Guten Abend,

AFP

ich möchte an dieser Stelle mal eine Lanze brechen. Und zwar für all die armen Schweine, die bereitwillig in jedes Fettnäpfchen treten und anschließend ausgiebig Prügel von all möglichen Seiten beziehen. Zum Beispiel Kevin Großkreutz. Der Mann ist durch seinen Vornamen ja schon schwer gestraft, aber jetzt ist er auch noch beim VfB Stuttgart rausgeflogen. Weil er in eine Prügelei geraten ist, die er weder begonnen noch an der er in irgendeiner Form beteiligt war. Er hatte einfach nur das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein – und Kevin Großkreutz zu heißen. Da lieben es die Medien, über seinen nächsten Fauxpas zu berichten. Schließlich hat er bei der Vorbereitung zur Fußball-WM 2014 in angetrunkenem Zustand mal in ein Hotelfoyer uriniert. Da passt es natürlich ausgezeichnet ins Klischee, wenn er sehenden Auges in das nächste Unglück rennt. Ich finde es nicht gut von den Stuttgarter Vereinsoberen, daß sie Kevins Mißgeschick nutzen, um sich von einem Spieler zu trennen, der sportlich in den letzten Spielen ein wenig neben der Spur hing. Man sollte doch grade in Krisenzeiten ein wenig Loyalität beweisen und einen Menschen nicht für etwas bestrafen, wo er nun wirklich gar nichts für konnte. Aber der Profifußball ist nun mal ein hartes Geschäft, daß bekommt der Kevin nicht als erster am eigenen Leibe zu spüren.

Und während sich die Republik mit dem vorläufigen Ende der Profikarriere Kevin Großkreutz beschäftigt, wird das unsägliche und immer neue Blüten treibende Wirken des türkischen Staatspräsidenten Erdogan, wenn überhaupt, nur mit größter Vorsicht kritisiert. Denn dieser Mann könnte sich ja wehren und den ohnehin wackeligen Flüchtlingsdeal zwischen EU und Türkei beenden. Scheinbar genießt der Kalif vom Bosporus auch nach dem Aschermittwoch noch Narrenfreiheit. Der inhaftierte Journalist Deniz Yücel wird als „Agent des deutschen Staates“ bezeichnet und schon fordert ein beleidigter AKP-Minister „Vergeltung“, weil er als Tourist in Deutschland nicht öffentlich für die Abschaffung der türkischen Rest-Demokratie agitieren durfte.
Um es klar zu sagen: Ich bezeichne die Reaktion von Politik und Medien in dieser Angelegenheit als feige und unmoralisch. 

Schließlich möchte ich eine Lanze für Gerrit Heinemann brechen. Der Wirtschaftswissenschaftler und Experte für Stadtentwicklung hatte am Mittwoch auf einer Veranstaltung der Osnabrücker CDU auf die Frage, ob er das geplante Einkaufscenter am Neumarkt bauen würde, geantwortet: „Nein, ich würde das größte Parkhaus Deutschlands bauen.“ Damit bezog er sich auch auf seine zuvor geäußerten Thesen zu der problematischen Situation des innerstädtischen Einzelhandels, der seiner Ansicht nach nur am Markt bestehen könne, wenn Innenstädte mit dem Auto möglichst einfach zu erreichen seien. Eine diskussionswürdige, aber durchaus legitime Meinung, mit der ich durchaus einverstanden bin. Doch die Grünen qualifizierten Heinemanns Äußerung umgehend als durchgeknallten Karnevalsscherz ab, bezeichneten ihn als „Schmalspurexperten“ und fanden für diese Ansicht auch sofort eine Bühne bei der führenden Lokalzeitung. Was soll das? Mit sachlicher Auseinandersetzung hat diese Art der Herabsetzung und Verunglimpfung rein gar nichts mehr zu tun. Hier sollen Menschen einfach nur noch fertiggemacht werden, weil deren politische Gesinnung nicht in das eigene Weltbild paßt. Ich finde das traurig. So machen selbst unsere Lokalpolitiker die Gesprächskultur in Deutschland jeden Tag ein Stückchen mehr kaputt. Bis sich niemand mehr traut, einen Gedanken zu äußern, der für Kontroversen sorgen könnte. Dabei geht die Freiheit, die doch eigentlich unser höchstes Gut sein sollte, endgültig vor die Hunde. Wir sollten uns das nicht gefallen lassen und öfter mal eine Lanze brechen. Für welchen Querdenker und Querulanten auch immer. Auch wenn uns vieles von dem, was diese Leute von sich geben, nicht gefällt, so sollten wir doch froh sein, daß wir sie haben. Denn sie trauen sich wenigstens, von ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Diese Geisteshaltung wird in Deutschland leider immer seltener. In der Türkei kann man grade gut beobachten, was geschieht, wenn das Grundrecht eine eigene Meinung zu haben zerstört wird. Laßt uns das eine Warnung sein. Die Freigeistfresser sind unter uns und es werden leider immer mehr! 

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

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