Guten Abend,
ich hoffe, alles ist gut!
Sie haben es bestimmt auch schon mitbekommen: überall ist Herbst. Die Zeit rast dahin, der Sommer ist nur noch eine vage Erinnerung, ein paar verblasste Bilder von Sonne, von Strand, Meer und leuchtend grünen Wiesen. Vergangenheit. Ein Blick aus dem Fenster auf die grauen Wolken am Himmel, auf den regennassen Asphalt und die menschenleeren Straßen – und man weiß einfach, daß die schönen hellen Tage vorbei sind. Die Uhr wird mal wieder auf Winterzeit umgestellt, das nervende Halloween-Fest rückt unausweichlich näher, dann die toten Sonntage und am Ende ist Weihnachten.
Das Jahr ist gelaufen und eine gewissen Melancholie macht sich vielerorts breit.
Ich bin vor ein paar Tagen am Herrenteichswall spazieren gegangen, weil ich nach einer durchzechten Nacht einen klaren Kopf brauchte und weil mir die frische Luft immer wieder gut tut. Man wird schließlich nicht jünger.
Da kam mir ein junges Pärchen entgegen, Arm in Arm, ziemlich verliebt, freudestrahlend und ganz in sich selbst versunken. Ich wurde neidisch und nachdenklich zugleich. Den beiden Verliebten schien das Osnabrücker Schmuddelwetter nichts auszumachen, sie grinsten übers ganze Gesicht wie zwei Honigkuchenpferde. In ihren Augen war das zu erkennen, was das Leben und die Liebe ausmacht: die Freude auf die Zukunft, auf jeden gemeinsamen Augenblick, auf die Abenteuer, die noch zu bestehen sind. Die beiden genügten sich selbst, sie brauchten niemanden zu ihrem Glück, denn sie hatten es selbst in die Hand genommen. In ihren Augen war keine Spur von Sehnsucht nach dem starken Staat, nach Vorschriften und Verordnungen, nach einem TTIP-Abkommen, einem Nichtraucherschutzgesetz oder einer Vorratsdatenspeicherung, nach mehr Politessen zur Überwachung des ruhenden Verkehrs oder einer Baumschutzsatzung. Davon wollten die beiden offensichtlich nichts wissen. Dabei sind sie es doch, wofür diese ganzen Dinge erfunden und umgesetzt werden. Der ganze Zinnober soll ihnen helfen, sich im Leben zurechtzufinden, man will sie vor den unzähligen Gefahren, die täglich auf uns lauern, beschützen. Ob sie diese Hilfe wollen, danach wird nicht gefragt. Schließlich meint man es ja nur gut. Wirklich? Ich habe da so meine Zweifel.
Ich glaube, der Staat mit seinen zahlreichen mehr oder weniger nützlichen Institutionen, mit seinen Helfern und Helfershelfern nimmt sich viel zu wichtig. Er soll für die Menschen da sein, und er soll seine Daseinsberechtigung vor allem darin sehen, das Leben der Menschen einfacher und besser zu machen. Leider ist davon oft nicht viel zu spüren. Ganz im Gegenteil: alles scheint immer komplizierter zu werden, immer unübersichtlicher, immer unverständlicher. Und statt den Menschen ein Gefühl der Sicherheit, des Zusammenhalts und der Zugehörigkeit zu geben, statt komplizierte Sachverhalte zu erklären und Dinge auf den Punkt zu bringen, stattdessen wird vor allem viel rumgeschwafelt und mit immer neuen Verordnungen gedroht. Ich finde das nicht gut.
Der Staat muß für die Menschen da sein, nicht die Menschen für den Staat. Wir erleben zur Zeit eine Entwicklung, die genau das Gegenteil bewirkt, und weit und breit regt sich kaum Widerstand. Der Staat wird immer stärker und seine Bürger werden immer schwächer. Wohin soll das führen?
Natürlich müssen die ganz großen Dinge angepackt werden, die Flüchtlingskrise, die Zukunft Europas, der Frieden in der Welt. Aber vor allem anderen muß das Leben lebenswert sein. Das ist die Aufgabe des Staates. Daran hat er zu arbeiten. Für die Menschen, die in ihm leben. Der Rest sind nur Details. Wir sollten das nicht vergessen.
Bis nächsten Freitag und liebe Grüße!
Ihr
Justus Möser
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