann. Ich darf nicht ins Restaurant, zu Gastwirten, die alle Vorgaben einhalten und sogar Luftreinigungsgeräte kaufen, damit die Luft gefiltert wird, aber ich darf mit Maske dicht an dicht gedrängt auch weiterhin nach Mallorca fliegen. Im Gegensatz zur Politik, und insbesondere unserer Landesregierung, der Stephan Weil als Ministerpräsident voransteht, haben die Gastwirte und viele Kunstbetriebe Vorsorge getroffen, doch genützt hat es ihnen nichts. Sie mussten allesamt vor einer Woche schließen.
Es wäre viel möglich gewesen in den vergangenen Monaten. Man hätte zum Beispiel den im Frühjahr verpassten Unterricht nachholen können – doch es blieb bei den üblichen ultralangen Sommerferien, auch für die zu einem großen Teil verbeamteten Lehrer. Vor allem aber hätten Pläne entwickelt werden können, wie Unterricht in der kalten Jahreszeit auch ohne geöffnete Fenster möglich gemacht werden kann. Luftreinigungsgeräte, wie viele Gastronomen sie angeschafft hatten, um ihre Gäste zu schützen und ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern, wären auch für Klassenräume eine Option gewesen. Stattdessen werden jetzt Klassen geteilt, Schüler wieder nach Hause geschickt und es wird Unterricht bei offenem Fenster praktiziert. Doch statt Aktivitäten, um uns alle voran zu bringen, gibt es von Seiten der Politik oft nur Forderungen, die sehr nach sehr dunklen Kapiteln unserer jüngeren Geschichte klingen. Stichworte wie „Nachbarschaftskontrolle“ „Zwangseinweisung“ machen die Runde. Haben diese Politiker eigentlich mal unsere Geschichte oder unser Grundgesetz gelesen? Gelesen vielleicht, aber verstanden? Nein! Die Menschen werden aufgefordert zu schnüffeln, zu überwachen zu denunzieren. Sie werden aufgefordert ins unseren grundrechtlich geschützten Schutzbereich einzudringen.
Zum Thema: Ministerpräsident Stephan Weil fordert NDR-Hörer zur Mithilfe auf (externer Link)
Was muss bei einem Berufspolitiker falsch laufen, wenn er das Denunziantentum fördert und zum Denunzieren auffordert? Otto Wels, der große Sozialdemokrat, der in der letzten freien Rede im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz der NSDAP gekämpft hat, würde sich im Grabe umdrehen. Man kann es ruhig beim Namen nennen, es ist eine „Blockwartmentalität“, die da u.a. von Ministerpräsident Stephan Weil und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gefordert wird. Hatten wir von 1933 bis 1945 nicht genug davon? Es ist gut, dass es vorbei ist! Haben die Menschen 1989 nicht erfolgreich die DDR in die Knie gezwungen, um nunmehr wieder die Methoden der SED auferlegen zu bekommen?
Corona ist selbstverständlich weder ein Weltkrieg noch vergleichbar mit der SED-Diktatur – zum Glück. Es ist grundfalsch die aktuelle Krise mit immer neuen Superlativen in die Nähe dieser beiden wirkliche Katastrophen unserer jüngeren Geschichte zu bringen. Genauso ist es aber falsch, wenn zur Bekämpfung der Infektionsgefahr Mittel und Wege gefordert werden, die aus gutem Grund mit einem Tabu belegt sind, nicht zuletzt, weil es die Mittel der Demokratiefeinde waren.
Ich bin mir sicher, wir werden diese Krise auch in den Griff bekommen, ohne zur Denunziation aufzurufen oder zu Zwangsmaßnahmen zu greifen, die keiner juristischen Prüfung standhalten.
Wer dennoch entsprechende Forderungen aufstellt, so wie Stephan Weil und Karl Lauterbach, dem empfehle ich, sich aus der aktiven Politik zurückzuziehen, den Boden der Verfassung haben sie nämlich bereits verlassen.
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