Guten Abend,
ich glaube, daß der Osnabrücker Einzelhandel in den nächsten Jahren deutlich kleiner wird. Ich glaube, daß viele vor allem inhabergeführte Geschäfte, die uns über viele Jahre begleitet haben und uns ans Herz gewachsen sind, vor der harten Realität des Wirtschaftslebens die Segel strecken müssen.
Dieser Tage trieb es mich bei den ausgedehnten Wanderungen durch meine Heimatstadt an die Katharinenkirche. Dort wird seit Monaten schwer gebaut, das ganze Erdreich wurde aufgerissen, Tag für Tag waren emsige Tiefbauarbeiter in den Weiten des Osnabrücker Versorgungsnetzes am Wirken. Jetzt neigen sich diese Arbeiten ihrem Ende entgegen. Und das dort befindliche kleine Modehaus, genau gegenüber vom altehrwürdigen Traditionslokal „Grüner Jäger“ gelegen, hat nun ebenfalls seine Pforten für immer geschlossen. Ich weiß nicht, ob die Tiefbauarbeiten an der Geschäftsaufgabe schuld sind. Ich bin nur ein wenig traurig darüber, daß ein weiteres schönes Geschäft in der Innenstadt seinen Geist aufgibt. Da scheint auch die Nähe zur Katharinenkirche nicht geholfen zu haben; da hat der liebe Gott kein Auge zugedrückt, den Gesetzen des Marktes kann offensichtlich niemand entkommen. Vielleicht hätte das Osnabrücker Bauamt die Tiefbauarbeiten ein wenig schneller durchführen lassen können, vielleicht hätte das den Untergang des Modegeschäftes aufgehalten. Aber wahrscheinlich hätte anschließend das seit vielen Jahren in Planung befindliche neue Mega-Shoppingcenter am Neumarkt, das ja nun laut Aussage führender Politiker der Regenbogenkoalition in Windeseile realisiert werden wird, diesem netten Einkaufsladen den Rest gegeben. Ich weiß es nicht, ich weiß auch längst nicht mehr, was ich noch glauben soll.
Als alteingesessener Osnabrücker liebe ich es, mit meinem Hund abends in den Gassen zwischen Nikolaizentrum und Schloßgarten zu flanieren. Ein Stückchen die Redlingerstraße hinauf, und dann weiter Richtung Kamp oder bis zum Ledenhof. Hier hat meine Heimatstadt noch ein wenig Ursprünglichkeit bewahrt, hier kann man ahnen, wie Osnabrück früher mal gewesen ist, hier kann ich wunderbar in schönen Erinnerungen schwelgen. Ich weiß ja, daß der Fortschritt nicht aufzuhalten ist, aber diese nostalgischen Anwandlungen mögen mir doch bitte auch die progressiven Kräfte im Stadtrat gestatten. Ich weiß auch, daß die Welt immer weiter zusammenwächst, daß wir uns in Osnabrück nicht auf einer Insel der Glückseligen befinden, daß die Globalisierung vor unseren Stadttoren nicht haltmacht. Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn jetzt der jahrzehntelang vernachlässigte Neumarkt auf einen Schlag durch ein Ultra-Mega-Shoppingcenter aufgewertet werden soll. Ich nehme aber doch mit Erstaunen zur Kenntnis, daß sich im Ergebnis die Lebensqualität an diesem Ort urplötzlich in paradiesähnliche Zustände verwandeln und ein Himmel auf Erden hier endlich Wirklichkeit wird. Allein, mir fehlt der Glaube. Nun ist es natürlich auch in unserem aufgeklärten Zeitalter besser, wenn man etwas weiß, wenn man sich der Fakten bedienen kann und nicht nur an etwas glauben muß. Ich kann aber bei allem Verständnis für eine positive Grundhaltung der eigenen Überzeugung gegenüber den grenzenlosen Optimismus bestimmter führender Ratsmitglieder in Osnabrück nicht teilen, daß durch ein neues Super-Ultra-Mega-Shoppingcenter alle Probleme rund um den Neumarkt Knall auf Fall gelöst sind.
Ich finde, daß man bei aller Euphorie und bei allem Support, den man diesem Projekt und seinen ständig wechselnden Projektmanagern entgegenbringt, viel stärker und zielgerichteter den schon viele Jahrzehnte hier ansässigen und durchaus zum Wohle der Stadtkasse und der mehr als umfangreichen Grundversorgung der hier lebenden Menschen tätigen Einzelhandel in Osnabrück hätte unterstützen sollen. Das wurde sträflich vernachlässigt, es wurde schlichtweg versäumt; mit solchen Banalitäten wollten sich die Damen und Herren in der Politik nicht abgeben, sie hatten Größeres im Sinn. Ich weiß nicht, ob das Firstclass-Super-Ultra-Mega-Shoppingcenter am Neumarkt jemals realisiert werden wird. Zum Schluß bleibt mir nur der Glauben. Und ich war ehrlich gesagt zeitlebens nie ein besonders gläubiger Mensch. Der Herrgott möge es mir verzeihen oder mich dafür irgendwann mal zur Rechenschaft ziehen. Ich weiß nur, daß ich, wenn ich gedankenverloren zwischen Niklolaizentrum und Ledenhof flaniere, bestimmt nicht zum Glauben finden werde. Ganz im Gegenteil, ich glaube, ich verliere ihn jeden Tag ein wenig mehr.
Und bevor ich es vergesse: Mach´s gut, mein kleiner Modeladen an der Katharinenkirche. Auf diesem Wege wollte ich dir einfach nochmal „Tschüss“ sagen. Ich habe bei dir zwar nie etwas gekauft, weil du nur Damenmode im Angebot hattest. Ich neige nicht dazu, diese zu tragen, und meine Frau ist leider vor langer Zeit gestorben. So habe ich immer nur durch deine Schaufenster geschaut und dich nie von innen betrachten können. Aber du wirst mir trotzdem fehlen. Du gehörtest irgendwie dazu.
Ich wünsche allen Hasepost-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu kritisieren gibt.
Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ihr
Justus Möser