Guten Abend,
am vergangenen Sonntag habe ich am späten Nachmittag eine Traditionsgaststätte im äußersten Osten unserer Stadt aufgesucht. Ich wollte dort mit Gleichgesinnten das Fußballspiel ‚Deutschland vs. Mexiko‘ schauen. Der Biergarten war voller Gäste, es gab reichlich Gerstensaft vom Fass und alle schienen schon vor dem Anpfiff des Spiels der festen Überzeugung zu sein, daß es bei dieser Begegnung nur um die Höhe des deutschen Sieges ging. Auch Mario Basler, ein ehemaliger Nationalspieler, weilte in diesem Biergarten. Stilecht im Trainingsanzug aus schwarzer Ballonseide gekleidet, ließ er sich von der allgemeinen Euphorie nicht anstecken und warnte im Gespräch mit anderen Gästen vor einer zu großen Erwartungshaltung. Doch scheinbar wollte niemand auf ihn hören. Denn nach 90 Minuten waren alle Anwesenden, mich eingeschlossen, mehr als fassungslos angesichts der deutschen Niederlage im ersten Spiel bei der Weltmeisterschaft 2018. Damit hatte offenbar niemand gerechnet, nach dem Schlusspfiff verließ der Großteil der Gäste fluchtartig die Gaststätte mit dem schönen Biergarten, in ihren Gesichtern konnte ich die Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit erkennen, die der Auftritt der deutschen Nationalmannschaft hervorgerufen hatte. Mario Basler blieb noch eine Weile im Biergarten sitzen und plauderte mit den wenigen verbliebenen Gästen über die Gründe für die Niederlage.
Einen Tag später, am Montag dieser Woche, sah ich ihn gegen Mitternacht wieder sitzen, diesmal allerdings in einer Talkshow des ersten deutschen Fernsehens. Zusammen mit mehr oder weniger kompetenten Gesprächspartnern wie Célia Šašić, Christoph Daum und Marcel Reif wurde dort nach Gründen für die schlechte Leistung der deutschen Nationalmannschaft gesucht. Basler machte vor allem Mesut Özil als Grund für das Desaster aus. Er warf ihm mangelnde Einsatzbereitschaft vor und verglich sein Verhalten auf dem Spielfeld mit dem eines toten Frosches. Seit Dienstag hat nun eine allgemeine Empörung in den führenden Medien unseres Landes und vor allem auch in den sozialen Netzwerken ob dieser Äußerungen eingesetzt. Aber warum? Basler war schon zu seinen aktiven Zeiten als Spieler ein Freund klarer Worte.
Und er hat seine eigene Meinung, die mag einem nun passen oder nicht. Aber er äußert sie, auch wenn er damit aneckt, auch wenn er damit einen sogenannten Shitstorm auslöst, auch wenn ihn der ein oder andere selbsternannte Meinungsführer anschließend frontal angreift. Basler steht zu dem, was er sagt. Früher nannte man solche Leute Straßenfußballer, heute gelten sie als äußerst authentisch. Wahrscheinlich weil es von ihnen in diesem Land nicht mehr allzu viele Exemplare gibt. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum es bei der deutschen Nationalmannschaft im Moment nicht so gut läuft.
Vielleicht sollten wir alle uns öfter mal die ehrliche Meinung sagen. Und auch dazu stehen. Wenn ich die Berichterstattung zur aktuellen Situation in Deutschland verfolge, dann scheint es mir, als ob dieses Land kurz vor dem Untergang steht. Ich halte das für ausgemachten Unsinn. Aber niemand hält es für notwendig, dem ganzen chaotischen Treiben einen Riegel vorzuschieben, für etwas Ruhe zu sorgen und die Dinge wieder in die passenden Bahnen zu lenken. Es scheint sich sogar eine regelrechte Lust am Niedergang Deutschlands breitgemacht zu haben. Vielleicht täten uns deshalb ein paar mehr Baslers durchaus mal gut. Leute, die wieder sagen, was in ihren Augen Sache ist. Und die nicht gleich beim ersten Gegenwind einknicken und ihre ganzen Überzeugungen über den Haufen werfen. Dann wird das auch wieder was mit diesem Land. Und natürlich auch mit unserer Nationalmannschaft. Denn es wäre doch wirklich schade, wenn wir ab Ende des Monats nichts mehr zu feiern hätten. Die Zeiten sind schließlich schon schwer genug.
Ich wünsche allen Lesern der HASEPOST ein Wochenende, an dem es nichts zu mosern gibt. Und natürlich einen Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Ihr
Justus Möser
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Illustration unter Verwendung eines Fotos von „Superbass“, CC BY-SA 4.0