Welthandel. Geschichte, Gegenwart und Perspektiven: So lautet der Titel der neuen Sonderausstellung im Museum Industrie und Kultur (MIK), die seit Samstag (6. Mai) ihre Tore für Besucher bis zum 15. Oktober geöffnet hat.
Dr. Vera Hierholzer, Geschäftsführende Direktorin und Co-Kuratorin der Ausstellung, hat eine kleine Vorabführung durch die verschiedenen Bereiche der Ausstellung gegeben. Das Museum wagt damit den Versuch, zu erklären, warum die Vergangenheit des Welthandels unseren Alltag noch heute prägt.
Bei der diesjährigen Sonderausstellung des MIK scheinen sich die Beteiligten besonders viele Gedanken gemacht zu haben. Unter anderem sind Workshops für jegliche Zielgruppen geplant, besonders wichtig dabei: Außerschulische Bildungsangebote. Schafft es der Besucher, seinen eigenen Blickwinkel etwas zu verlassen, kann das Projekt doch sehr zum Nachdenken anregen.
Doch kehren wir zurück zum Anfang der Ausstellung: Schon bevor der Besucher in die Welthandels-Ausstellung eintritt, wartet ein Handelscontainer, um eine Atmosphäre des historischen Handels zu schaffen. Bevor es in den verschiedenen Themenräumen ans Eingemachte ging, eröffneten die Stifter des Projektes den Tag mit einigen Grußworten. So wurde erwähnt, dass die verschiedenen Träger zusammen über 125.000 Euro investiert haben.
Historischer Handel als Voraussetzung für die heutige Zeit
Anlässlich des 375. Jubiläums des Westfälischen Friedens zeigt das MIK Osnabrück eine Ausstellung zum weltweiten Warenhandel. “Die friedenspolitische Dimension des weltweiten Warenhandels ist sowohl historisch als auch heutzutage von großer Relevanz”, so Dr. Susanne Tauss, Geschäftsführerin des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land. Dabei weisen die ersten Informations- und Ausstellungsbestände auf die langen Entwicklungslinien des Welthandels hin. Die Globalisierung besteht also nicht erst seit der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts, vielmehr fand ein erster Welthandel schon zur Neuzeit statt (17./18. Jahrhundert). Der Westfälische Frieden und erste Formen des Welthandels stehen also in einer historischen Linie.
Aneignung von Wissen, Arbeit und Rohstoffen
Der Hinweis auf die ausgestellten Kolonialwarenlager lädt zum ersten mal auf einen Perspektivwechsel ein. Mit den berühmten Osnabrücker Leinen hat das Museum einen Bezug zwischen Welthandel und der lokal ansässigen Produktion hergestellt. Durch Sklaverei und Plantagenwirtschaft konnte die Massenproduktion, die die Weltwirtschaft aktuell noch prägt, besonders gefördert werden. Das Museum möchte so darauf aufmerksam machen, dass auch Osnabrück vom Kolonialismus profitierte. Geographisches Wissen durch Land- und Seekarten waren wissensbasierte Instrumente zur kolonialen Expansion. Zusätzlich stellt das MIK in Büchern festgehaltene rassistische Stereotype aus. Auch diese “Form der Wissensverbreitung prägt unsere soziale Welt noch heute.” Handelsabkommen zwischen dem heutigen globalen Norden und Süden wurden laut Dr. Hierholzer “vielfach mit Gewalt” beschlossen.
Museen und die Aufgabe der Aufklärung
Abgesehen davon, dass das Museum sich zur Aufgabe gemacht hat, selbst nachhaltige Materialien zu verwenden, legen die Träger des Ausstellungsprojektes besonderen Wert darauf, dem Besucher einen Perspektivwechsel zu geben. Um unsere europäische Brille zumindest ein wenig ablegen zu können, haben entwicklungspolitsche NGOs wie Terre des Hommes Osnabrück das Projekt begleitet. Dr. Susanne Tauss stellt heraus: “Zu dieser Thematik können wir nicht genug Augenöffner brauchen”.
Während zu Zeiten des Kolonialismus’ Handelsabkommen mit militärischer Gewalt durchgesetzt wurden, so ist heute vor allem die finanzielle Ungleichheit zwischen globalem Norden und Süden ein wirksames Druckmittel zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Auch in der aktuellen Zeit herrscht reger Diskussionsbedarf ob der Notwendigkeit von Freihandelsabkommen. Damals wie heute hieße es “Freier Handel vs. Zölle”.
Strukturelle Herausforderungen für die Gegenwart
Als konkretes Instrument zur Schaffung von fairen Bedingungen wurde vielfach das Thema Lieferkettengesetz angesprochen – auch wenn sich viele deutsche Unternehmen aufgrund des Profitmaximierungsdrucks kein Lieferkettengesetz wünschen. Lieferketten sind so undurchsichtig und trotzdem gleichzeitig so effizienzgesteuert, dass Menschenrechte in Form von Zwangsarbeit untergraben werden. Deshalb, so Sabine Sieverding, Wissenschaftliche Volontärin und Co-Kuratorin der Ausstellung, sei ein “ständiges Aushandeln aller Akteure notwendig”. Dies sollte trotz der unterschiedlichen Perspektiven jedoch respektvoll stattfinden – ganz ohne Spott und Hohn, wie es auf einschlägigen Social-Media-Plattformen jedoch noch häufig der Fall ist.