Unser wohl ältester Mitarbeiter meldet sich zurück! Unsere Leserinnen und Leser lieben ihn oder sie lehnen ihn und seine Ansichten oft auch vehement ab. Genau wie sein historisches Vorbild macht „unser Justus“ aus seiner liberal-konservativen Weltanschauung keinen Hehl, und das schon seit mehr als 100(!) Kolumnen, die bereits seit 2015 exklusiv bei der HASEPOST erscheinen.
Guten Abend,
der Diplom-Sozialwirt Volker Bajus, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der Grünen im Osnabrücker Stadtrat, gibt sich nicht gerne mit Petitessen zufrieden. Angesichts des erneut gefassten Beschlusses für eine Neumarktsperrung durch unter anderem auch Ratsmitglieder der CDU sprach er von einem nach angeblich über 20jähriger Diskussion endlich erreichten ‚Neumarktfrieden‘.
Ich halte diese Militarisierung der Wortwahl für einen Kommunalpolitiker reichlich unpassend. Einem Frieden ist immer ein Krieg vorausgegangen, und davon kann bei dem jahrzehntelangen Ringen um Lösungen für den Neumarkt wohl kaum die Rede sein. Die mehr als 30jährige (sic!) Geschichte der Versuche, den Neumarkt im Hinblick auf seine Attraktivität für Bürger und Gewerbetreibende zu verbessern, ist eher ein Lehrbeispiel für Dilettantismus und ideologisch bedingte Unbelehrbarkeit. Hierbei spielen die Parteifreunde von Volker Bajus und er selbst leider eine unrühmliche Hauptrolle. Denn Frieden scheint für die Osnabrücker Grünen erst dann zu herrschen, wenn ihre politischen Vorstellungen bei Entscheidungsfindungen mindestens im Großen und Ganzen, besser aber vollumfänglich berücksichtigt werden.
Ich habe meine Zweifel, ob nun wirklich für alle Osnabrücker Bürger Frieden am Neumarkt herrscht. Zum einen sieht die dortige Fläche inklusive zahlreicher Außenfassaden eher wie ein Schlachtfeld als wie ein Ort der Ruhe und des Verweilens aus. Die sehr grenzwertige Verhüllung des ehemaligen Galeria-Kaufhauses wird den ganzen Sommer über mit behördlicher Billigung ihren wesentlichen Teil zu dem maroden Erscheinungsbild dieses einst als Prunkstück geltenden Innenstadtbereichs beitragen. Heute ziehen selbst Ein-Euro-Shops und Dönerläden lieber in B-Lagen, als sich unmittelbar am Neumarkt niederzulassen. Der jahrzehntelange Planungsstillstand, hauptsächlich bedingt durch die Blauäugigkeit führender Ratsmitglieder, fordert unerbittlich seinen Tribut. Fraktionsvorsitzende, die ihr Leben lang ausschließlich im öffentlichen Dienst, Vereinen und Verbänden gearbeitet haben, sind offensichtlich leichte Beute für Aufschneider und Hasardeure. In der freien Wirtschaft, gerade auch im Immobiliensektor, weht ein wesentlich rauerer Wind als bei Kinderhilfswerken oder in den warmen Stuben des Finanzamtes. Ansonsten gelten aber auch dort ähnliche Regeln wie in der Politik: man darf nicht alles glauben, was gesagt wird. Und nicht jeder angebliche Fortschritt ist gleichzeitig eine Verbesserung. Ganz im Gegenteil: Fortschritt um jeden Preis kann auch Verwirrung stiften, wie der grüne Bundeswirtschaftsminister soeben schmerzhaft erfahren mußte.
Ob es sich bei der nun geplanten Neumarktsperrung wirklich um einen Fortschritt handelt, das wird die Zukunft zeigen. Vielleicht bleibt es auch weitere Jahrzehnte bei der bloßen Ankündigung. Der grüne Stadtbaurat Frank Otte hat in den letzten Jahren für seine immer mal wieder durch die Hintertür versuchten Neumarktsperrungen soviel juristische Niederlagen erlitten, daß er bei einem erneuten Anlauf zumindest einen Hauch von Konzept, solider Finanzierung und Berücksichtigung der Interessen von Wallanwohnern beachten sollte. Davon kann allerdings nach wie vor nicht die Rede sein. Aber Hauptsache, es herrscht Frieden. Und der Neumarkt ruht sanft vor sich hin.
Ihr
Justus Möser
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