Guten Abend,
„Die größte und wichtigste Wahrheit ist, daß jeder Mensch wechselweise klug und närrisch sei. Das Mehr oder Weniger in diesem Gemisch entscheidet den Menschen.“ Diese Worte habe ich vor 250 Jahren zu Papier gebracht, und ich finde, daß sie bis in die heutige Zeit Gültigkeit besitzen. Was nützt uns ein Höchstmaß an Klugheit, wenn wir es nicht wenigstens hin und wieder übers Herz bringen, uns von Narretei und Unvernunft leiten zu lassen und ein wenig über die Stränge zu schlagen. In Osnabrück haben wir dazu allerlei Gelegenheit, sei es am Ossensamstag, während der Maiwoche oder auf dem Weihnachtsmarkt. Die Maiwoche ist nun in vollem Gange, es ist also durchaus an der Zeit, vor die Tür zu gehen und ein wenig ausgelassen zu feiern. Dazu haben wir nämlich in den letzten Monaten nicht allzuviel Grund gehabt. Über das ganze Land hat sich seit dem Herbst vergangenen Jahres eine dunkle Wolke der Angst und Unzufriedenheit gelegt. Bedingt durch die Flüchtlingskrise manifestierte sich ein Riss in der deutschen Gesellschaft, der bis heute anhält und auch von den ökonomischen Erfolgen der deutschen Wirtschaft nicht mehr zu kitten ist. Begleitet von dem VW-Abgasskandal, der Affäre Böhmermann, fragwürdigen Deals mit selbstherrlichen Autokraten und einer unterschwellig immer noch drohenden Eurokrise gab es für die Bürger kaum Anlässe zu ausgelassenem Jubilieren und selbstvergessenen Ausschweifungen. Schlechte Laune kennzeichnet seitdem die Grundstimmung von Passau bis Flensburg, von Cottbus bis Gelsenkirchen. Vielleicht können die Osnabrücker diesem Pessimismus nun entschlossen entgegentreten und einfach mal fünfe grade sein lassen. Wenn wir ein wenig objektiv Bilanz ziehen, dann ist alles doch nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Der Neumarkt bleibt zunächst mal für den Automobilverkehr geöffnet, der Osnabrücker Schuldenberg wächst zwar rasant weiter, aber in den südeuropäischen Ländern ist alles noch viel schlimmer, und direkt nach der Maiwoche gibt es wieder jeden Mittwoch „Live im Grünen“ am Büdchen auf dem Westerberg. Zudem beginnt bald die Fußball-Europameisterschaft, mal wieder ohne unsere geschätzten holländischen Nachbarn, dafür aber diesmal mit 24 Teilnehmern. Das könnte ein toller Sommer werden. Und deshalb sollten wir auch nicht lange zögern und die Feste feiern, wie sie fallen. Und wem das nicht paßt, der kann ja zuhause bleiben.
„Die heutige Zierlichkeit ist der Tod aller Lustbarkeiten. Kein Ellenbogen auf dem Tische, kein Glas in der Hand, kein Auge das glüet, kein Herz das lacht,…. …. Schieß mich todt Kerl, damit ich das Unglück nicht länger ansehen möge.“ Wenn nichts mehr unsere Fröhlichkeit hervorrufen und befeuern kann, wenn allerorten nur noch Missmut und Verdruss herrschen, wofür lohnt es sich denn dann überhaupt noch zu leben? Mit der Maiwoche haben wir doch jedes Jahr eine so tolle Veranstaltung direkt vor unserer Haustür, da geht mir immer wieder das Herz auf. Das ist wahrlich kein Vergleich mit den tristen Kirmessen, die wir in früheren Zeiten begangen haben, und die trotz ihrer kurzen Dauer und ihres eher bescheidenen Umfangs mir in der Erinnerung doch als ein weitaus größerer Hort der Fröhlichkeit scheinen als all die Mega-Partys, mit denen wir heutzutage dem grauen Alltag zu entrinnen versuchen. Muß es denn immer noch größer, schneller und weiter sein als beim letzten Mal? Ich freue mich einfach darauf, in den nächsten Tagen ein paar bekannte Gesichter wiederzusehen, ein paar nette Gespräche mit Gleichgesinnten oder auch Andersdenkenden zu führen, mir bei hoffentlich schönstem Frühlingswetter leckere Getränke einzuverleiben und bis in den späten Abend hinein zu feiern. Der Mensch braucht gemeinhin viel weniger zum Glücklichsein, als er selber glaubt. Ein kleines Stück davon können wir in diesenTagen erhaschen. Dafür sollten wir dankbar sein, denn es gibt viele Städte, denen geht es weitaus schlechter als Osnabrück. Und damit meine ich nicht Nairobi, Damaskus, Kabul oder Islamabad – auch in unserer nächsten Nachbarschaft gibt es kaum etwas so Schönes und annähernd Vergleichbares wie die Maiwoche. Oder hat jemand schon mal davon gehört, daß irgendwo im Kreis Steinfurt eine der größten Open Air-Partys Norddeutschlands an den Start geht? Wohl kaum! Also Freunde, und jetzt die Hände zum Himmel und laßt uns fröhlich sein…
Ich wünsche allen Hasepost-Lesern eine Maiwoche, an der es nichts zu kritisieren gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ihr
Justus Möser