Guten Abend,
ich pflege am Sonntag gerne ein oder auch mal mehrere Bierchen zu mir zu nehmen. Das war für mich immer die Bestätigung des absoluten Wochenendes, eine Art Belohnung sowohl der Seele als auch des Körpers. Bevorzugt bin ich zu diesem Zweck in eine Gaststätte gegangen, habe mit den anderen Gästen mehr oder weniger belanglose Gespräche geführt und es mir einfach für eine gewisse Zeit gutgehen lassen. Oft habe ich vorher noch in einem Schnellrestaurant eine kleine Mahlzeit eingenommen, damit der Magen eine Sättigungsgrundlage hat und den Alkohol besser verkraftet. Diese Rituale waren bis vor wenigen Tagen für mich selbstverständlich, ich nahm sie als zwar angenehme aber ansonsten nicht weiter wichtige Dinge hin. Bis es sie plötzlich nicht mehr gab. Und nun merke ich auf einmal in schmerzhafter Deutlichkeit, wie trostlos und grau das Leben ohne Gastronomie ist. Was würde ich dafür geben, ein paar Worte mit meinem Lieblingswirt zu wechseln und gemeinsam mit ihm und den mir liebgewordenen Stammgästen seinen leckeren Obstlikör und/oder ein frischgezapftes Pils zu goutieren. Und dabei der Zeit beim Verstreichen zusehen, auf alle Probleme dieser Welt eine Antwort suchen und sich ständig der gegenseitigen Wertschätzung versichern. Beim Abschied haben wir uns alle immer ausgiebig die Hand geschüttelt, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt unvorstellbar wäre.
Ich habe immer geglaubt, daß mir in Krisenzeiten vor allem meine Arbeit, der Alltagstrott, das Festhalten an den gottgegebenen Gewohnheiten fehlen würde. Die finanzielle Sicherheit und die Gewissheit, daß die Erde am nächsten Tag noch genauso verlässlich und stabil ist wie am heutigen. Das alles mag sicherlich wichtig sein, unerlässlich für ein menschenwürdiges Dasein und das ausschlaggebende Kriterium für einen ruhigen Schlaf. Aber nun stelle ich mit einigem Erstaunen fest, daß mir die heimische Gastronomie am meisten fehlt. Das Remmidemmi rund um die Redlingerstraße, die schöne Altstadt mit Heger Tor und Hasestraße, der Gang zum Italiener um die Ecke, die kleinen Spelunken und die großen Clubs. Vielleicht fehlt mir nur die laute Musik, die künstliche Aufgeregtheit, die beim Party machen in auffälliger Häufigkeit das weibliche Geschlecht befällt, das Gedudel von Spielautomaten, das Klappern von Geschirr, das Klirren der Gläser. Lautes Lachen und Stimmengewirr, ein handfester Streit und versöhnliche Worte, Smalltalk und Tiefgründiges, Blödsinn und Kokolores, all die sonst so unwichtigen Dinge – wenn sie nicht mehr da sind, merkt man erst, welche große Bedeutung sie für ein zufriedenes und erfülltes Dasein der Menschen haben.
Liebe Gastwirte, liebe Imbiss- und Restaurantbetreiber, liebe Clubbesitzer: lasst Euch von der derzeitigen Misere nicht entmutigen. ‚Auch der härteste Scheiß geht irgendwann wieder vorbei‘, wie es der große deutsche Gegenwartsphilosoph Udo Lindenberg einst so treffend formulierte. Und ich verspreche Euch, daß nach dem Ende des Shutdown die Osnabrücker in Scharen in eure Läden strömen werden. Haltet durch, wir brauchen Euch noch in besseren Zeiten.
Ich wünsche allen HASEPOST-LESERN einen Sonntagabend, an dem es nichts zu mösern gibt. Bleiben Sie gesund!
Ihr
Justus Möser
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