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Mösers Meinung – zum Thema „Liebe“

Guten Abend,

wer Liebe will, der muß auch Liebe geben. So heißt es zumindest in einem bekannten Schlager. Man könnte auch sagen: wer Liebe will, muß freundlich sein. Freundlichkeit ist die Grundvoraussetzung für eine harmonische Beziehung, zwischen wem auch immer. Nun ist es mit der Liebe so eine Sache. Sie kommt meistens ganz unscheinbar daher, man rechnet mit nichts Bösen, und dann hat man sich plötzlich verliebt und die ganze Welt strahlt in den hellsten Farben. Und auf einmal ist alles anders. Man hat Schmetterlinge im Bauch und redet wirres Zeug. Liebe ist unterm Strich also eine höchst merkwürdige Angelegenheit. Am schlimmsten ist es, wenn die Liebe nicht erwidert wird. Dann kann man zwar versuchen, beim Objekt der Begierde einen Funken Leidenschaft zu entzünden, aber das ist meistens ein sehr schwieriges Unterfangen, das häufig in Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung endet. Nicht ohne Grund heißt es in einem weiteren Schlager, den ich an dieser Stelle zitieren möchte: „Die Liebe ist ein seltsames Spiel.“

Ich habe gestern Abend einen guten Bekannten getroffen. Er war völlig aufgelöst, weil sein Auto grade abgeschleppt worden war. Er hatte es vor dem Stadthaus geparkt, auf einem Behindertenparkplatz. Gegen 20 Uhr. Um im Restaurant des anliegenden Hotels eine Kleinigkeit zu speisen. „Justus“, sagte er mir unter Tränen, „ich habe doch nie im Leben damit gerechnet, daß um diese Uhrzeit noch jemand von der Stadt unterwegs ist. Da ist doch im Stadthaus gar kein Publikumsverkehr mehr, da habe ich doch niemandem geschadet. Und dann sowas. Aber warum lassen die gleich abschleppen? Ein Knöllchen hätte doch gereicht!“ Ich nahm den Mann tröstend in den Arm und habe mir meinen Teil gedacht. Der Krieg gegen die Autofahrer geht in Osnabrück trotz oder gerade wegen der Wiederöffnung des Neumarkts mit unverminderter Heftigkeit weiter. Ich weiß nicht, welcher dienstbeflissene Beamte so spät am Abend noch den Abschleppdienst gerufen hat. Meiner Ansicht nach hat er nicht die Verhältnismäßigkeit der ihm zur Verfügung stehenden Mittel abgewogen, um im ruhenden Verkehr für Ordnung zu sorgen. Er hat sozusagen überreagiert, vielleicht hatte er einen schlechten Tag, vielleicht war ihm das Handy ins Klo gefallen oder seine Frau ist mit einem anderen Mann durchgebrannt. Man weiß es nicht. Wahrscheinlich hat ihm das Rufen des Abschleppdienstes den Tag gerettet; hier konnte er endlich ein bißchen Macht demonstrieren und der ganzen Welt zeigen, wer am längeren Hebel sitzt. Ich gehe davon aus, daß er trotz allem Kummer und aller Sorgen mit einem Lächeln auf dem Gesicht eingeschlafen ist. Die schlechte Laune, die Selbstvorwürfe und die Verzweiflung meines guten Bekannten werden ihm egal gewesen sein. Der Beamte hatte seine Pflicht erfüllt, er hatte der Obrigkeit zu ihrem Recht verholfen. Auf der Grundlage eines solchen Handelns, einer solchen Geisteseinstellung können Liebe, Freundlichkeit und Verständnis füreinander nicht gedeihen.

Moesers Meinung zum Thema Liebe

Den Staat wundert es mit zunehmender Häufigkeit, warum sich immer mehr Bürger von ihm abwenden, sich mit ihm nicht mehr identifizieren wollen oder können. Ich halte das für eine höchst bedenkliche Entwicklung. Ich wünsche mir, daß die Bürger die Liebe für ihren Staat neu entdecken. Aber zur Liebe gehören bekanntlich immer zwei. Es kann nicht sein, daß die eine Seite bedingungslose Liebe einfordert, das Einstehen für die Grundwerte eines glücklichen und unbeschwerten Zusammenlebens, aber auf der anderen Seite jemand steht, der zusehends ignoriert wird, der als braver Steuerzahler zwar der Wohlstandsmehrung und dem reibungslosen Funktionieren des Staates dienen darf, dem aber ansonsten höchstens noch vor irgendwelchen Wahlen ein Minimum an Aufmerksamkeit zuteil wird. Der Staat darf sich nicht wundern, wenn die Liebe, die er permanent einfordert, schon lange nicht mehr erwidert wird. Er muß seine Aufmerksamkeit den Bürgern schenken, sie sollten für ihn das bedingungslose Maß aller Dinge sein. Jemand, der fremdgeht, der lügt und betrügt, und sei es auch um einer guten Sache willen, der macht die Liebe kaputt. Ein letztes Mal will ich deutsches Liedgut zitieren: „Ein Herz kann man nicht reparieren; ist es einmal entzwei, dann ist alles vorbei.“ Der Staat sollte sich gut überlegen, wie er mit seinen Bürgern umgeht. Die Landtagswahlen am vergangenen Wochenende waren mehr als ein Warnsignal, sie waren kalter Liebesentzug. Da nützt irgendwann auch die beste Ehe- und Partnerschaftsberatung nichts mehr; wenn die Liebe vergeht, dann ist sie in den meisten Fällen unwiederbringlich verloren.

Was mich bei dieser Sache mit der Liebe am meisten stört, ist die Unnötigkeit, mit der der Staat seine Bürger vergrault. Gerade die Deutschen haben im Großen und Ganzen ein sehr inniges Verhältnis zu ihrem Staat. In früheren Zeiten haben sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach dem Staat gerufen. Der Staat war so etwas wie die Werkstatt für alles, was schiefgelaufen war im alltäglichen Miteinander seiner Bürger. Doch dieses Gefühl herrscht seit einigen Monaten nicht mehr vor. Der Staat wird allmählich als Bedrohung empfunden, als Plagegeist, der seinen Bürgern unnötige Opfer abverlangt, unverständliche Entscheidungen trifft und viel mehr haben will, als er selber zu geben bereit ist. Der Staat sollte bedenken, daß seine vordringlichste Aufgabe in der Fürsorge für seine Bürger besteht. Wenn er dieser Aufgabe nicht mehr nachkommt, dann hat er seine Legitimation verloren. Ich mag im Moment nicht beurteilen, ob es schon so weit gekommen ist. Möglicherweise befinden wir uns auch nur in einer Art Krise, wie sie in jeder guten Ehe durchaus mal vorkommen kann. Dann sollte man sich zusammenraufen und wieder miteinander reden. Der Staat möge hierbei endlich den ersten Schritt tun. Denn er hat diese Krise verursacht. Vielleicht wird alles wieder gut. Es sieht leider nicht danach aus.

Ich wünsche allen Hasepost-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu kritisieren gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.


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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

  

   

 

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