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Mösers Meinung: Über die Diktatur der Türsteher

Guten Abend,

ich bin kein großer Freund von sozialer Kontrolle. Denunziantentum und Blockwartmentalität schwingen unterschwellig in diesem Terminus mit, der Obrigkeits- und Überwachungsstaat läßt grüßen. Wenn jeder von uns seine Mitmenschen auf regelkonformes Verhalten zu überprüfen hat, dann sind Mißgunst, Neid, Willkür und dem Begleichen von persönlichen Rechnungen Tür und Tor geöffnet. In diesen schrecklichen Corona-Zeiten ist gut zu beobachten, wohin unsere Gesellschaft die Kontrolle durch übereifrige Bürger führt: in ein Klima der Angst, in eine Verschärfung der gesellschaftlichen Spaltung, in ein abgrundtiefes Mißtrauen dem anderen gegenüber. Jegliches Fehlverhalten wird durch sofortige Meldung an die übergeordneten Stellen gnadenlos abgestraft, für Toleranz ist kein Spielraum mehr. Ein Klima der Angst, gepaart mit dem seligen Bewusstsein, einer höheren Sache zu dienen, hat sich über dieses Land gelegt.

Kürzlich wollte ich in einem Elektronikfachmarkt eine DVD erwerben. Nun ist es im Moment nicht weit her mit dem unbeschwerten Einkaufsvergnügen. Am Eingang des Marktes wurde ich vom Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma über wesentliche Verhaltensvorgaben, sprich Abstands- und Hygieneregeln, während meines Aufenthaltes belehrt. Ich schien dem Mann wohl nicht konzentriert genug gelauscht zu haben, denn irgendwann forderte er durch ein eher unfreundliches „Zuhören!“ meine gesteigerte Aufmerksamkeit ein. Ich habe daraufhin meinen Einkauf abgebrochen. Denn ich möchte mich nicht von Türstehern maßregeln lassen, die für den Hinweis auf die zwingende Mitnahme eines Einkaufskorbes eine Autorität einfordern, die ihnen auf keinen Fall zusteht. Wir haben in den letzten Wochen einen so grundlegenden Verzicht auf elementare Freiheitsrechte mitgemacht, daß es uns allen wirklich gut zu Gesicht stünde, eine größtmögliche Sensibilität für jede Möglichkeit zu entwickeln, diese Freiheiten zurückzuerobern. Dabei muss der Gesundheitsschutz nicht hintenanstehen, ihm kann trotzdem die notwendige Wichtigkeit zuteil werden. Aber eine Diktatur der Türsteher ist doch nun wirklich das Allerletzte, was wir brauchen, um in der Bevölkerung ein gewisses Verständnis für die derzeit geltenden Einschränkungen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens zu erzeugen. 

Wenn ich Menschen von etwas überzeugen möchte, dann muss ich ihnen positive Angebote machen, dann muss ich sie mitnehmen, begeistern, auf meine Seite ziehen. Das wäre in diesen Tagen die Hauptaufgabe der Politik. Und nicht das Hervorrufen von all den schlechten Eigenschaften, die zweifelsohne jedem von uns innewohnen: dem Fingerzeig auf die, die mehr dürfen als wir selbst, der üblen unbewiesenen Nachrede, dem Anschwärzen und Schlechtmachen. Wenn nach der Corona-Krise die Sehnsucht nach dem starken Staat gegen die Freiheit gewonnen hat, dann haben wir alle etwas verloren, was unwiederbringlich ist. Aber vielleicht merken wir das dann schon gar nicht mehr.

Ich wünsche allen HASEPOST-LESERN einen Sonntagabend, an dem es nichts zu mösern gibt.

Ihr

Justus Möser

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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

  

   

 

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