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Mösers Meinung – zum Thema „Beleidigungen“

Guten Abend,

sind Sie in letzter Zeit mal so richtig beleidigt worden? Oder hat Ihnen nur jemand ordentlich die Meinung gesagt, weil er Ihr Verhalten nicht in Ordnung fand? Die Grenzen sind fließend, zwischen beleidigen und kritisieren ist es oft nur ein schmaler Grat. Und auf dieser Gratwanderung kann viel passieren, man kann jemanden verletzen, man kann Freunde verlieren, man kann Zustimmung gewinnen, man kann sich aber auch ganz unverhofft ins gesellschaftliche Abseits katapultieren. Oft wird eine freie Meinungsäußerung als Beleidigung verstanden, dann droht schnell die rechtliche Auseinandersetzung und die Anwälte freuen sich. Ich finde, die schönsten Beleidigungen sind die, die der Betroffene zunächst gar nicht als solche empfindet. Von denen er sich eventuell sogar geschmeichelt fühlt. Sie sind zum Beispiel reihenweise in Arbeitszeugnissen zu finden, die Krönung ist die Floskel „Er/Sie zeigte Verständnis für die ihm/ihr aufgetragenen Arbeiten“. Schlimmer geht nimmer. Nicht jedes liebe Wort ist auch als solches gemeint, und die fiesesten Gemeinheiten kommen oft erst im Nachhinein ans Tageslicht. Man sollte deshalb vorsichtig im Umgang mit anderen Menschen sein. Viele lachen einem strahlend ins Gesicht und sind doch nur darauf aus, zu verletzen und niederzumachen, um sich selber besser zu fühlen. Es gibt die üble Nachrede, es gibt den Straftatbestand der Beleidigung und Bedrohung, es gibt den Stinkefinger und die geballte Faust. Im nonverbalen und natürlich vor allem im verbalen Bereich finden unsere Mitmenschen immer wieder zahlreiche Möglichkeiten, ihr Mißfallen über uns kundzutun und das auch sehr deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das ist mehr als menschlich, Konflikte können ja durchaus eine reinigende und befreiende Wirkung haben, wenn sie denn offen ausgetragen werden. Ich verachte die Hinterlist, das `hinter dem Rücken reden´, die Feigheit, die offen zutage tritt, wenn man jemanden in dessen Abwesenheit schlecht macht. Dieses Verhalten ist sozial schädlich, es fördert das Mißtrauen zwischen den Menschen und macht Verbündete zu Feinden. Aber dieses Verhalten ist wohl so alt wie die Menschheit; viele von uns neigen dazu, sich selber zu erhöhen und den anderen zu erniedrigen. In der Politik wird sowas gerne als ´schwarze Propaganda` bezeichnet, als gezielte Desinformation, um den Gegner zu schwächen. Joseph Goebbels war ein Meister darin, und auch heute nutzen die Öffentlichkeitsarbeiter überall auf der Welt gerne mal ein unbewiesenes Gerücht, um eine mißliebige Person oder Partei zu diskreditieren. Im Zeitalter des Internets verbreiten sich solche Gerüchte mittlerweile in rasanter Geschwindigkeit. Und wir sind nur allzu gerne bereit, ihnen Glauben zu schenken, wenn sie denn in unser Weltbild passen. So kursieren immer mehr Lügen und Unwahrheiten, immer mehr falsche Verdächtigungen und Beschuldigungen, und schließlich mag man niemandem mehr so recht Glauben schenken, weil alles geäußerte einen faden Beigeschmack von Fantasterei und Verschwörungstheorie hat.

Mösers Meinung Erdogan

Ein Meister in der Absonderung kruder Halbwahrheiten und dem Verdrehen von Tatsachen ist der amtierende türkische Staatspräsident. Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Für ihn haben die Muslime Amerika entdeckt, für ihn ist Integration der Untergang der eigenen Kultur, kritischer Journalismus ist Teufelszeug und alles, was sich in irgendeiner Form gegen seine Person richtet, ein direkter Anschlag auf die Türkei. Natürlich werden alle Probleme aus dem Ausland gesteuert. Zur Zeit ist dieser Mann wieder einmal schwer beleidigt. Deutsche Medienmacher haben einen alten Nena-Song auf seine Person umgetextet und mit mehr oder weniger lustigen Bildern versehen. Es gibt einige kritische Anmerkungen zur aktuellen weltpolitischen Lage, aber das Ganze ist deutlich als Satire zu erkennen, als ironischer Beitrag zum Handeln der maßgeblichen Politiker in Deutschland und der Türkei. Ein Staatsoberhaupt sollte eigentlich über solchen Dingen stehen, sich vielleicht sogar die ein oder andere Kritik zu Herzen nehmen und sein Handeln überdenken. Aber nichts davon ist im Verhalten des türkischen Präsidenten zu finden. Keine Spur von Humor, nirgends. Gefährlich wird dieses Verhalten, wenn Satire zum Spielball politischer Interessen verkommt, wenn versucht wird, dadurch einmal mehr die freie Meinungsäußerung unter Druck zu setzen, zu unterdrücken, zu verhindern, zu verbieten. Was bildet sich dieser Mensch ein, einen eher harmlosen Fernsehbeitrag als Mittel zur weiteren Beschneidung der Freiheit zu nutzen. Wir sollten uns das nicht gefallen lassen! Ich vermisse von unseren führenden Politikern klare Worte, die dieses Verhalten in die Schranken weisen und klarstellen, daß die freie Meinungsäußerung ein wesentlicher Bestandteil unseres Staatsverständnisses ist. Und daß freie Meinungsäußerung nichts mit einer Beleidigung zu tun hat. Sie ist eher als konstruktiver Beitrag zur politischen Kultur zu verstehen und sollte alleine schon deshalb positiv bewertet werden. Aber eine Äußerung in dieser Richtung wird von führenden deutschen Politikern nicht getätigt. Ich finde auch, daß der Begriff der Beleidigung beim Umgang mit und der Bewertung von politischem Handeln anders zu definieren ist als im engen zwischenmenschlichen und persönlichen Bereich. Politiker haben gefälligst scharfe Kritik an ihren Entscheidungen zu ertragen. Und wenn sie das nicht können, dann sollten sie abdanken. Die Zeiten des Absolutismus sind doch Gott sei Dank vorbei; wie kommen also irgendwelche Machthaber dazu, sich über andere Menschen zu stellen?! Sie dürfen sich alles erlauben, aber sie zeigen keinerlei Verständnis und Gnade für die, die mit ihrem Gebahren nicht einverstanden sind. Vielleicht sind die Machthaber in Deutschland so schweigsam, weil ihnen das Verhalten des türkischen Staatspräsidenten insgeheim gefällt, weil sie es gutheißen, daß er die kritischen Stimmen zum Schweigen bringen will. Mir wird ganz schlecht, wenn ich darüber nachdenke. Und ich fühle mich als freier und mündiger Bürger zutiefst beleidigt!

Ich wünsche allen Hasepost-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu kritisieren gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.


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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

  

   

 

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