Guten Abend,

AFP

ich bin dieser Tage am Neumarkt entlang spaziert und habe mich auf ein Erfrischungsgetränk in einem der zahlreichen Lokale vor Ort niedergelassen. Mein Hund war auch dabei, ich vertaute seine Leine an einem Stuhl und begann mit dem Kellner eine kurze Diskussion über das Wetter. Bei dieser Gelegenheit schaffte es mein Hund irgendwie, sich von seiner Leine zu befreien und ein wenig auf Wanderschaft zu gehen. Immerhin ist das gastronomische Angebot rund um den Neumarkt für Hundenasen doch recht verlockend, und so will ich ihm im Nachhinein keinen Vorwurf machen. Ich bemerkte sein Verschwinden leider zu spät, und als er nach zwanzig Minuten noch nicht wieder da war, wurde ich doch ein bisschen nervös. Normalerweise neigt er nicht zu solch ausgedehnten Streunereien, aber diesmal schien er eine Ausnahme zu machen. Ich ging schnell Richtung Kamp-Promenade, wo er sich auch gerne mal aufhält, um nach dem Rechten zu schauen, aber selbst dort gab es keine Spur von ihm. Also setzte ich mich wieder in das besagte Lokal zu meinem Erfrischungsgetränk und harrte der Dinge, die da auf mich zukommen würden. Nach weiteren zwanzig Minuten kam mir mein Hund freudestrahlend aus der Großen Hamkenstraße entgegen, schwanzwedelnd und offenbar bester Laune. Ich strafte ihn mit einem bösen Blick, legte ihm erneut seine Leine um und wollte mich nun endlich ausgiebig dem verdienten Müßiggang widmen. Doch daraus wurde nichts. Knapp drei Minuten später fuhr ein Multivan der Osnabrücker Ordnungsbehörde vor und parkte in unmittelbarer Nähe des von mir besuchten Lokals. Unverzüglich stiegen drei Beamte in OS-Team-Uniform aus und begaben sich schnellen Schrittes Richtung Große Hamkenstraße. Kurze Zeit später kamen sie von dort unverrichteter Dinge wieder zurück und gingen nun mit einer gewissen Entschlossenheit im Blick direkt auf mich zu. Der Anführer fragte mich, ob das mein Hund sei, was ich als ehrlicher Bürger umgehend bejahte. Leugnen hätte auch nicht viel gebracht, immerhin lag der Hund direkt vor  meinen Füßen. Dann klärte er mich darüber auf, daß, so wörtlich, sich mein Hund in einem Dönerimbiss in der Großen Hamkenstraße rumgetrieben hätte und dort die Gäste massiv um Essen angegangen sei. Schließlich hätte der Betreiber die Polizei um Hilfe gerufen, welche unverzüglich das Ordnungsamt informierte. Und das hatte sich selbstverständlich ruckzuck aufgemacht, um an Ort und Stelle für Recht und Ordnung zu kämpfen.

Nach diesem Vortrag machte ich zunächst mal ein betretenes und schuldbewußtes Gesicht. Was hätte ich auch sonst machen sollen?! In Deutschland sollte man sich bemühen, den Ansprüchen der Obrigkeit Genüge zu leisten, um Unannehmlichkeiten möglichst aus dem Weg zu gehen. Ich bat die städtischen Mitarbeiter um Verständnis für meine Situation, versicherte glaubhaft, daß sich der Hund ohne mein Wissen und Zutun losgemacht hatte und versprach, daß sich solch ein Vorfall nicht wiederholen würde. Daraufhin wurde ich anschließend auf den Umstand hingewiesen, daß in Osnabrück selbstverständlich großflächig der Leinenzwang Gültigkeit hat und daß man mir nun eigentlich ein Bußgeld auferlegen müsste, aber ausnahmsweise davon absehen würde. Das machte mir die Ordnungshüter auf einen Schlag sympathisch und ich verabschiedete mich mit aller gebotenen Höflichkeit von dem diensteifrigen Trio, wünschte ihm noch einen schönen Tag und ging schleunigst meiner Wege.

Dieser Vorfall zeigte mir, daß es um die Aufrechterhaltung der staatlichen Strukturen in diesem Land doch nicht so schlecht bestellt ist, wie allenthalben behauptet wird. Wenn ein Hund unerlaubterweise in eine Dönerbude eindringt, dann kann man gar nicht so schnell gucken, als wie der Staat zur Stelle ist. Das beruhigt mich irgendwie. Andererseits würde ich mir ein energischeres staatliches Eingreifen des öfteren auch zu Gelegenheiten wünschen, denen ich mehr Relevanz beimesse als der Ergreifung eines streunenden Hundes. Denn die öffentliche Ordnung ist ein ebenso komplexes wie fragiles Gebilde, und wenn man bei ihrer Durchsetzung die falschen Prioritäten setzt, dann wird es früher oder später passieren, daß sie zu einem Possenspiel mutiert, das niemand mehr ernst nimmt. Ich wünsche mir diesen Zustand nicht, aber es mehren sich die Zeichen, daß wir auf dem besten Wege dahin sind.

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein erholsames Wochenende!

Ihr

Justus Möser

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