Haben wir Sie in den April geschickt? Darf man das eigentlich in Zeiten von Corona und sozialer Distanzierung?
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
„Das Mögliche denken“, ist meiner Ansicht nach das perfekte Rezept für einen guten Aprilscherz. Die Reaktionen auf unseren „Haseflyer“, die Seilbahn, die den öffentlichen Personennahverkehr in Osnabrück revolutionieren soll, wurde ganz offensichtlich von einigen Lesern für möglich gehalten. April, April; ich hoffe, Sie konnten und können auch darüber lachen!
Tatsächlich ist eine Seilbahn als Massentransportmittel eine feine Sache und wird inzwischen längst nicht mehr nur dafür eingesetzt um Menschen auf Berge zu bringen. Berge, von denen sie dann vorzugsweise per Ski wieder herunterfahren, um dann wieder in die Seilbahn zu steigen, um dann wieder den Berg herunterzufahren … und so weiter.
Beispiele für den bereits gelungenen Einsatz dieser bewährten Technologie im Flachland, oder für ernstzunehmende Planungen, gibt es inzwischen viele. Die Seilbahnen haben ihren Siegeszug auch in den Städten angetreten!
So werden in Orlando/Florida mehrere Disney-Themenparks und Hotels seit vergangenem Herbst mit einer „Skyliner“ genannten Seilbahn verbunden. Der Skyliner verfügt auch über Umsteigeverbindungen, wie in unserem Aprilscherz beschrieben, und ist mit den anderen Nahverkehrsangeboten rund um die Themenparks verbunden. Vorteil für Disney: Geringer Personalaufwand, geringe Betriebskosten und erstaunlich geringe Baukosten. Was will man eigentlich mehr von einem modernen Massentransportystem?
Ach ja: Zwischen Planungsbeginn und Fertigstellung vergingen in Orlando weniger als drei Jahre! Die Technik für die Anlage war bei einem Hersteller aus der Schweiz bereits fertigentwickelt zu haben. Auf bereits bestehende Technologie setzt auch die Landeshauptstadt München, die ihre Verkehrsprobleme ebenfalls „schwebend“ in den Griff bekommen will und eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben hat. Die Bayern loben bereits im Vorfeld die erwarteten geringen Baukosten und die kurze Bauzeit, die nicht vergleichbar sein sollen mit denen einer U-Bahn.
Der in unserem Aprilscherz genannte norwegische Hersteller Skämt&Bedrager AB existiert übrigens nicht. Die Namensbestandteile waren auf die entsprechenden Übersetzungen aus dem Schwedischen bzw. Norwegischen verlinkt. Eine Firma mit dem Namen „Scherz&Betrüger“ hätte es in Skandinavien sicher schwer. Und auch die Startup-Gründerin Avril Skämt (Avril = französisch „April“, Skämt = schwedisch „Scherz“) war ein deutlicher Hinweis auf den scherzhaften Hintergrund dieser „Innovation“.
Wenig lustig wird es nach der Corona-Krise vermutlich aber tatsächlich für die Stadtwerke und die städtischen Bühnen, die ebenfalls eine Rolle in unserem Aprilscherz bekommen haben. Während die Stadtwerke tatsächlich bereits vor diesem Frühjahr massive Probleme hatten den regulären Busverkehr aufrecht zu erhalten, dürften die Aussichten auf die Finanzierbarkeit einer Theaterrenovierung in Höhe von 80 Millionen Euro aktuell zumindest auf wackeligen Füßen stehen.
Allerdings könnten Fördermittel des Bundes vielleicht auch gerade die Theaterrenovierung und eine Neukonzeption des öffentlichen Nahverkehrs auf den Weg bringen; aus der Bundespolitik sind schon entsprechende Pläne zu hören, mit Investitionen die Wirtschaft wieder ankurbeln zu wollen.
„Aus dem Bauch heraus“ habe ich das Gefühl, dass die allermeisten Osnabrücker, wenn sie denn wählen könnten, sich eher für einen verbesserten Nahverkehr (mit oder ohne Seilbahnsystem „Haseflyer“) entscheiden würden, als für ein teuer renoviertes Stadttheater.
Die öffentliche Diskussion über wegfallende Busverbindungen in der aktuellen Krisenzeit ist jedenfalls deutlich lauter als die Stimmen derer, die darauf hoffen, dass das Theater bald wieder öffnet.
Wir werden sicher neue Prioritäten setzen müssen, wenn der Alltag zurückkehrt!
Das Lachen und die Scherze will ich mir aber nicht verbieten lassen. Allerdings habe ich auch Verständnis für diejenigen, die gestern auf Aprilscherze verzichtet haben. Persönlich freue ich mich, dass unser Aprilscherz bei einigen Lesern sicher für ein Lächeln gesorgt hat.
Und vielleicht bekommen wir ja wirklich bald einen „Haseflyer„? Niedrige Bau- und Betriebskosten und ein Transport „über den Stau hinweg“, sprechen eindeutig dafür! Alternativ wird ja auch der Einsatz des „Sungliders“ für Osnabrück geprüft.
Und das Jugendstilgebäude am Domhof muss ja auch nicht vom Theater zum „Gondelbahnhof“ umgebaut werden, doch „etwas kleiner“ geht es in Zukunft sicher auch? Das Wort „kostendeckend“ sollte bei einer Neubewertung der Theaterrenovierung und des zukünftigen Spielplans kein Tabu mehr sein. Aber ich schweife ab…
Jetzt gilt erstmal: Bleiben Sie gesund!
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