Guten Abend,
lange habe ich geschwiegen zu all den weltbewegenden Themen, die in den letzten Monaten die Menschen in Osnabrück und dem Rest des Landes bewegt haben. Ich habe mich zurückgehalten, als Merkel & Co. mit Ach und Krach noch einmal auf der Regierungsbank Platz nehmen durften, ich ließ es ohne kritische Anmerkungen geschehen, daß Europa mittlerweile zu implodieren scheint und ich habe mir das Recht genommen, zu schweigen, als die Osnabrücker Maiwoche in diesem Jahr sehenden Auges vor die Wand gefahren wurde, weil sich die Stadtverwaltung in vornehmer Zurückhaltung übte und die Eintreibung von Standgeldern über die Qualitätssicherung und Attraktivitätssteigerung dieser für die Hasemetropole doch so bedeutsamen Veranstaltung stellte.
Ich wollte nicht länger den unbequemen Mahner geben, der permanent schlechte Laune und an allem etwas auszusetzen hat. Ich dachte mir, daß es grade in diesen dunklen Zeiten wichtig ist, auch mal positive Dinge zu vermelden und einen gewissen grundlegenden Optimismus zu verbreiten. Da ich für diese Dinge nicht unbedingt prädestiniert bin, wollte ich anderen Leuten den Vortritt lassen, sozusagen der Jugend die Chance geben, die Zukunft durch eine lebensbejahende Publizistik auf einen guten Weg zu bringen. Immerhin feiere ich in zwei Jahren schon meinen 300. Geburtstag und da ist es schließlich ganz natürlich, daß man ein wenig ruhiger und altersmilder wird und die Last der konstruktiven Kritik an die nachfolgenden Generationen weitergibt.
Doch in der vergangenen Woche ist in der lokalen Tageszeitung ein Artikel erschienen, der mir bis heute die Zornesröte ins Gesicht treibt. Unter der boulevardesk anmutenden Überschrift „Fahrradaktivisten kämpfen gegen Falschparker auch in Osnabrück“ werden drei heldenhaft anmutende junge Menschen vorgestellt, die scheinbar unter Einsatz des eigenen Lebens Fahrräder und Pylonen auf die Straße stellen. Damit protestieren die Heroen gegen eine vermutete Invasion von falschparkenden Autofahrern, vornehmlich im Bereich zwischen Johannistorwall und Pottgraben. Um der in ihren Augen gerechten Sache zu dienen, scheuen sie sich nicht, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr vorzunehmen – ohne Rücksicht auf Verluste und die Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer. Was die ganze Angelegenheit besonders pikant macht, ist die Jubelperser-Manie, mit der eine Lena Fischer als Autorin der lokalen Tageszeitung die ganze Aktion begleitet. Da wird die Selbstjustiz, Rechthaberei und Geltungssucht der selbsternannten Aktivisten begeistert beschrieben, ohne jegliche kritischen Zwischentöne.
Die Drangsalierung von Autofahrern scheint in Osnabrück mittlerweile zum guten Ton zu gehören, Menschenleben gefährdende Aktionen werden zu revolutionären Kampfhandlungen hochstilisiert und unter Verweis auf eine angeblich ausgerufene Aktionswoche gegen Falschparker, deren Initiator übrigens die Berliner Agentur „Clevere Städte“ ist, ein Unternehmen, daß davon lebt, Gutachten über die Vorteile des Fahrradverkehrs zu erstellen, werden alle rechtsstaatlichen Prinzipien über Bord geworfen. Wir brauchen uns gar nicht über das Chaos bei BAMF & Co. zu beschweren, wenn wir die Beugung des Rechts dort wohlmeinend dulden, wo sie in unser Weltbild paßt. Autofahrer-Bashing scheint in Osnabrück derzeit durchaus en Vogue zu sein, deshalb hat die verquere Aktion der selbsternannten Aktivisten auch wohl keine größere Protestwelle ausgelöst.
Wenn in der öffentlichen Ordnung das Recht keine Bedeutung mehr hat, wenn es nach Belieben gebeugt und nach eigenem Gusto ausgelegt werden darf, dann ist der Zusammenbruch jeglicher staatlichen Gestaltungsmacht und Verfügungsgewalt nicht mehr fern. Ich mag den drei selbsternannten Aktivisten ihr wirres Handeln als jugendlichen Leichtsinn durchgehen lassen, aber daß sich die Publizistik zum Claquer der Aufweichung von Recht und Ordnung macht, das finde ich unverantwortlich. Aber es paßt wie die Faust aufs Auge in das gesellschaftliche Chaos, daß sich bei uns breit macht. Wehret den Anfängen!
Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern einen schönen Abend. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ihr
Justus Möser
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