Guten Abend,
ich bin jetzt auch unter die besorgten Bürgern gegangen.
Dabei sind es nicht die großen, weltbewegenden Themen, die mich umtreiben. Gegen Flüchtlinge und die Eurozone sollen andere demonstrieren. Mich beunruhigt vielmehr das schlechte Benehmen, das in unserer Gesellschaft immer weiter um sich greift. Eine gewisse Rücksichtslosigkeit, ein hemmungsloser Egoismus, der sich unter dem Deckmantel des Klimaschutzes und der Rettung der Regenwälder eine Legitimation verschafft, die offensichtlich alle Regeln eines fairen Umgangs mit seinen Mitmenschen außer Kraft setzt. Die Speerspitze dieser Bewegung sind die Radfahrer.
Vor einiger Zeit prangte auf den Mauern des Stadthauses ein riesengroßes Transparent. Auf dem war zu lesen: „Das größte DANKESCHÖN Osnabrücks. Für euch, Radfahrer!“ Diese Aktion hat mich seinerzeit ziemlich irritiert. Ich finde, auf diesem Transparent hätte stehen müssen: „Vielen Dank, liebe ehrliche Steuerzahler, daß ihr Monat für Monat den Laden am Laufen haltet. Wir versprechen euch, daß wir die Verschuldung unserer Stadt konsequent reduzieren werden, damit für euch ein bißchen mehr zum Leben bleibt!“ Aber auf diesen Gedanken ist im Stadtrat wohl niemand gekommen. Stattdessen wurde die Lobhudelei an die Radfahrer auch noch als grandiose ökologische Tat gepriesen, als ein Meilenstein auf dem schweren Weg zu einem porentief reinen Osnabrück.
Die Radfahrer haben das Transparent irgendwie mißverstanden. Waren sie vorher schon die Verkehrsteilnehmer mit der höchsten Immunität gegen Straßenschilder, Verkehrsregeln und den gesunden Menschenverstand, der im Straßenverkehr ja nicht ganz unwichtig ist, so scheinen nach der Aktion mit dem Transparent jetzt alle Hemmungen zu fallen. Die ordnungsgemäße Beleuchtung eines Fahrrades, die nicht zuletzt der eigenen Sicherheit dient, ist ein Luxus, den sich nur noch die wenigsten Radfahrer leisten. Wahrscheinlich ist das zu uncool. Man fährt auch gerne mal entgegen der Fahrtrichtung oder auf den Fußgängerwegen, ignoriert rote Ampeln und die Regel, daß Zebrastreifen ausschließlich Fußgängern zur sicheren Fahrbahnquerung dienen sollen. Bei kürzlich durchgeführten Verkehrskontrollen der Polizei wurden 116 Radfahrer wegen dieser Verstöße verwarnt. Zeitgleich verwarnte man auch 31 Autofahrer. Bei denen ging es um die Nichteinhaltung der Gurtpflicht und Telefonieren während der Autofahrt.
Es ist etwas in Schieflage geraten in unserer Gesellschaft. Die Gefährdung von Menschenleben, des eigenen und auch das der übrigen Verkehrsteilnehmer, wird als Kavaliersdelikt abgetan, als Kollateralschaden im Dienste der guten Sache. Der Heiligsprechung durch die Politik folgt eine agressive Durchsetzung des vermeintlichen Rechtes, sich möglichst schnell fortzubewegen. Im Stau stehen sollen die anderen, sie haben gefälligst Rücksicht zu nehmen auf die Interessen einer Gruppe, die vom graumelierten Studienrat mit Rucksäckchen bis hin zur fitnessbegeisterten blondierten Trulla von nebenan immer größere Bevölkerungsgruppen umfaßt. Sie alle eint das Bewusstsein, im Dienste einer guten Sache zu stehen. Schließlich wurde ihnen Osnabrücks größtes DANKESCHÖN zuteil. Von wem auch immer. Fußgänger und Autofahrer sind die Feindbilder, Busse werden zumindest toleriert, vielleicht auch nur wegen ihrer schieren Größe. Sich mit ihnen anzulegen wäre eine echte Kamikaze-Aktion und immerhin sind sie ja auch ein bißchen umweltfreundlich. Das macht die Busse im Bewußtsein der Radfahrer zu Verbündeten. Dieses Bündnis hört dann aber auch schon an der nächsten Straßenecke auf, wenn ein privatgewerblicher LKW auftaucht. Da kommt dann ganz schnell wieder das alte Feindbild durch, der Hass auf alles, was einen Motor hat und sich schneller bewegt als man selbst. Einem LKW zeigen Radfahrer besonders gerne, wo der Hammer hängt und daß der Respekt vor toten Winkeln beim Rechtsabbiegen nur für die anderen gilt. Die Konsequenzen eines solchen Verhaltens sind hinlänglich bekannt.
Ich wünsche mir mehr Verständnis für den anderen, mehr Rücksichtnahme und Zusammenhalt zwischen uns Menschen, ganz gleich ob wir ein Gas- oder Tretpedal unter unseren Füßen haben. Und zu guter Letzt ein wenig mehr Nachdenklichkeit von Seiten der politisch Verantwortlichen in unserer Stadt. Sie sollten unparteiischer sein und die Folgen ihres Handelns bedenken. Sie sollten die Radfahrer nicht ermutigen, sich auf Osnabrücks Straßen wie Billy the Kid im wilden Westen zu bewegen. Vielleicht gäbe es dann auch weniger Unfälle. Der Wolfgang Griesert kann sich doch einfach mal hinstellen und sagen: „Danke, liebe Osnabrücker, daß wir wieder ein Jahr gemeinsam gewuppt haben. Seid nett zueinander und habt euch lieb. Prösterchen!“ Ich finde, das wäre eine schöne Weihnachtsbotschaft!
Ich wünsche allen Hasepost-Lesern ein tolles Wochenende und einen friedlichen vierten Advent.
Ihr
Justus Möser
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