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Morgen-Kommentar: Corona – Schlaflos in Deutschland

Sinnvolle Maßnahmen ja, blinder Aktionismus und Blockwartmentalität nein!

Ein Gastkommentar von Moritz Gallenkamp

Deutschland im Jahr 2020, George Orwell hätte es nicht für möglich gehalten. Seit Anfang des Jahres beschäftigt Deutschland kein anders Thema so sehr wie Corona. Corona, eigentlich Covid-19, ist eine Lungenkrankheit mit teils harmlosen Folgen, aber auch mit teils sehr schlimmen Krankheitsverläufen. Eine Krankheit, gegen die Maßnahmen ergriffen werden müssen um sie einzudämmen und zu bekämpfen. Maske, Hygiene, Abstand und Impfung tragen dazu bei. Diese Maßnahmen sind gut, sie sind wichtig!

Wenn man dieses Jahr nicht selber miterlebt hat, man würde denken, das wäre Satire. Es ist aber leider keine Satire, es ist Realität. Der Reihe nach: In dem von Dr. Hubertus Hoffmann im März 2021 erscheinenden Buch „Mission Zukunft“ stellt dieser das katastrophale Krisenmanagements des Jens Spahn chronologisch dar. Es freut mich, hier einen kleinen Vorgriff auf das Buch nehmen zu dürfen, um einen Blick zurück werfen zu können:

    „Am 31. Dezember 2019 meldet das internationale Frühwarnsystem ProMED eine unbekannte Lungenentzündung in China. Diese Meldung über ein neuartiges Coronavirus erreicht das in Deutschland zuständige Robert-Koch-Institut in Berlin. Die Vorschläge aus der Risikoanalyse von 2012 werden in den folgenden Wochen nicht unverzüglich aktiviert. Erst einmal passiert gar nichts.

Der federführende deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn beschwichtigt die Bevölkerung noch am 21. Januar 2020: „Der Krankheitsverlauf ist milder als etwa bei einer Grippe, an der bis zu 20 000 Menschen im Jahr sterben.“ Noch am 22. Januar 2020 sagte ein Sprecher von Jens Spahn: „Die Gefahr für Deutschland durch das Coronavirus wird von Fachleuten derzeit als „sehr gering“ eingeschätzt. Fiebermessungen an Flughäfen wären unverhältnismäßig. Wir beobachten.“ …

Am 28. Januar 2020 trat das Virus erstmals in Deutschland im Landkreis Starnberg in Oberbayern auf. Eine chinesische Mitarbeiterin des Autozulieferers Webasto war über den Flughafen München ohne Kontrollen und Registrierung eingereist und hatte Kollegen mit Corona infiziert.

Am 12. Februar sagte Gesundheitsminister Jens Spahn im Gesundheitsausschuss, die „Gefahr einer Pandemie sei eine zurzeit irreale Vorstellung.“

Am 26. Februar kommen im Bundesinnenministerium Experten zusammen. Sie stellen fest, dass es zu wenig Schutzmasken gibt. Der aktionslose Pandemieplan von 2012 war nutzlos. Man hat ihn nicht ausreichend gewürdigt und keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen. Es gab daher jetzt zu wenig Schutzkleidung, Masken, Desinfektionsmittel und Notfallbetten.““

Am 4. März sagt Jens Spahn in seiner Regierungserklärung: „Nach allem, was wir heute wissen, verläuft die übergroße Mehrheit der Infektionen symptomfrei bis milde. Der Erreger ist deutlich weniger ansteckend als zum Beispiel der von Masern.“

Dazu muss man sagen, dass das Problem Corona zu dem Zeitpunkt schon lange bekannt ist und die Berichte und Bilder aus China sicherlich auch Minister Spahn nicht entgangen sein dürften. Aber was in China passiert, passiert nicht hier und deswegen muss man das auch nicht beachten… Man hat Januar, Februar und bis Mitte März 2020 einfach gepennt.

Unglaublich aber wahr.

Dann kam es zum ersten Lockdown. Alles dicht… Kneipe zu, Friseur zu, KiTa zu, Schule zu, Einzelhandel zu (bis auf Baumärkte, warum auch immer), Toilettenpapier weg. Warum? Man wolle den Ausbruch in die Länge ziehen, um die Krankenhäuser vorzubereiten und genügend Intensivbetten vorzuhalten.

Dann kehrte sowas wie Normalität zurück. Man darf wieder zum Friseur, endlich. Kneipen öffnen erneut, Schulen öffnen wieder, Eltern können durchatmen, Kinder auch, Homeschooling ist nicht so prickelnd, endlich endlich darf man wieder dicht an dicht – aber mit Maske – mit 100 anderen Menschen nach Malle fliegen…mit 100 anderen Menschen zusammen im Theater sitzen, darf man aber nicht, jedenfalls nicht ohne ordentlich Abstand, der im Flugzeug scheinbar nicht nötig ist. Egal, Hauptsache die Bundesliga läuft wieder.

