Guten Abend,
der alte Güterbahnhof ist dieser Tage wieder einmal in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Bei einer Verhandlung am Osnabrücker Landgericht wurde ein im April 2013 zwischen dem Eigentümer des Großteils der Flächen rund um den alten Güterbahnhof und der Stadt Osnabrück geschlossener Kaufvertrag für eine Grundstücksfläche an der Hamburger Straße, die zum Neubau einer Brücke über die dort verlaufene Eisenbahnstrecke benötigt wird, für rechtmäßig erklärt. Das sieht nach einem grundsätzlichen Erfolg für die Stadt Osnabrück aus, allerdings ist die ganze Angelegenheit damit noch nicht ausgestanden, denn die 3g Group GmbH (vormals Zion GmbH) als Eigentümerin des umstrittenen Grundstücks hat sofort nach Urteilsverkündung Berufung beim Oberlandesgericht in Oldenburg eingelegt. Und dort äußerst man sich eher verhalten zum weiteren Fortgang des Verfahrens. Da für die Berufung noch keine Begründung vorliege, sei nicht absehbar, wann das Gericht in dieser Angelegenheit zu einer Entscheidung komme. Aber selbst wenn die Entscheidung aus der ersten Instanz zeitnah bestätigt würde, brauchen allein die Planungen für einen Brückenneubau mindestens zwei Jahre Vorlaufzeit, um Sperrzeiten für den Bahnverkehr genehmigen zu lassen. Von der eigentlichen Bauzeit ganz zu schweigen. Denn wenn die öffentliche Hand in Deutschland federführend an Bauprojekten mitwirkt, können sich solche Vorhaben mittlerweile bis zum Sankt Nimmerleinstag hinziehen. Der Willy-Brandt-Flughafen in Berlin sei als warnendes Beispiel genannt. Und wenn man mal ganz ehrlich ist: die Stadt Osnabrück hätte sich den ganzen Ärger mit der Grundstückseigentümerin eigentlich sparen können. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vor knapp vier Jahren herrschte nämlich noch eitel Sonnenschein zwischen Käufer und Verkäufer. Bis ein paar religiös begründete und eher dümmliche Aussagen eines Geschäftsführers der Eigentümergesellschaft gegen mögliche Versammlungen von Homosexuellen auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs zum alles beherrschenden Thema wurden. Aber statt das Ganze einfach als freie Meinungsäußerung abzutun, die in unserem Land ja durchaus legitim ist, schlug diesem Menschen und seiner Firma von diesem Zeitpunkt an ein Sturm der Entrüstung entgegen. Allen voran durch führende Politiker der sogenannten Regenbogenkoalition im Osnabrücker Stadtrat und nicht zuletzt auch durch eine im Gleichklang agierende lokale Presse. Daraufhin verhärteten sich die Fronten, von einer harmonischen oder zumindest sachorientierten Abwicklung des Kaufvertrags konnte keine Rede mehr sein. Die Leidtragenden in der ganzen Angelegenheit waren wieder einmal die Osnabrücker Bürger, vor allem die Autofahrer, die auf dem Weg vom Bahnhof in den Schinkel nun seit einigen Jahren mit zeitraubenden Behinderungen bei der Querung der alten Brücke an der Hamburger Straße zu kämpfen haben. Während die Vertreter der Stadt Osnabrück aus der Geschichte offensichtlich gelernt haben und sich auch nach Ende der Verhandlung am Landgericht mit öffentlichen Kommentaren auffallend zurückhielten, wurde dem geneigten Zeitungsleser am Freitagmorgen per Kommentar klar gemacht, wie er das gute Recht des Grundstückseigentümers, vor Gericht ein Urteil zu erlangen, zu bewerten habe: „Es ist unerträglich, dass ein Amok laufender Geschäftsmann mit seiner kleingeistigen Racheaktion jahrelang ein für die Stadtentwicklung wichtiges Bauprojekt blockieren kann.“ Und an anderer Stelle: „Es ist tragisch, dass dieses asoziale Verhalten durch das Ungeschick eines Richters noch unnötig in die Länge gezogen wurde“, wird von publizistischer Seite Öl in ein Feuer nachgeschüttet, das schon viel zu lange brennt und die Stadtentwicklung seither an dieser Stelle massiv blockiert.
Ein wenig versöhnlicher klingt es dann zum Ende: „Bei allem Ärger, der sich schon aufgestaut hat, dürfen die Verantwortlichen nicht übersehen, dass ein weiterer Stillstand auf dem Güterbahnhof auch nicht im allgemeinen Interesse sein kann. Deshalb sollte die Hand ausgestreckt bleiben. Auch wenn es schwerfällt.“
Was mir an dieser seltsamen Form von Selbstverständnis und Überlegenheits-, wenn nicht sogar Allmachtsgefühl allerdings am meisten mißfällt, ist die unreflektierte Parteinahme für vermeintliche Belange der Stadt Osnabrück. Denn auch die Eigentümergesellschaft hat durchaus gute Gründe, den Kaufvertrag mit der Stadt anzufechten – nicht zuletzt begründet in einem Bebauungsplan, der auf sehr lange Sicht jede sinnvolle Entwicklung des Geländes nahezu unmöglich macht – für die Eigentümer kommt das einer Enteignung gleich.
Ich finde ein zu viel an Parteinahme in hohem Maße bedenklich. Wir sollten vielleicht alle beim Thema Güterbahnhof unsere betonierten Positionen überdenken. Letztendlich geht es bei aller Aufregung nur um eine Brücke. Welch ein schönes Symbol für den Zustand unserer Gesellschaft.
Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ihr
Justus Möser