HASEPOST
 
HASEPOST

Mösers Meinung: Über den Anzeigenhauptmeister

Unser wohl ältester Mitarbeiter meldet sich zurück! Unsere Leserinnen und Leser lieben ihn oder sie lehnen ihn und seine Ansichten oft auch vehement ab. Genau wie sein historisches Vorbild macht “unser Justus” aus seiner liberal-konservativen Weltanschauung keinen Hehl, und das schon seit mehr als 100(!) Kolumnen, die bereits seit 2015 exklusiv bei der HASEPOST erscheinen.

Über den Anzeigenhauptmeister

Guten Abend,

passend zur deutschen Geschichte macht in jüngster Zeit ein selbsternannter Anzeigenhauptmeister von sich reden. Dabei handelt es sich um den 18jährigen Niclas M. aus Gräfenhainichen (das liegt in Sachsen-Anhalt). Dieser Bursche hat es sich zum Ziel gesetzt, durch ganz Deutschland zu touren und in jeder deutschen Stadt mindestens einen Falschparker anzuzeigen. Sein Vorhaben stößt nicht nur auf Gegenliebe. Erst kürzlich ist der junge Mann mit einer 32jährigen Dame aus Kaufbeuren in Bayern aneinandergeraten. Dabei ging er unvermittelt zu Boden und zeigte die Frau flugs wegen Körperverletzung bei der Polizei an. Auslöser für den Konflikt waren Handyaufnahmen, die Niclas M. von der Dame aus Bayern getätigt hatte und mit denen diese nicht einverstanden war. Nun droht eine juristische Auseinandersetzung. Die Dame bestreitet jegliche Handgreiflichkeit gegen den ‘Anzeigenhauptmeister’, dieser behauptet das Gegenteil.

Ich frage mich, ob ein 18jähriger nicht in der Lage ist, sich gegen eine Dame mittleren Alters erfolgreich zu wehren. Was mag das für ein Mensch sein, der in noch fast jugendlichem Alter nichts besseres zu tun hat, als Autofahrer zu denunzieren und ihm völlig unbekannten Personen finanziellen Schaden zuzufügen. Es kann ihm doch eigentlich völlig egal sein, ob im bayrischen Kaufbeuren irgendjemand falsch parkt. Was mag ihn zu dieser merkwürdigen Freizeitbeschäftigung getrieben haben? War es die traumatische Erfahrung der Corona-Jahre, in denen jegliches Aufbegehren gegen staatliche Maßnahmen einer Revolution gleichkam? Ist seine Mutter eine Politesse und seine Verhaltensstörung eventuell genetisch bedingt? Hat er einfach nur schwer einen an der Waffel und versucht, durch die Auseinandersetzung mit Falschparkern wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit zu erlangen?

Ich habe den Eindruck, dass dieser ominöse ‘Anzeigenhauptmeister’ stellvertretend für einen Menschentyp steht, der das Resultat von politischen Entwicklungen der letzten Jahre darstellt. Er gibt sich nicht länger nur damit zufrieden, dass man in zahlreichen Meldeportalen staatliche Stellen auf angebliches Fehlverhalten aufmerksam machen kann. Er will selber an die Front, so wie in den beiden Weltkriegen junge Männer für Kaiser, Führer, Volk und Vaterland ihr Leben gaben. Er scheut keinen Konflikt, um dem Staat zu seinem Recht zu verhelfen. Das mag auf den ersten Blick richtig sein, es zeigt aber gleichzeitig eine bedenkliche Entwicklung auf. Wenn jungen Menschen nichts besseres mehr einfällt, als ihre Mitbürger aus nichtigen Gründen bei den zuständigen Behörden anzuschwärzen, dann läuft in der gesellschaftlichen Entwicklung in diesem Land etwas gewaltig schief. Der ‘Anzeigenhauptmeister’ steht stellvertretend für all die Besserwisser, Schulmeister und Oberlehrer, die keine abweichenden Meinungen neben sich dulden. Wer in den Verdacht gerät, gegen die staatlichen Verordnungen zu verstoßen, der muss nunmal mit den härtesten Konsequenzen rechnen. Bis hin zur finanziellen und sozialen Vernichtung. Das hatten wir alles schonmal, das war Normalität in den finstersten Jahren der deutschen Geschichte.

‘Anzeigenhauptmeister’ Niclas M. sammelt jetzt übrigens Geld, um seine Marotte zu finanzieren. Er hat schon ca. 4.000 € beisammen. Welch eine Dekadenz und Staatshörigkeit lässt sich daraus schließen. Jeder Spender sollte sich gehörig schämen!

Ihr

Justus Möser

Hier gibt es alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.


[Gruß vom Herausgeber] Liebe Leserin, lieber Leser, schön, dass Sie es bis hier ganz unten geschafft haben. Ein paar Zeilen weiter finden Sie noch den obligatorischen Hinweis, dass gekennzeichnete Meinungsbeiträge stets ausschließlich die Meinung des Autors wiedergeben. Aber ich möchte diesem förmlichen Disclaimer noch etwas hinzufügen. Natürlich haben Sie, wie auch ich und jeder andere Leser, eine eigene Meinung. Vielleicht weicht Ihre Meinung fundamental von diesem oder einem anderen bei uns veröffentlichten Kommentar ab, vielleicht stimmen Sie aber auch vollkommen zu oder aber Ihre Meinung ist „irgendwo dazwischen“.
Vielleicht kann ein Kommentar in der Hasepost dabei helfen, neue Gedanken zu denken oder bestehende An- und Einsichten nochmals zu überdenken, dann haben wir und unsere Autoren etwas richtig gemacht und ganz generell zum Denken angeregt.

„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G Jung)
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.


Als Kommentar, Kolumne, Meinungsbeitrag oder Satire gekennzeichnete Beiträge geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht die der gesamten Redaktion.


Liebe Leserin und lieber Leser, an dieser Stelle zeigen wir Ihnen künftig regelmäßig unsere eigene Kommentarfunktion an. Sie wird zukünftig die Kommentarfunktion auf Facebook ersetzen und ermöglicht es auch Leserinnen und Lesern, die Facebook nicht nutzen, aktiv zu kommentieren. FÜr die Nutzung setzen wir ein Login mit einem Google-Account voraus.

Diese Kommentarfunktion befindet sich derzeit noch im Testbetrieb. Wir bitten um Verständnis, wenn zu Beginn noch nicht alles so läuft, wie es sollte.

 
Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

  

   

 

Diese Artikel gefallen Ihnen sicher auch ...Lesenswert!
Empfohlen von der Redaktion