Mehrere Monate später, die Fallzahlen bei den nachgewiesenen Infektionen steigen, denn es wird auch massiv mehr getestet als noch im Frühjahr. Steigt aber auch die Zahl der schweren Krankheitsverläufe? Schwamm drüber, so genau sehen wir es nicht. Was hat Jens Spahn und was haben die anderen Minister eigentlich seit dem Frühjahr gemacht? Die Schulen richtig ausgestattet, damit Kinder und Lehrer demnächst nicht in Winterkleidung im (gut durchlüfteten) Klassenraum sitzen, auf jeden Fall nicht.

Es wurden in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche Allgemeinverfügungen erlassen. Beherbergungsverbote, Sperrstunden. Irgendwie wurden aber auch fast alle von Gerichten schnell wieder gekippt. Es liegt wohl daran, dass sie nicht gesetzeskonform waren.

Und dann kommt SPD-Experte für alles, Karl Lauterbach auch noch mit der Idee, Wohnungen kontrollieren zu wollen, sein Genosse Stephan Weil regt zum Denunziantentum an und SPD-Sozialministerin Carola Reimann möchte, dass wir uns notieren, mit wem wir den Tag über Kontakt hatten. Wann wir der Posten des Blockwarts wieder eingerichtet, der diese Informationen zentral zusammenführt?

Das alles ist Balsam für die Aluhutträger und Coronaleugner, die damit natürlich Futter für ihre kruden Verschwörungstheorien bekommen. Aber ok, wenigstens sind wir den Wendler jetzt los.

Das zahlreiche Allgemeinverfügungen gekippt werden hält weitere Städte nicht ab, immer weitere und inhaltlich gleichlautende Verfügungen zu erlassen. Auch in Osnabrück; und wie zu erwarten war,  wird die Allgemeinverfügung zumindest hinsichtlich der Kneipenöffnungszeiten auch schnell wieder gekippt. Eine Peinlichkeit für die Verantwortlichen der Stadt, aber auch für die im Osnabrücker Stadtrat vertretenen Parteien. Sie haben sich gegen diese zum Scheitern verurteilten Maßnahmen nicht positioniert und warten vermutlich die nächste Ratssitzung ab um sich dann nachträglich zu Wort zu melden. Warum auch, Corona rechtfertigt wohl, dass die Rolle der Parlamente außer Kraft gesetzt wird.

Anfang September sagte Jens Spahn noch, dass es generell richtig bleibe, dass Abstand, Hygiene und Alltagsmasken die „besten Waffen“ im Kampf gegen das Virus seien. Aber das ändert nichts daran, dass Mitte Oktober 2020 Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten sich persönlich(!) in Berlin treffen, um die Parole herauszugeben, bitte soziale Kontakte nach Möglichkeit einschränken. Die eigenen Grundsätze gelten wohl für die Volksvertreter nicht, obwohl Mitte Oktober 2020 Videokonferenzen auch für diese möglich gewesen wären. Aber Gleiches ist nicht gleich.  Egal, die neuen Maßnahmen werden besprochen: Schwimmbad zu, Theater zu, Kino zu, Kosmetikstudio zu, Reisen nicht mehr in Deutschland, Familienfeiern sind nicht wichtig, also beschränken oder verbieten.  Gastronomie dicht. Fliegen nach Malle? Klar, erlaubt.

Gastronomie dicht? Hat das Robert Koch Institut nicht gesagt, dass die Gastronomie nicht das Problem sei? Egal, „dichtmachen“ ist jetzt die Devise. Es geht ja nur um ein paar Wirte, deren Existenz bedroht ist, ach und um die Vollzeit-Angestellten, um die 450 Euro Hilfskräfte, die sich etwas dazuverdienen müssen oder wollen, aber keine Entschädigung bekommen, um Lieferanten, Vermieter, Altersvorsorgen etc.. Irgendwas muss ja dicht gemacht werden. Nehmen wir doch einfach die Branche mit der schwächsten Lobby.

Sind alle Maßnahmen Blödsinn, ist Corona nur ein Mittel uns zu beugen und zu knechten? Ganz klar: NEIN! Corona ist nicht zu leugnen, Corona ist nicht zu unterschätzen und wir müssen vernünftige Maßnahmen ergreifen, um das Leben unserer Mitmenschen und der Schwächeren zu schützen. Das steht außer Frage. Hygiene muss eingehalten werden, Masken helfen, Impfungen hoffentlich bald auch.

Nur muss bei jeder Maßnahme auch die Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Vor allem aber müssen die Folgen aller Maßnahmen im Vorhinein abgeschätzt werden. Ich fürchte, dass dieser Weitblick bislang fehlt.

Gut wäre es, wenn in solchen Fällen eine Expertenkommission einberufen werden würde,  die nicht nur medizinische, sondern auch juristische und volkswirtschaftliche Folgen abwägt und die oft fachfremden Minister berät.  Immer wenn es passt, macht die Kanzlerin das ja auch, zumindest ansatzweise. Deswegen berief sie sich lange Zeit auf „ihren Virologen“ Drosten und das RKI. Nun, wo das RKI nicht die richtige Lageeinschätzung zur Rolle der Gastronomie „liefert“, bleiben die Fachleute außen vor.  Auch von der Leopoldina, deren Experten zu Anfang der Pandemie häufig um Rat befragt wurden, hört man erstaunlich wenig in letzter Zeit. Ist jetzt alles nur noch Politik?

Hier finden Sie alle bislang erschienenen “Morgen-Kommentare”.


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